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Im Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.

Im Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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hätte ihn am liebsten, wie am ersten Schultag, begleitet, doch das wäre ihm wohl gegen seine Jungen­ehre gegangen. Ihm langte es schon, dass Henrike sagte, sie würde aufpassen, dass er nicht in die falsche Klasse ginge.

      Den Weg kannte sie ja schon. Sie waren nicht die Einzigen, die mit dem Auto zur Schule kamen, dazu waren die Entfernungen der einzelnen kleinen Orte zu groß.

      Sie wurde gemustert, aber das war überall so gewesen, wenn sie in eine neue Schule kamen. Oft genug hatten sie das ja schon mitgemacht.

      »Das ist deine Klasse«, sagte Henrike zu Hannes, als sie vor der 7a standen. »Mach’s gut, Kleiner.«

      Er guckte sich rasch um, ob das auch keiner gehört hatte. Er reckte sich und schien noch ein Stück zu wachsen. Henrike wandte sich nochmals nach ihm um. Ein wehmütiges Lächeln lag über ihrem Gesicht, als er ihr ganz scheu zuwinkte.

      Hannes zögerte noch vor der Tür, da kam ein Mädchen heraus, das ihn abschätzend musterte. Sie war bedeutend kleiner als er, hatte silberblondes Haar, das lose auf die Schultern fiel, und bot alles in allem einen recht erfreulichen Anblick. Hannes, von seinen hübschen Schwestern verwöhnt, hatte schon seinen Blick dafür.

      »Bist du der Neue?«, fragte sie, und als er nickte, streckte sie ihm die Hand entgegen. »Ich bin Martina Merten, die Klassensprecherin. Komm nur rein. Wir beißen nicht.«

      Die erste Beklemmung war schon überwunden. Hannes folgte ihr und stellte zu seiner Genugtuung fest, dass mehr Buben als Mädchen in der Klasse waren.

      »Komm, Partner«, rief ihm ein schlaksiger Junge mit sommersprossigem Lausbubengesicht zu. »Hier ist dein Platz!«

      Währenddessen war Henrike die Treppe hinaufgestiegen. Ihr Herz klopfte schneller als sonst, und sie ärgerte sich darüber. Zwei hoch aufgeschossene Jungen in verwaschenen Jeans gingen an ihr vorbei, drehten sich nach ihr um und pfiffen leise. An das Geländer gelehnt stand ein Mädchen, bei dessen Anblick Henrike ein jäher Schrecken durchzuckte, denn sie hatte es sofort erkannt. Es war das Mädchen, das sich mit dem netten Fabian Rückert getroffen hatte. Henrike presste die Lippen aufeinander und ging stolz erhobenen Hauptes an ihr vorbei.

      Das lebhafte Geplauder, das auf dem Gang zu vernehmen gewesen war, verstummte, als sie das Klassenzimmer betrat.

      »Welch Glanz in dieser Hütte«, sagte eine Stimme. Henrike war viel zu verwirrt, um den Sprecher herauszufinden.

      Ein auffallend hübscher Junge, der am Lehrerpult lehnte, kam jetzt langsam auf sie zu.

      »Womit können wir dienen, Gnädigste?«, fragte er mit gespielter Unterwürfigkeit.

      »Ich bin Henrike Auerbach«, erwiderte sie, sehr bemüht, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben.

      Es war hier nicht anders als in ihren früheren Klassen. Keine Kinder mehr, aber auch noch nicht ganz erwachsen, versteckten sie jede aufkommende Unsicherheit unter blasierten Mienen oder einem herausfordernden Lächeln.

      Henrike musterte schnell die Mädchen. Fünf waren es nur unter etwa einem Dutzend Jungen. Sie machte sich nicht die Mühe, sie genau zu zählen. Ein Junge rückte zur Seite.

      »He, lass dich nieder«, brummte er. Er hatte ein rundes, gutmütiges Gesicht, borstiges Haar und porzellanblaue Augen.

      »Mecki schießt den Vogel ab«, wurde hinter Henrike eine Stimme laut, aber dann ging die Tür auf, und Henrike fühlte den Boden unter sich schwanken und glaubte an Halluzinationen zu leiden. Das konnte doch nicht möglich sein! Fabian Rückert! Wie ein angehender Abiturient hatte er eigentlich nicht gewirkt. Doch er ging zum Lehrerpult. Sein Gesicht war ziemlich blass. Seine Augen irrten über Henrike hinweg.

      »Guten Morgen, Herrschaften«, sagte er gepresst.

      »Guten Morgen, Herr Doktor!«, tönte die Antwort durch den Raum. In Henrikes Ohren dröhnte es. Zum Teufel, hätte er mich nicht wenigstens vorbereiten können?, dachte sie erbittert. Ihre Lippen zuckten, sie wagte nicht, ihn anzusehen.

      »Er ist klasse«, raunte ihr Nachbar ihr zu. Wenig später stand Fabian vor ihr.

      »Henrike Auerbach?« Es gelang ihm tatsächlich, einen fragenden Ton in seine Stimme zu legen.

      Henrike errötete. »Ja«, sagte sie beklommen, dann erhob sie sich zögernd.

      »Sie können ruhig sitzen bleiben«, sagte er mit einem flüchtigen Lächeln. »Ich unterrichte Englisch und Französisch. Es wird Ihnen hoffentlich bei uns gefallen.«

      Henrike wusste später nicht mehr zu sagen, wie sie diese Stunde überstanden hatte. Er hatte sie nichts gefragt. Sie hatte sich überhaupt nicht am Unterricht beteiligt. Im Unterbewusstsein nahm sie wahr, dass er sich anscheinend prächtig mit seinen Schülern verstand und den Unterricht sehr interessant gestalten konnte. Dabei sah er fast jünger aus als mancher dieser jungen Herren, die sich recht forsch und männlich gaben.

      Nun, jedenfalls ging auch diese Stunde zu Ende, und langsam bekam sie wieder Boden unter den Füßen.

      Ihr pausbäckiger Nachbar grinste, als Dr. Rückert die Klasse verlassen hatte.

      »Ich heiße übrigens Manfred«, flüsterte er ihr zu. »Rückert ist ein dufter Lehrer. In der dritten Stunde haben wir Franz bei ihm. Wenn nur alle Pauker so wären wie er.«

      Das fehlte noch!, dachte Henrike. So was ist einmalig. Und sie hatte schon Blumen von ihm bekommen. Ihr Herz schlug dumpf und schmerzhaft.

      In der nächsten Stunde war Mathematik an der Reihe, und der Studienrat Schneider war weder jung noch attraktiv. Er konnte jedoch ausgezeichnet erklären, und Henrike, deren schwächste Seite dieses Fach war, schöpfte neue Hoffnung.

      Dann kam die Pause. Ein dunkelhaariges Mädchen, das mit seinen kurzen Haaren eher wie ein Junge wirkte, schob sich an Henrike heran.

      »Aller Anfang ist schwer«, meinte sie leichthin. »Ich kenne das. Ich bin auch erst zwei Monate hier. Wo kommst du her?«

      Henrike erfuhr, dass sie Ulla Lamprecht hieß, aus Göttingen kam und die Klasse wiederholte.

      Sie gingen gemeinsam in den Schulhof. Henrike hielt Ausschau nach Hannes, und da kam er schon angelaufen.

      Er musterte Ulla mit einem abschätzenden Blick. »Wie geht’s dir denn so, Ricky?«, fragte er seine schweigsame Schwester. »In Englisch haben wir einen duften Pauker. Ganz jung. Ich glaube, das ist der …« Henrike, die fürchtete, dass er damit herausplatzen würde, dass sie ihn schon einmal gesehen hatten, stieß ihn in die Seite und unterbrach ihn rasch. »Wir haben Dr. Rückert auch in Englisch.«

      »In Französisch auch«, fügte Ulla hinzu.

      Hannes blickte seine Schwester verwirrt an. In seiner kindlichen Unbefangenheit konnte er nicht verstehen, warum sie ihn zum Schweigen gebracht hatte.

      »Nachher können wir unsere Erlebnisse austauschen«, sagte sie zu Hannes. »Wie viel Stunden hast du?«

      »Fünf.«

      »Das trifft sich gut. Ich auch.«

      Hannes trollte sich. Er hatte anscheinend schon Anschluss gefunden, denn er wurde gleich von Klassenkameraden umringt.

      »Hast du noch mehr Geschwister?«, fragte Ulla.

      Henrike nickte. »Einen Bruder, der in München studiert, und eine kleine Schwester. Sie ist erst vier Jahre.«

      »Wohl sortiert«, lächelte Ulla. »Ich bin Einzelkind. Pech. Da meinen die Eltern, alles in einen hineinpacken zu müssen. Ein Familiendrama wäre es, wenn ich das Abi nicht bestünde. Und für den Fall aller Fälle hat man mich hier bei Oma einquartiert, damit die Schande nicht bekannt wird. Mein Vater ist nämlich Oberstudiendirektor in Göttingen.« Ihre Lippen kräuselten sich spöttisch. »Dabei würde ich am liebsten Schneiderin werden. Übrigens möchte ich dir einen Tipp geben, Ricky, du gestattest doch, dass ich dich so nenne? Der Conny von Rosch ist ein Schürzenjäger. Lass dich nicht einwickeln. Da, der dunkle Dandy.«

      Obgleich Henrikes Herz tief sank, warf sie einen unauffälligen


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