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Gesammelte Krimis (69 Titel in einem Buch: Kriminalromane und Detektivgeschichten). Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.

Gesammelte Krimis (69 Titel in einem Buch: Kriminalromane und Detektivgeschichten) - Edgar  Wallace


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Sie sich an das kleine Medaillon, das Sie bei dem Ermordeten am Brakely Square fanden?« fragte er plötzlich.

      Mr. Smith nickte und zog es aus der Westentasche hervor, denn er hatte es seither immer bei sich getragen.

      »Wir wollen uns das Ding noch einmal ganz genau ansehen, besonders die Inschrift«, meinte Ela.

      Sie zogen zwei Stühle an den Tisch und prüften das kleine, runde Papierstückchen, das sie im Innern des Medaillons gefunden hatten.

      Mor: Cot.

       Gott schütz dem Kenig.

      Ela schüttelte hilflos den Kopf.

      »Ich bin ganz sicher, daß wir ein gutes Stück weiterkommen, wenn wir diese Inschrift verstehen. Aber betrachten Sie doch einmal die erste Zeile. Mor: Cot. – das soll sicher Moor Cottage heißen.«

      »Alle Wetter, da haben sie recht! Darauf bin ich noch gar nicht gekommen. Sicher hatte der Mann, dem das Medaillon gehörte, das Geheimnis von Moor Cottage entdeckt und wollte damit unseren Freund erpressen. Aber die patriotische Zeile darunter ist mir unverständlich.«

      »Die hat auch etwas zu bedeuten. Es kann auch eine Geheimschrift sein. Sie sehen, daß sie recht vulgär abgefaßt ist. Er schreibt Kenig und macht grammatikalische Fehler.«

      Sie warteten vor Moor Cottage, während der Kutscher nach dem Pfarrhaus und von dort zur Stadt fuhr. Jeremiah Bangley traf nach kurzer Zeit ein. Er war sehr ruhig; die Tatsache, daß seine Schwester verschwunden war, schien ihn nicht im mindesten zu überraschen, obwohl er konstatierte, daß es ein außerordentliches Ereignis sei.

      »Ich habe Constance stets gewarnt, sich allein hier aufzuhalten, und ich könnte mir es auch niemals verzeihen, wenn Brown nicht in der Nähe gewesen wäre.«

      »Wissen Sie irgendeine Erklärung?«

      Der Pfarrer schüttelte den Kopf. Er kannte das Haus überhaupt nicht und hatte es noch nie betreten. Er sagte, daß er nicht neugierig sei, und es war ja auch bekannt, daß er sich nicht viel um die Angelegenheiten anderer Leute kümmerte.

      Die Beamten der Ortspolizei kamen eine halbe Stunde später unter Führung eines Polizeiinspektors, der gerade auf der Station war, als die Anzeige erstattet wurde.

      »Es ist wohl ratsam, daß ich diesen jungen Mann mitnehme«, meinte er und zeigte auf Frank.

      »Aber warum denn?« fragte Mr. Smith ruhig. »Was kann es Ihnen nützen, ihn zu verhaften? Es liegt keinerlei Verdachtsmoment gegen Mr. Doughton vor, und ich bin bereit, persönlich dafür zu bürgen, daß er zur Verfügung steht, wenn er verlangt wird. – Sie fahren am besten in die Stadt zurück«, wandte er sich liebenswürdig an Frank. »Sie müssen sich vor allem ausschlafen. Dieses Abenteuer ist gerade keine geeignete Vorbereitung für Ihre Hochzeit. Wenn ich recht unterrichtet bin, soll sie doch morgen stattfinden?«

      Frank nickte.

      »Ich möchte nur wissen, ob Ihre Entführung etwas damit zu tun hat. Kennen Sie jemand, der ein Interesse daran hat, die Hochzeit zu verhindern?«

      Frank zögerte.

      »Es fällt mir schwer, einen Menschen zu verdächtigen, aber Poltavo –«

      »Poltavo?« wiederholte Mr. Smith schnell.

      »Er hatte gewisse Absichten auf Miss Gray.«

      Es war ihm peinlich, daß Doris’ Name in diesem Zusammenhang erwähnt werden mußte.

      »Poltavo hat ja schließlich guten Grund, sich über die bevorstehende Hochzeit zu ärgern«, meinte Mr. Smith humorvoll.

      »Erzählen Sie mir aber noch, was sich eigentlich in dem Auto zugetragen hat.«

      Frank berichtete in kurzen Worten, welche Umstände zu seiner Gefangennahme geführt hatten.

      »Als ich mich in ihren Händen befand«, fuhr er fort, »spielte ich erst eine Weile tot. Der Wagen fuhr mit unglaublicher Geschwindigkeit. Jeder Fluchtversuch hätte nur den Erfolg haben können, daß ich mich schwer verletzte. Sie machten kein Hehl aus ihrer Absicht. Solange wir noch durch Londoner Stadtgebiet fuhren, brannte die Deckenlampe, und die Vorhänge waren heruntergezogen. Die beiden Burschen waren maskiert und offenbar Ausländer. Einer saß mir gegenüber. Während der ganzen Nacht lag ein Revolver auf seinen Knien, und er ließ mir keine Unklarheit darüber, daß er die Waffe sofort gebrauchen würde, wenn ich die geringsten Schwierigkeiten machte.

      Ich wußte nicht, in welcher Richtung wir fuhren, aber plötzlich waren wir auf freiem Felde. Sie ließen das eine Fenster herunter, ohne den Vorhang zu lüften. Aber der frische Duft der Felder strömte herein, und ich wußte, daß wir schon weit von London entfernt sein mußten.

      Dann muß ich eingenickt sein, denn als ich aufwachte, dämmerte der Tag schon. Ich verhielt mich ganz ruhig und überdachte meine Lage.

      Die beiden Männer waren auch eingeschlafen. Ich sah mich vorsichtig um, der Wagen fuhr jetzt ziemlich langsam. Offenbar hatten sie dem Chauffeur Weisung gegeben, während der Nacht die Geschwindigkeit zu vermindern. Ich sah die inneren Handgriffe der Tür und überlegte mir, nach welcher Seite ich fliehen könnte. Ich entschied mich für die Tür an meiner rechten Seite, die mir zunächst lag, nahm all meine Energie und Kraft zusammen, stand plötzlich auf, öffnete die Tür und sprang hinaus. Ich habe genug Erfahrung durch den Verkehr auf Londoner Autobussen und kann auf den Boden springen, ohne gleich auf die Nase zu fallen.

      Ich befand mich auf einer Heide, die keine Deckung bot. Aber in etwa achthundert Meter Entfernung sah ich ein kleines Gehölz und eilte darauf zu. Glücklicherweise mußte ich eine Mulde passieren. So kam es, daß ich schon außer Sicht war, bevor die beiden Männer den Chauffeur, der wahrscheinlich gar nichts bemerkt hatte, von meiner Flucht verständigen konnten. Erst als ich auf der anderen Seite der Mulde wieder herauskam, sahen sie mich, und einer von ihnen muß auch nach mir geschossen haben, denn ich hörte eine Kugel an meinen Ohren vorbeischwirren. Das ist alles. Es war noch ein glücklicher Ausgang für ein Abenteuer, das zuerst recht gefährlich aussah.«

      Jeremiah Bangley lud Frank ein, mit ihm zum Pfarrhaus zurückzufahren. Der junge Journalist verabschiedete sich von Mr. Smith, der die Nachforschungen nach Lady Constance weiter fortsetzte. Aber auch eine nochmalige eingehende Untersuchung der Räume blieb erfolglos.

      »Als einzige Erklärung bleibt nur übrig«, sagte Mr. Smith etwas deprimiert, »daß Lady Constance das Haus verlassen hat, während der Kutscher in seine Zeitung vertieft war. Vielleicht erwartet sie uns im Pfarrhaus und hat nur einen Spaziergang gemacht.«

      Aber er wußte genau, daß es nicht so war. Die verschlossenen Tore, vor allem die Spuren des Kampfes, der in dem Arbeitszimmer stattgefunden haben mußte, und der blutige Handabdruck wiesen darauf hin, daß es sich hier um ein Verbrechen handelte.

      »Auf jeden Fall befindet sich Lady Constance hier in dieser Gegend in einem Umkreis von nicht mehr als sechs bis acht Kilometern«, sagte er grimmig, »und ich werde sie finden, selbst wenn ich das geheimnisvolle Haus Stein für Stein abbrechen müßte.«

       Inhaltsverzeichnis

      Doris Grays Hochzeitsmorgen dämmerte herauf. Die Sonne ging strahlend auf, es war ein herrlicher Tag. Doris saß am Fenster und schaute auf die Gärten am Brakely Square hinunter. Sie hatte die Hände um die Knie geschlungen. Ihre Stimmung war nicht die beste, sie war bedrückt und aufgeregt. Glücklicherweise waren so viele andere Dinge mit der Hochzeit verknüpft, daß sie nicht viel Zeit hatte nachzudenken. Von Frank hatte sie am letzten Abend ein Telegramm erhalten, das zu ihrem Erstaunen in Great Bradley aufgegeben war. Aus einem unbestimmten Gefühl heraus war sie ärgerlich darüber, daß er London verlassen hatte. Es kränkte sie, daß er selbst am Vorabend seiner Hochzeit noch in seine Arbeit vertieft war. Sie vermutete, daß ihn seine Nachforschungen nach dem Tollington-Erben wieder nach Great Bradley geführt hatten.


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