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Dr. Norden (ab 600) Box 1 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.

Dr. Norden (ab 600) Box 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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war ihm egal, dass es noch früh am Vormittag war. Bitte mein Kostüm von der Reinigung holen, las er, was Melina auf den einen geschrieben hatte. Ich hab versprochen, die Nachbarskatze zu füttern. Kannst du das übernehmen?, stand auf dem nächsten. Der Wasserhahn in der Gästetoilette tropft. Nie schrieb sie Ich liebe dich, oder Ich vermisse dich. Verächtlich zerknüllte Sebastian die Notizen und warf sie in den Abfall. Er lehnte sich an den Kühlschrank und nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche. »Ich liebe dich auch, mein Schatz«, schimpfte er zutiefst enttäuscht und sehr, sehr einsam.

      Als das Telefon klingelte, erschrak er.

      »Keinath«, meldete er sich nach einem weiteren Schluck Bier.

      »Ach, Bastian, das ist gut, dass ich dich erreiche.« Melinas gehetzte Stimme klang an sein Ohr. Wie immer in letzter Zeit war sie in Eile, sodass noch nicht mal Zeit für einen liebevollen Gruß blieb. »Du musst mich heute nicht vom Flughafen abholen.«

      »Ach.« Sofort fühlte Sebastian den eifersüchtigen Stich in der Brust. Wahrscheinlich brachte sie wieder irgendein schicker Designer nach Hause. »Wirst du gefahren?«, riss er sich zusammen, um nicht gleich wieder einen Streit vom Zaun zu brechen.

      Melina antwortete nicht sofort.

      »Tut mir leid, ich komme heute Abend gar nicht nach Hause«, gestand sie zögernd. »Wir sind von Zürich gleich nach Mailand weitergeflogen. Hubert wollte mich unbedingt mit ein paar Freunden bekannt machen, die wichtig für meine weitere Karriere sein können.«

      »Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass dein Ehemann wichtig für dein weiteres Liebesleben sein könnte?«, entfuhr es ihm und er nahm einen weiteren Zug aus der Flasche.

      »Bastian, bitte, darüber haben wir doch schon …« Melina stutzte, als sie das gurgelnde Geräusch hörte. »Trinkst du etwa? Um diese Uhrzeit?«

      »Was sollte ich denn sonst tun, um mir die Einsamkeit zu vertreiben?«, fragte er und lachte böse. »Wenn ich trinke, fange ich irgendwann an, Selbstgespräche zu führen. Dann bin ich wenigstens nicht mehr so allein.«

      Melina seufzte. Sie wollte diese ewigen unterschwelligen Vorwürfe nicht mehr hören.

      »Was ist denn jetzt mit dem Unfall? Gibt es schon neue Erkenntnisse?«, wechselte sie das Thema.

      Auch ein wenig deshalb, um ihm ein schlechtes Gewissen zu machen und ihn auf diese Weise von den Vorwürfen abzubringen.

      Der Plan ging nicht auf.

      »Dauert noch«, kam die unbeeindruckte Antwort.

      Die Flasche war leer und Sebastian holte eine neue aus dem Kühlschrank.

      »Warum bist du in letzter Zeit nur so unkonzentriert?«, fragte Melina mit einem Anflug von Ratlosigkeit.

      »Das fragst du im Ernst?« Sebastian konnte es nicht fassen. »Vielleicht, weil ich die ganze Zeit darüber nachdenke, wie ich verhindern kann, dass unsere Ehe scheitert.«

      An dieser Stelle hatte Melina die Nase endgültig voll.

      »Jetzt hör mir mal gut zu! Nur weil ich im Augenblick viel um die Ohren habe, scheitert unsere Ehe doch noch nicht. Das wäre eine ganz schöne Armutserklärung«, schnaubte sie wütend. »Außerdem habe ich dich nicht geheiratet, um den Alleinunterhalter für dich zu spielen. Benimm dich endlich wie ein erwachsener Mann und nicht wie ein fünfjähriges Kind, das nicht auch mal alleine spielen kann!«, fuhr sie ihn an. »Es wäre wirklich schön, wenn du dich zur Abwechslung mal für mich freuen würdest.« Im Hintergrund war eine männliche Stimme zu hören. »Ich muss Schluss machen«, erklärte Melina zum Abschied. »Ich melde mich morgen wieder.«

      Es klickte an Sebastians Ohr, und die Leitung war unterbrochen.

      »Ich liebe dich auch, mein Schatz«, murmelte er mit vor Sarkasmus triefender Stimme. »Ich kann es kaum erwarten, dass wir uns endlich wiedersehen.« Achtlos warf er den Apparat auf den Esstisch, wo er über die Tischplatte schlitterte und schließlich neben der Obstschale liegen blieb. Anders als früher war das Obst darin nicht frisch, die Äpfel verschrumpelt. Doch Sebastian achtete nicht darauf. »Kein Wunder, dass ich mich nicht auf meine Arbeit konzentrieren kann.« Auf dem Weg zum Sofa leerte er die Flasche in einem Zug, ehe er auf die Polster sank und fast sofort eingeschlafen war.

      *

      Als Katharina Hasselt zu Danny Norden ins Behandlungszimmer kam, fiel ihm sofort auf, dass die junge Frau anders aussah als bei ihrem ersten Besuch bei ihm. Doch erst nach der Begrüßung wurde ihm klar, dass es an ihrem dezent geschminkten Gesicht und der neuen Frisur lag.

      »Wie geht es Ihnen?«, überging er diese Veränderung geflissentlich und konzentrierte sich auf das Wesentliche.

      Die Patientenkarte lag aufgeklappt vor ihm, und schon im Vorfeld hatte er sich im Computer den Fall in Erinnerung gerufen.

      »Der Zeh tut immer noch sehr weh!«, erwiderte Katharina schüchtern.

      Sie wagte kaum ihn anzusehen, als sie sich eine Strähne ihres blonden Haares aus der Stirn strich.

      Danny war nicht dumm. Ihm war schon aufgefallen, dass sich nach und nach immer mehr Frauen in seiner Sprechstunde einfanden und ihm die eine oder andere noch viel unverfrorener als die schüchterne Katharina Hasselt schöne Augen machte. Bisher hatte ihm diese Aufmerksamkeit geschmeichelt. Doch langsam aber sicher wurde es ihm zu viel. Vor allen Dingen, weil er sicher sein konnte, dass sie auch seinem Vater nicht entgehen würde. Wie unglaublich peinlich!

      »Dann wollen wir uns den Schlingel mal ansehen«, überging er Katharinas Signale deshalb geflissentlich mit einem flotten Spruch und bat sie hinüber ins Behandlungszimmer.

      Kichernd setzte sie sich auf die Liege und entblößte den rechten Fuß.

      »Sehen Sie nur, der Zeh ist immer noch ganz rot.« Sie deutete auf die deutliche Rötung, die mit einer Schwellung einherging. »Ich hatte schon öfter solche Entzündungen und wurde schon zwei Mal am Nagelbett operiert. Einmal hat man mir den Nagel sogar gezogen.« Mit Grausen erinnerte sich Katharina an diese schmerzhafte und noch dazu sinnlose Prozedur.

      Die Entzündung hatte sich nach einer Weile trotzdem wieder eingestellt.

      Danny zog einen Latexhandschuh über und nahm den Fuß behutsam in die Hand. Eingehend begutachtete er den Infektionsherd.

      »Ich bin sicher, dass wir ohne chirurgischen Eingriff auskommen. Haben Sie die Bäder nach Anweisung durchgeführt?«, fragte er kritisch.

      »Ich habe alles ganz genauso ­gemacht, wie Sie gesagt haben«, ­antwortete die junge Patientin

      mit treuherzigem Augenaufschlag. »Hoffentlich wird das keine Blutvergiftung.«

      »Da kann ich Sie auf jeden Fall beruhigen.« Mit geschickten Handgriffen säuberte Danny die Wunde von Salbenspuren und trug eine neue, entzündungshemmende Paste auf. Ein Verband schützte zusätzlich vor Verunreinigungen. »Ich bin sehr zufrieden mit der Entwicklung. Meiner Ansicht nach ist die Entzündung schon zurückgegangen. Natürlich ist mit so einer Verletzung nicht zu spaßen, und Sie werden noch etwas Geduld brauchen, ehe sie ganz abgeheilt ist. Aber ich bin sicher, dass das Problem in einigen Tagen behoben ist. Dann werden wir darangehen, Ihr Immunsystem durch wirkungsvolle Maßnahmen zu stärken, damit Sie in Zukunft von diesen unangenehmen Infektionen verschont bleiben.« Ohne lange darüber nachzudenken, griff Danny fürsorglich nach Katharinas Strumpf und zog ihn ihr über. »Lassen Sie sich von Wendy einen Termin für nächste Woche geben. Und falls vorher etwas ist, rufen Sie einfach an.«

      Katharina konnte ihr Glück kaum fassen. Nicht nur, dass der junge Arzt ausgesprochen attraktiv, nett und kompetent war. Er vermittelte ihr darüber hinaus die Sicherheit, dass ihre Sorgen und Nöte ernst genommen und sie entsprechend behandelt wurde.

      »Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll«, murmelte sie zum Abschied verlegen.

      »Sie müssen mir nicht danken«, antwortete Danny aus vollster Überzeugung. »Dafür bin ich doch da!«

      »Das sagen Sie!«, erklärte Katharina Hasselt aus tiefstem Herzen.


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