Im Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
es gut sein, Kind«, murmelte Inge. »Du hast sonst verheulte Augen, wenn sie kommen. Du wirst schon alles überstehen. Was ist nun mit Percy?«, fragte sie dann mit einem flüchtigen Lächeln.
Wie weit weg war das, was vorher gewesen war! Percy?
Henrike sah ihn nur noch als Schemen. Mit liebevollen Mutteraugen erkannte Inge deutlich, wie tief diese Zuneigung zu Fabian Rückert schon in dem Mädchen verwurzelt war.
Ein Lehrer, dachte sie kopfschüttelnd. Liebe geht doch seltsame Wege. Aber mehr denn je brauchte Henrike jetzt den Rückhalt, um damit fertig zu werden.
»Nun trödele doch nicht so herum, Ricky«, mahnte Hannes, »was soll denn der Dr. Rückert denken, wenn du erst nach dem Essen kommst.«
»Es gibt doch sowieso nur ein kaltes Büfett«, erwiderte sie mit gepresster Stimme. »Außerdem muss ich Bambi noch zu Bett bringen.«
»Gehe schon allein«, versicherte die Kleine. »Hannes liest mir noch was vor. Ziehst du dein hübsches buntes Kleid an, Ricky?«
Hannes betrachtete seine Schwester kritisch. »Warum hast du geweint?«, fragte er.
»Ich habe nur Zwiebeln geschnitten«, redete sie sich heraus.
Hannes seufzte in sich hinein. Er begriff einfach nicht, dass Ricky so niedergeschlagen war, wo sie doch sonst so gern Gäste hatte.
»Vielleicht kannst du ihm mal sagen, dass er ein Auge zudrücken soll, wenn ich eine Schulaufgabe verhaue.«
»Das fehlte noch«, murmelte sie. »Du wirst dich auf die Hosen setzen und eben keine verhauen, verstanden?«
»Du hast leicht reden. Du kannst ja alles. Willst du eigentlich auch mal Lehrerin werden, Ricky?«
Sie überlegte ein paar Sekunden. »Vielleicht«, erwiderte sie dann. Bestimmt sogar, dachte sie weiter. Es erschien ihr plötzlich als der allerschönste Beruf.
»Au fein!«, rief Bambi aus. »Dann wirst du vielleicht meine Lehrerin, und dann schreibe ich nur Einser.«
Inge Auerbach hatte währenddessen schon die Gäste begrüßt und hatte ein wenig Muße, Fabian Rückert ins Auge zu fassen, da ihr Mann das Ehepaar in ein Gespräch gezogen hatte. Natürlich war es verständlich, dass sich Henrike in ihn verliebt hatte. Ein Vaterkind wie sie fühlte sich zu dem gleichen Typ hingezogen, den ihr Vater verkörperte. Ruhig, ausgeglichen und trotz der Jugend schon eine ausgeprägte Persönlichkeit. Das war Inges erster Eindruck. Er war ein Schwiegersohn, wie jede besorgte Mutter sich ihn wohl für ihre Tochter wünschte. Sie wollte sich nicht zu sehr in solche Gedanken versteigern, aber sie konnte sich ihnen auch nicht entziehen.
Eine intakte Familie, Stella ein reizendes, natürliches Mädchen, die Eltern sehr sympathisch und intelligent. Wenn ihr Mann schon jemanden auf Anhieb akzeptierte, konnte sie zufrieden sein. Werner war sonst alles andere als ein guter Gesellschafter.
»Meine Tochter kommt etwas später«, sagte Inge Auerbach beiläufig. »Sie bringt Bambi zu Bett.«
»Sie ist süß«, stellte Frau Rückert begeistert fest. »Wir hatten heute schon viel Spaß mit ihr.«
Inge entging es nicht, dass Fabian Rückert unruhig wurde, aber dann leuchtete es in seinen Augen auf. Henrike war am Treppenabsatz erschienen. Eine knisternde Spannung lag plötzlich über dem Raum.
»Fang dich«, flüsterte Stella ihrem Bruder zu.
Er gab sich einen Ruck. »Unsere Henrike«, sagte Inge Auerbach und griff nach dem Arm ihrer Tochter. »Wir nennen sie Ricky.«
»Wir kennen uns ja schon«, sagte Stella kameradschaftlich. »Schade, dass wir nicht in einer Klasse sind.«
Als Letztem reichte Ricky Fabian die Hand. Ihm gelang ein Lächeln. »Meine beste Schülerin, Herr Professor«, stellte er fest.
»Sie haben Glück, dass Sie moderne Sprachen unterrichten«, meinte Werner Auerbach lachend. »In Mathematik könnten Sie das nicht sagen.«
»Aber sie hat doch gestern eine Zwei geschrieben«, sagte Fabian rasch.
»Und das erfahre ich erst jetzt?« Werner Auerbach warf seiner Tochter einen raschen Seitenblick zu.
»Ist doch nicht wichtig«, meinte Henrike.
»Das sagt Stella, wenn sie einen Fünfer heimbringt«, warf Heinz Rückert belustigt ein.
»Dafür habt ihr ja einen supergescheiten Sohn«, bemerkte Stella burschikos.
Es wurde, trotz aller unterschwelligen Spannungen, ein gelungener Abend. Henrike unterhielt sich überwiegend mit Stella und verstand sich mit ihr so gut, dass sie ihre Befangenheit überwand.
Was das Ehepaar Rückert dachte, war nicht von ihren Gesichtern abzulesen. Fabian unterhielt sich mit Professor Auerbach über die Funde aus der Römerzeit, die in reichem Maße in der näheren Umgebung gemacht worden waren.
»Für Geschichte interessierst du dich doch auch, Ricky«, zog Werner Auerbach seine Tochter ins Gespräch. »Bis auf Mathematik hat sie eigentlich nie Schwierigkeiten gehabt«, fuhr er zu Fabian gewandt fort.
»Und die scheinen ja auch überwunden«, bemerkte der.
»Vielleicht ist es nur eine Eintagsfliege, ich meine der Zweier«, sagte Henrike stockend.
Donner und Doria, dachte Werner Auerbach, als er den Blick bemerkte, mit dem Fabian seine Tochter darauf bedachte.
»Wenn das nicht die ganz große Liebe ist, will ich August heißen«, brummte er, als sich die Gäste verabschiedet hatten und Henrike schnell gute Nacht gesagt hatte.
»Warum ausgerechnet August«, scherzte Inge, »warum nicht September?«
Er zwinkerte vergnügt. »Weißt du, was mir immer wieder so besonders gut an dir gefällt, Ingelein?«
»Was denn?«
»Deine Schlagfertigkeit. Mütter werden meistens träge mit fortschreitenden Jahren. Du bleibst frech und jung wie eh und je.«
»Danke, falls das ein Kompliment sein sollte. Also, mein Schatz, was hast du bemerkt?«
»Tu nicht so harmlos, du weißt es doch bestimmt besser als ich. Ricky hat geheult und täuschte Kopfschmerzen vor. Und er hat sie mit seinen Augen verschlungen.«
»Na, so leicht brauchst du es nun auch wieder nicht zu nehmen. Vergiss nicht, dass er ihr Lehrer ist. Das Kind macht sich genug Gedanken.«
»Das ist nur gut«, stellte er fest. »Es wird sie vor Unbesonnenheit bewahren. Aber es gibt keine Medizin gegen die erste Liebe, mein Schatz. Immerhin ist es ein Trost, dass Kinder netter Eltern den Boden unter den Füßen nicht verlieren.«
»So was Ähnliches habe ich mir auch gedacht.«
Er legte den Arm um sie. »Wie könnte es auch anders sein. Ich liebe dich mit jedem Tag mehr, mein Schatz.«
»Ich dich auch, Werner«, erwiderte sie zärtlich. »Es mag verrückt sein in unserem Alter.«
»Nun hör aber auf, Ingemaus, ich gestehe es gern, ich habe ein Mordsglück gehabt. Nicht eine Sekunde habe ich es bereut, dich geheiratet zu haben, und zeige mir einen Mann, der das kurz vor der Silberhochzeit noch immer aus vollem Herzen zugibt.«
»Sicher Dr. Rückert«, meinte sie sinnend. »Und sie sind schon mehr als fünfundzwanzig Jahre verheiratet.«
Sein Zeigefinger tippte auf ihre Nasenspitze. »Ich weiß genau, was du denkst. Dieser Fabian wäre dein Traumschwiegersohn.«
»Wir wollen der Zeit nicht vorausgreifen«, murmelte sie.
»Sie läuft uns nicht weg, mein Liebes. Sie kommt uns entgegen. Was ist das hier für ein himmlisches Stückchen Erde. Der Herrgott hat es in einer Sonntagslaune erschaffen.«
»Hoffentlich werden das noch viele andere sagen«, flüsterte sie. »Mögen viele Menschen im Erlenried so glücklich werden, wie wir