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Gesammelte Werke von Nikolai Gogol. Nikolai GogolЧитать онлайн книгу.

Gesammelte Werke von Nikolai Gogol - Nikolai Gogol


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sollte, der Zerstörung anheimfiel. Inzwischen richteten sich die Kosaken, die eine zwiefache Wagenburg um die Stadt gelegt hatten, genau wie daheim im Lager ein, hausten nach Gemeinden geordnet, rauchten ihre Pfeifen, trieben Tauschhandel mit den erbeuteten Waffen, spielten Paar oder Unpaar und schauten mit zielsichrer Mördergeduld kalt nach der Stadt hinüber. Abends wurden die Lagerfeuer entfacht, die Gemeindeköche kochten in ungeheuren Kupferkesseln Riesenmengen an Grütze; neben Feuern, die die ganze Nacht unterhalten wurden, lagerten die Posten.

      Es währte natürlich nur kurze Zeit, da begannen sich die Kosaken bei dem faulen Leben zu langweilen – diese ewige Nüchternheit, die durch so gar keine wichtige Tätigkeit geboten erschien, behagte ihnen wenig. Der Hetman entschloß sich seufzend, die Weinration zu verdoppeln. Das hielt man im Feld manchmal so, wenn keine größeren Kämpfe noch Marschleistungen zu erwarten waren. Besonders den jungen Leuten, nicht zuletzt Taraß Bulbas Söhnen, mißfiel dies Dasein aufs höchste.

      Andri machte kein Hehl aus seinem Verdruß.

      »Unvernünftiger Bursch«, sagte Taraß zu ihm, »nur durch Geduld wird aus dem Kosaken ein Hetman! Das ist mir noch lange nicht der richtige Krieger, wer bloß in der Schlacht keine Angst hat – nein, auch wenn nichts zu tun ist, hübsch munter bleiben, alles ertragen, was da auch kommt und was da auch los ist, und immer den Mut behalten …!«

      Aber ein hitziger junger Bursch denkt darin nicht wie ein Alter – ihre Jahre sind weit auseinander, sie sehen die Dinge mit sehr verschiednen Augen.

      Inzwischen war auch Taraß Bulbas Regiment unter der Führung des Oberstleutnants Towkatsch zum Heere gestoßen; zwei weitere Oberstleutnante, einen Schreiber und sonstige Chargen brachte er mit; es waren im ganzen mehr als viertausend Kosaken. An ihren Reihen gab es genug Freiwillige, die ohne Aufruf unter die Fahne getreten waren, als sie hörten, worum es ging. Towkatsch überbrachte Bulbas Söhnen den Segen der Mutter und jedem ein im Kiewer Kloster geweihtes Heiligenbild aus Zypressenholz. Die beiden Söhne hängten sich die Amulette um und kamen wider Willen ins Grübeln, da sie der Mutter gedachten. Was kündete und bedeutete ihnen dieser Segen? Hatte er wohl die Kraft, ihnen den Sieg über die Feinde zu schenken und darnach die fröhliche Heimkehr, schwer an Beute, strahlend in Ruhm, der ewig zum Klang der Pandora besungen würde; oder…? – Keiner erforscht die Zukunft, sie liegt vor dem Menschenblick wie herbstlicher Nebel, der aus Sümpfen empordampft; sinnlos flattern durch ihn mit bangem Flügelschlag die Vögel aufwärts und abwärts, ohne einander zu sehen, die Taube sieht nicht den Habicht, der Habicht sieht nicht die Taube, und keiner weiß, wie dicht auf den Fersen das Unheil ihm folgt …

      Ostap hatte die Tagesarbeit getan und lag schon lange schlummernd bei den Kameraden. Andri aber war es, er wußte selbst nicht warum, sonderbar schwül ums Herz. Das Mahl der Kosaken war längst beendet, die Abendröte verglommen, eine herrliche Julinacht verhüllte die Erde. Andri ging nicht zu seinen Leuten, er legte sich auch nicht schlafen, er schaute verträumt auf das Bild, das sich vor ihm ausbreitete. Am Himmel funkelten klein und hell die Sterne. Weithin über das Feld zog sich die Reihe der Wagen, die mit allerhand Proviant und Beute beladen waren, und zwischen deren Rädern die Teereimer leise schaukelten. Neben den Wagen, unter den Wagen, seitab von den Wagen – überall hatten sich die Kosaken ins Gras geworfen. Sie schliefen in den mannigfaltigsten Stellungen – dem einen diente ein Mehlsack als Kissen, dem andern die Mütze, wieder einer bettete einfach den Kopf auf den Bauch eines Kameraden. Der Säbel, die Hakenbüchse, die kupferbeschlagne Pfeife mit kurzem Rohr, Stahl und Stein waren jedem zur Hand – davon trennte man sich auch bei Nacht nicht. Die schweren Ochsen lagen, die Beine unter den Leib gezogen, als weißliche Haufen da und glichen aus der Entfernung gesehen über die Hänge verstreuten grauen Felsblöcken.

      Rundum erscholl das tausendstimmige Schnarchen des schlafenden Heeres; wie eine Antwort darauf kam von den Feldern das helle Wiehern der Hengste, die unwillig an ihren Koppeln zerrten. Und etwas war da, was der Schönheit der Julinacht eine unheimliche Erhabenheit lieh. Das war der Schein der ferne brennenden Dörfer. Hier wallte die Flamme still und feierlich zum Firmament empor; dort, wo sie leichtere Nahrung fand und vom Wind gepackt wurde, heulte sie pfeifend und flog bis an die Sterne hinauf, die losgerissenen Feuerfetzen erloschen erst hoch oben im Himmel. Ein niedergebranntes schwarzes Kloster stand dräuend wie ein grimmer Karthäusermönch da und wies im Licht der Brände seine düstre Majestät, der Klostergarten brannte, Andri meinte beinah, er höre die Bäume zischen, wenn sie in der Glut zu dampfen begannen; schlug dann die Lohe empor, so lag plötzlich das Licht grell phosphorblau auf Büscheln von reifen Pflaumen und verwandelte gelbe Birnen zu blankem Dukatengold. Dazwischen hing an der Klostermauer oder an einem Baumast in tiefem Schwarz der Leichnam eines Juden oder eines Mönches, der bei der Brandschatzung des Klosters sein Ende gefunden hatte. Oben über den Flammen flatterten ängstlich Vögel, die einem Muster aus dunkeln Kreuzchen auf feurigem Grunde glichen. Die belagerte Stadt schien zu schlafen, ihre Türme und Dächer, der Palisadenzaun und die Mauern glühten verschwiegen im Schein der fernen Brände.

      Andri durchschritt die Reihen der Kosaken. Die Feuer, an denen die Posten lagerten, waren am Verlöschen, die Posten selbst schliefen – sie hatten ihren gesunden Kosakenhunger wohl durch zu reichliche Atzung befriedigt. Ein bißchen merkwürdig dünkte Andri soviel Sorglosigkeit; er überlegte: – Ein Glück noch, daß kein starker Feind um den Weg ist und nirgends Gefahr droht. – Endlich ging er selbst zu einem der Wagen, kletterte hinauf und legte sich auf den Rücken, den Kopf in die gefalteten Hände gebettet; aber er konnte nicht schlafen und schaute noch lange in den Himmel hinauf: grenzenlos offen lag der vor seinem Blick, die Luft war sichtig und rein, das Sterngewimmel der Milchstraße zog einen grell funkelnden Lichtgürtel über die Wölbung. Manchmal verschwammen Andris Gedanken, ein leichter Schlummernebel zog über die Sterne, gleich aber wurde er wieder wach und sah alles sehr scharf und sehr klar.

      Da war es ihm plötzlich, als tauche so etwas wie ein seltsames Gesicht aus der Nacht. Er hielt es für ein Traumbild, das gleich wieder in Luft zerrinnen müsse, und riß die Lider gewaltsam auf. Da erkannte er, daß sich in Wahrheit ein verhärmtes, hagres Antlitz über ihn beugte und ihm gerade in die Augen sah. Lange, kohlschwarze Haare, ungekämmt und wirr, krochen unter einem dunkeln, lässig übergeworfnen Kopftuch hervor; das sonderbare Glimmen des Blickes, die Leichenblässe der scharfen Züge gemahnten ihn an ein Gespenst.

      Unwillkürlich griff Andri zur Hakenbüchse und fragte mit bebender Stimme: »Wer da? Bist du ein unreiner Geist, so hebe dich fort; bist du ein lebendiger Mensch, so reut dich der Spaß – ich knall dich über den Haufen!«

      Als Antwort legte die Erscheinung den Finger an die Lippen und schien ihn durch diese Gebärde zu bitten, er möge doch still sein. Er ließ die Hand sinken und musterte das seltsame Wesen genauer. An den langen Haaren, dem Hals und der halbnackten braunen Brust erkannte er, daß es ein Weib war. Aber sie mußte von fremdem Stamm sein; ihr braunes Gesicht erschien wie ausgemergelt durch harte Entbehrung, die breiten Backenknochen sprangen scharf aus den eingefallnen Wangen hervor, schief geschlitzt zogen sich die Augen gegen die Schläfen hinauf.

      Je länger Andri das Gesicht musterte, desto bekannter dünkte es ihn. Endlich fragte er lebhaft: »Wer bist du? Ich glaube immer, ich kenn dich. Gesehen hab ich dich schon einmal.«

      »Vor zwei Jahren, in Kiew.«

      »Vor zwei Jahren … in Kiew …« wiederholte Andri und ließ die Erinnerungen aus der Schulzeit an sich vorüberziehen. Forschend musterte er die Fremde noch einmal, dann schrie er plötzlich: »Jetzt weiß ichs: die Tatarin bist du, die Magd des Fräuleins!«

      »Scht!« wisperte das Weib und faltete flehend die Hände. Bang wendete es den Kopf, zu sehen, ob Andris laute Worte nicht am Ende einen der Schläfer aufgeschreckt hätten.

      »Wo kommst du her? So sprich doch!« flüsterte er atemlos, die Erregung preßte ihm hart die Kehle zusammen. »Wo ist das Fräulein? Ist sie wohlauf?«

      »Drinnen in Dubno ist sie.«

      »Dort in der Stadt?« Er hätte beinah wieder aufgeschrieen, alles Blut schoß ihm jählings zu Herzen. »Wie kommt sie hierher?«

      »Der alte Herr ist auch da: er ist schon im zweiten Jahr Marschall von Dubno.«

      »Ist


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