Die bekanntesten Dramen und Lustspiele von Arthur Schnitzler. Артур ШницлерЧитать онлайн книгу.
Minute ...
Max. Wie still es hier ist! Das tut wirklich wohl!
Anatol. Ja, es tut einem förmlich leid, daß man nichts zu verwinden hat! Das wäre der rechte Abendfrieden, über manchen Schmerz hinwegzukommen!
Max. Wer ist denn je über einen richtigen weggekommen?
Anatol. Ach, über jeden! Das ist so banal, so oft habe ich's erlebt, daß ich schließlich auch ein Mißtrauen gegen meinen Schmerz bekam! Es war mein letzter und tiefster!
Max. So wird der Trost selbst wieder Schmerz ...
Anatol. Ist's etwa nicht wahr? Denke doch, was ein einsamer Spaziergang, eine Stunde der Überlegung, ein Gedicht, mit dem man sich etwas von der Seele schrieb, zuweilen vermochte!
Max. Oh, mit der Einsamkeit scheint es nun für uns vorbei ... hörst du?
Anatol. ...?
Max (schaut übers Geländer. Wagenrollen). Da biegen sie auch schon um die Ecke und rasen her, direkt her!
Anatol. Wieviel Wagen sind es denn?
Max. Zwei... drei... Herrgott, die rasen aber! Da kommt noch einer über die Kreuzung ...
Anatol. Gerade zu uns her?
(Wagenrollen, Pferdegetrappel.)
Max. Herren und Damen. Ah, sieh doch! Sie winken mit dem Taschentuch!
Anatol. Bekannte?
(Die Wagen fahren über die Landstraße vorbei und halten an der imaginären Hinterfront des Hauses. Aus einem der Wagen klingt es herauf: Guten Abend, meine Herren!)
Anatol. Guten Abend! Wer ist's denn?
Anatol. Der eine war der Baron Diebl. Ah, in dem letzten Wagen ... sieh doch, Berta!
Anatol. Wie?! Amüsiert sich die noch immer?
Max. Noch immer! Und wenn ich denke, daß sie das seit zwanzig Jahren tut!
Anatol. Damals war sie sechzehn!
Max. Es ist doch gut, daß man nicht in die Zukunft sehen kann.
Anatol. Warum?
Max. Wenn dir damals dieses Bild erschienen wäre! (Auf die Straße deutend.)
Anatol. Ach Gott ... diese Bilder bleiben uns nicht erspart, sie sind nur nicht so präzise! – Hast du im übrigen die andern Weiber ausgenommen?
Max. Nicht ganz genau.
Anatol. Der Lärm!
Max. Na, zu uns kommen sie wohl nicht! Sie werden sich in den Salon setzen, und dann stören sie uns nicht weiter!
Anatol. Der Baron Diebl ... der lebt!
Max. Kommst du zuweilen mit ihm und seiner Gesellschaft noch zusammen?
Anatol. O nein, ich habe nie viel mit ihnen verkehrt. Die machen mich nervös, diese Leute! Weißt du, wenn man betrunken ist, dann unterhält man sich mit ihnen. Aber ich war nie betrunken ...
Max. In ihrer Weise sind sie gewiß sehr glücklich!
Baron Diebl (tritt ein). Guten Abend, grüß euch Gott! Ich habe euch schon von der Straße aus erkannt!
Anatol. Guten Abend!
Max. Guten Abend!
Baron Diebl. Also da muß man heraus, um dich zu entdecken!
Anatol. Man muß ja nicht eben!
Baron Diebl. Wo steckst du denn eigentlich? Verreist gewesen?
Anatol. Hier gewesen!
Baron Diebl. Also Eremit geworden?
Anatol. Eremit geblieben!
Baron Diebl. Oh! (Zu Max.) Was sagst du, lieber Freund – er ist es geblieben! Er meint nämlich, er war es immer.
Max. Ja, ich hab es verstanden!
Baron Diebl. Da muß ich aber bitten! Tu doch nicht so! Warst einmal sehr fidel, aber sehr! Bist es gewiß noch immer!
Anatol. Ich war nie fidel.
Baron Diebl. So! Nun, da hast du heut Gelegenheit, es zu werden!
Anatol. Zu gütig!
Baron Diebl. Ja, ihr beide! Ihr trefft Bekannte, fast lauter Bekannte!
Anatol. Du bist wirklich zu liebenswürdig – aber wir sind eben daran, uns auf den Heimweg zu machen.
Baron Diebl. Heimweg?! Macht euch doch nicht lächerlich! Ihr werdet euch amüsieren wie die Götter! Denkt euch, wer da. ist! Abgesehen von Berta ... denn die ist immer da. Also hört nur: Juliette! Ihr kennt sie doch?
Max. Die Französin?
Baron Diebl. Ja, denkt euch, und er – ihr Er – macht eine Reise um die Welt! Was, die hat's bequem!
Max. Ach Gott, die Weiber betrügen einen auch, während man nach Weidlingau fährt ...
Baron Diebl. Ah, sehr gut ... da hast du recht! (Zu Anatol.) Er meint nämlich, die Frauen benützen jede Gelegenheit!
Anatol. Ja, ja, ich hab's verstanden!
Baron Diebl. Du hast ja nicht gelacht! Über einen Witz lacht man doch! Also, was sagte ich ... Juliette! Ja, dann Rosa, welche fürchterlich stolz geworden ist. Mein Verdienst, daß sie überhaupt mitkam! Du fragtest mich nicht, warum sie stolz geworden?
Anatol. Nein ...
Baron Diebl (zu Max). Du auch nicht?
Max. O ja. Warum ist Rosa so fürchterlich stolz geworden?
Baron Diebl. Man weiß nicht ... man vermutet nur: sehr viele Zacken!
Max. Oh.
Baron Diebl. Ja, nichts weiter davon! Dann ist Fräulein Hanischek mit – ganz neu – wird eben erst lanciert!
Max. Fräulein Hanischek?! Das ist ja greulich!
Baron Diebl. Ist nur vorläufig ihr Kosename. Sie heißt nämlich so! Nun will aber der Zufall, daß ihr Vorname noch ärger ist. Ratet einmal. Na ...
Anatol. Wie soll man denn einen Vornamen erraten?
Baron Diebl. Barbara! Und dabei hat sie noch keinen nom de guerre ... Heute dürfte sie getauft werden ...
Max (noch ganz erschrocken). Barbara! Barbara!!
Baron Diebl. Ja, was sagt ihr? Barbara! Möchte nur die Liebhaber kennen, die sich bisher mit dem Namen behelfen mußten! Und denkt euch, der arme Fritz Walten, der sie jetzt hat ... dem ist noch kein anderer Name eingefallen, dem armen Teufel! Er muß sie noch immer Barbara nennen! Nun, fragt ihr mich gar nicht, wer noch da ist?
Max. Ja, bitte sehr, wer ist denn noch da?
Baron Diebl. Zuerst sagt mir, ob ihr kommen wollt.
Anatol. Was mich anbelangt, lieber Baron, mir fehlt wirklich die Laune.
Baron Diebl. Wie? Und das soll ich wirklich glauben, daß dir zu so was überhaupt die Laune fehlen kann?
Anatol. Aber ist es denn gar so unbegreiflich, daß man gerade einmal nicht in der Stimmung ist?
Baron Diebl. Ah, blasiert!
Anatol. Ich habe keine Lust, mich zu unterhalten, mir fehlt dein Talent zum Lustigsein.
Baron Diebl. Wie lustig hab ich dich schon gesehen!
Anatol. Da hast du mich mißverstanden. Jedenfalls hab ich meine Lustigkeit gehabt ... und nicht die der andern!
Baron Diebl. Na, 's ist jeder lustig, wie er kann.
Anatol. Ja, und für die eure da unten bedank ich mich bestens!
Baron