Gesammelte Werke von Nikolai Gogol. Nikolai GogolЧитать онлайн книгу.
zu. Die Saporoger erhoben sich.
Nun wagte es auch der Schmied, den Kopf zu heben, und er erblickte eine nicht sehr große, sogar etwas beleibte Frau mit gepudertem Haar, blauen Augen und mit jener majestätisch lächelnden Miene, die es so gut verstand, sich alles Untertan zu machen, und die nur einer Herrscherin angehören konnte.
»Seine Durchlaucht hat mir versprochen, mich heute mit einem meiner Völker bekannt zu machen, das ich bisher noch nicht gesehen habe«, sagte die Dame mit den blauen Augen, indem sie die Saporoger neugierig musterte. »Seid ihr hier gut untergebracht?« fuhr sie fort und trat näher.
»Danke, Mutter! Der Proviant ist gut, obwohl die Hammel hier lange nicht so sind wie bei uns daheim – weshalb sollten wir nicht irgendwie leben können? …«
Potjomkin verzog das Gesicht, als er merkte, daß die Saporoger etwas ganz anderes sagten, als was er sie gelehrt hatte …
Einer der Saporoger trat nun mit stolzer Miene vor: »Wir bitten dich, Mutter! Womit hat dich dein treues Volk erzürnt? Haben wir es denn mit den heidnischen Tataren gehalten? Haben wir je Hand in Hand mit den Türken gehandelt? Haben wir dir mit einer Tat oder mit einem Gedanken die Treue gebrochen? Warum diese Ungnade? Erst hörten wir, daß du überall Festungen gegen uns bauen läßt; dann hörten wir, daß du aus uns Karabinerschützen machen lassen willst; jetzt hören wir von neuen Strafen. Was hat das Heer der Saporoger verbrochen? Vielleicht, daß es deine Armee über den Perekop geführt und deinen Generälen geholfen hat, die Tataren der Krim niederzumetzeln? …«
Potjomkin schwieg und putzte mit einem kleinen Bürstchen lässig die Brillanten, mit denen seine Finger besät waren.
»Was wollt ihr also?« fragte Katharina besorgt.
Die Saporoger sahen einander bedeutungsvoll an.
– Jetzt ist’s Zeit! Die Zarin fragt, was wir wollen! – sagte der Schmied zu sich selbst und stürzte plötzlich zu ihren Füßen nieder.
»Eure zarische Majestät, laßt mich nicht strafen, erweist mir Eure Gnade! Woraus, nehmt es mir nicht übel, sind die Schuhe gemacht, die Eure zarische Gnaden an den Füßen haben? Ich glaube, kein Schuster in keinem Lande der Welt versteht solche Schuhe zu machen. Mein Gott, wenn meine Frau solche Schuhe anziehen könnte!«
Die Kaiserin lachte. Auch die Höflinge fingen zu lachen an. Potjomkin blickte finster drein und lächelte zugleich. Die Saporoger begannen den Schmied an den Arm zu stoßen, denn sie glaubten, er sei verrückt geworden.
»Steh auf!« sagte die Kaiserin freundlich. »Wenn du durchaus solche Schuhe haben willst, so ist das leicht gemacht. Bringt ihm sofort die kostbarsten mit Gold bestickten Schuhe! Diese Einfalt gefällt mir wirklich! Da habt Ihr«, fuhr die Kaiserin fort, indem sie einen Herrn mit einem vollen, aber etwas bleichen Gesicht anblickte, der etwas abseits von den anderen stand und dessen bescheidener Rock mit den großen Perlmutterknöpfen zeigte, daß er nicht zu den Höflingen gehörte, »da habt Ihr ein Eurer geistreichen Feder würdiges Thema!«
»Eure kaiserliche Majestät sind zu gnädig. Dazu bedarf es wenigstens eines Lafontaine!« antwortete der Mann mit den Perlmutterknöpfen mit einer Verbeugung.
»Auf Ehre, ich muß sagen, daß ich von Eurem ›Brigadier‹ noch immer hingerissen bin. Ihr lest wunderbar vor! Aber ich hörte«, wandte sich die Kaiserin an die Saporoger, »daß man bei euch in der Ssjetsch niemals heiratet.«
»Was sagst du bloß, Mutter! Du weißt doch selbst, daß kein Mann ohne Frau auskommen kann«, antwortete derselbe Saporoger, der früher mit dem Schmied gesprochen hatte, und der Schmied wunderte sich, als er hörte, wie dieser selbe Mann, der so gut gebildet zu sprechen verstand, mit der Zarin wie absichtlich in der gröbsten Bauernsprache redete. – Schlaue Leute! –, dachte er sich, – das tut er sicher nicht ohne Absicht. –
»Wir sind keine Mönche«, fuhr der Saporoger fort, »sondern sündige Menschen. Wie die ganze ehrliche Christenwelt sind wir auf Fleischspeisen versessen. Es sind nicht wenige unter uns, die Frauen haben, nur leben sie nicht mit ihren Frauen in der Ssjetsch. Manche haben ihre Frauen in Polen; andere haben ihre Frauen in der Ukraine; und andere haben ihre Frauen in der Türkei.«
In diesem Augenblick brachte man dem Schmied die Schuhe.
»Mein Gott, was für ein Schmuckstück!« rief er freudig und ergriff die Schuhe. »Eure zarische Majestät! Wenn Ihr solche Schuhe anhabt und wenn Ihr mit ihnen, Euer Wohlgeboren, aufs Eis geht, wie müssen dann die Füßchen selbst sein? Ich meine, die sind mindestens aus reinstem Zucker.«
Die Kaiserin, die wirklich die schlanksten und reizendsten Füßchen hatte, mußte lächeln, als sie dieses Kompliment aus dem Munde eines einfältigen Schmiedes hörte, welcher trotz seines braunen Gesichts in seiner Saporogerkleidung als schöner Mann gelten konnte.
Erfreut durch diese wohlwollende Aufmerksamkeit, wollte der Schmied die Zarin schon ordentlich über alles ausfragen: ob es wahr sei, daß die Zaren nichts als Honig und Speck äßen, und dergleichen mehr; da er aber fühlte, daß die Saporoger ihn in die Seiten stießen, entschloß er sich, zu schweigen. Als die Kaiserin sich an die älteren Leute wandte und sie auszufragen begann, wie sie in der Ssjetsch lebten und was für Sitten sie da hätten, trat der Schmied zurück, beugte sich zu seiner Tasche, sagte leise: »Trage mich sofort von hier weg!« und befand sich plötzlich hinter dem Schlagbaum.
»Ertrunken! Bei Gott, ertrunken! Ich will nicht mehr vom Fleck kommen, wenn er nicht ertrunken ist!« stammelte die dicke Webersfrau, in einem Haufen der Weiber von Dikanjka mitten auf der Straße stehend.
»Bin ich denn eine Lügnerin? Habe ich jemand eine Kuh gestohlen? Habe ich jemand mit dem bösen Blick behext, daß man mir nicht glauben will?« schrie ein Weib in einem Kosakenkittel, mit einer violetten Nase, mit den Armen fuchtelnd. »Ich will nie wieder Wasser trinken wollen, wenn die alte Perepertschicha nicht mit eigenen Augen gesehen hat, wie der Schmied sich erhängt hat!«
»Der Schmied hat sich erhängt? Eine schöne Geschichte!« sagte der Amtmann, der gerade von Tschub kam. Er blieb stehen und drängte sich an die sprechenden Weiber näher heran.
»Sag lieber, du willst keinen Schnaps mehr trinken, du alte Säuferin!« antwortete die Webersfrau. »Man muß schon so verrückt sein wie du, um sich erhängen zu können! Er hat sich ertränkt! Er ist im Eisloch ertrunken! Das weiß ich so sicher, wie daß du soeben in der Schenke gewesen bist.«
»Schamlose! Was sie mir vorzuwerfen hat!« antwortete zornig das Weib mit der violetten Nase. »Hättest du doch lieber geschwiegen, du Nichtsnutzige! Weiß ich denn nicht, daß zu dir jeden Abend der Küster kommt?«
Die Webersfrau fuhr auf.
»Was, Küster? Zu wem kommt der Küster? Was lügst du?«
»Der Küster?« kreischte die Küsterin, die sich in ihrem mit blauem Nanking bezogenen Hasenpelz unter die Schreienden drängte. »Ich werde euch den Küster zeigen! Wer sprach eben vom Küster?«
»Zu dieser da kommt der Küster auf Besuch!« sagte das Weib mit der violetten Nase, auf die Webersfrau zeigend.
»Du bist es also, Hündin!« sagte die Küsterin, indem sie auf die Webersfrau losging. »Du bist also die Hexe, die ihn benebelt und mit ihren Teufelskräutern behext, daß er zu ihr kommt?«
»Laß mich in Ruhe, du Satan!« sagte die Webersfrau zurückweichend.
»Du verdammte Hexe, du sollst deine Kinder nicht wiedersehen! Nichtsnutzige! Pfui!« Und die Küsterin spuckte der Webersfrau gerade in die Augen. Die Webersfrau wollt es ihr mit dem gleichen vergelten, spuckte aber statt dessen auf den rasierten Kopf des Amtmanns, der, um alles besser zu hören, ganz dicht an die Streitenden getreten war.
»Gemeines Frauenzimmer!« rief der Amtmann, indem er sich das Gesicht mit dem Rockschöße abwischte und die Peitsche erhob. Diese Bewegung zwang alle, unter Fluchen nach allen Seiten auseinanderzugehen. »Diese Gemeinheit!« wiederholte der Amtmann, sich noch immer das Gesicht abwischend. »Der Schmied hat sich also ertränkt! Mein Gott! Was für ein guter Maler ist er aber gewesen! Was für feste