Gesammelte Krimis (69 Titel in einem Buch: Kriminalromane und Detektivgeschichten). Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
zu liebenswürdig von Ihnen, daß Sie mich mitgenommen haben.« Sie lächelte ihn an. »Es ist alles so herrlich, und ich gehe auch so gern mit Ihnen. Sie sind so anders –«
»Darauf bilde ich mir auch etwas ein. Ich bin tatsächlich anders als die anderen.«
»Ich scherze aber nicht. Sie sind anders als alle meine früheren Chefs, für die ich gearbeitet habe.« In ihren großen Augen zeigte sich Bewunderung. »Sie sind immer so gut zu mir, und ich dachte doch früher, daß die Leute aus den Kolonien einen sehr rohen Charakter hätten.«
»Sie haben eben noch nicht den nötigen Überblick im Leben. Habe ich Sie nicht aus dem entsetzlichen Büro des Rechtsanwalts befreit, wo Sie fünfundzwanzig Schilling die Woche für Ihre harte Arbeit erhielten und die unglaublichsten Schriftsätze dafür herunterklappern mußten? Habe ich Sie nicht zur Privatsekretärin des berühmtesten Detektivs gemacht?« Er sah Tränen in ihren Augen und war erstaunt. »Aber was fehlt Ihnen denn, liebes Kind? Ich mache doch nur Spaß.«
»Ich dachte, Sie meinten es im Ernst. Aber, bitte, machen Sie sich nicht lustig über mich.«
»Soll sich einer bei den Frauen auskennen! Sie müssen doch immer daran denken, daß Sie der Juniorpartner des großen Detektivs Sands sind! Haltung, meine junge Dame!«
»Sollen wir uns vielleicht verkleiden und mit falschen Perücken und Bärten hier auf dem Rennplatz herumlaufen?« fragte sie vergnügt.
»Das haben wir im Augenblick nicht nötig» Aber wir wollen uns jetzt einmal wie durstige Rennbesucher benehmen und zum Teepavillon gehen.«
»Ja, das ist eine gute Idee.«
Zwei Jahre waren vergangen, seitdem Milton Sands ein ängstliches Mädchen vor den Angriffen einer wütenden Wirtin beschützt hatte. Milton hatte damals als Abenteurer ziemlich viel Pech und fast all sein Geld auf den Rennen in Ascot verloren. Früher bewohnte er eine Anzahl von Räumen im Imperial-Hotel, aber dann mußte er sich auf ein bescheidenes Zimmer in Pimlico beschränken, für das er die immer noch sehr hohe Miete von acht Schilling wöchentlich zahlte. Janet Symonds wohnte bei derselben Wirtin. Sie nahm damals Unterricht in Maschinenschreiben und Stenographie, war aber noch nicht weit in ihren Kenntnissen gekommen.
Sie bekam eine wöchentliche Unterstützung von zehn Schilling, die ihr der Testamentsvollstrecker ihrer Mutter auszahlte. Aber das reichte natürlich nicht für ihren Lebensunterhalt aus, und sie war daher in Rückstand mit ihrer Mietzahlung gekommen. Die Wirtin ging auf ihr Zimmer und schimpfte entsetzlich, und als der Skandal gerade seinen Höhepunkt erreichte, erschien Milton Sands auf der Bildfläche. Er machte der unerquicklichen Szene ein kurzes Ende, nahm die Wirtin beiseite und zahlte die rückständige Miete für Miss Symonds. Die Frau hütete sich nachher, Janet gegenüber auch nur die geringste unangenehme Bemerkung zu machen, da sie sich vor Mr. Sands fürchtete.
Von jenem Tag an datierte die Freundschaft der beiden. Milton kümmerte sich auch weiterhin um das Mädchen, sorgte dafür, daß sie in ein Heim für junge Damen aufgenommen wurde, und verschaffte ihr die Stellung bei dem »schrecklichen Rechtsanwalt«, der in Wirklichkeit gar nicht so schrecklich war. Aber es folgten schöne Tage für sie, als er wieder in der Lage war, seine Zimmer im Imperial-Hotel zu beziehen und ein Detektivbüro aufzumachen. Er hatte hübsche, vornehm ausgestattete Räume in der Regent Street mit grausamtenen Vorhängen und einem mauvefarbenen Teppich. Die modernen Möbel paßten vorzüglich dazu. Auch das kleine Büro seiner Sekretärin war elegant eingerichtet.
»Sie müssen mir nun aber auch bei der Auffindung von Mr. Stantons Schwester helfen«, sagte er, als sie an dem Abend zur Stadt zurückkehrten. »Ich habe so eine Ahnung, daß Sie gewisse Informationen leichter bekommen können als ich.«
»Ich werde alles tun, was in meinen Kräften steht«, entgegnete sie bereitwillig.
7
Es kamen nur wenig Leute in das Büro der Detektivagentur, denn Milton annoncierte nicht in den Zeitungen und setzte einem jungen Mann, der ihn zur Aufgabe einiger Anzeigen veranlassen wollte, seine Gründe dafür auseinander.
»Ich ziehe es vor, nicht an die Öffentlichkeit zu treten. Ich habe eine ausgesuchte Kundschaft, und die vornehmsten Herrschaften verkehren bei mir«, erklärte er.
Aber seine Worte schienen auf den Besucher wenig Eindruck zu machen.
»Dann haben Sie doch auch das nötige Geld, um ein paar Annoncen aufzugeben.«
»Werden Sie nicht unverschämt«, warnte ihn Milton. »Sonst muß ich Sie aus dem Fenster hinauswerfen, und Sie landen dann auf der Lichtreklame des Zahnarztes, hier unter mir seine Praxis ausübt.«
Er lachte, als der Annoncenreisende das Büro verließ.
»Wenn der wüßte, wie wir unsere Nachmittagsstunden hier zubringen«, sagte er und nahm einen Pack Spielkarten aus einer Schublade. »Was wollen wir spielen – Piquet oder Bezique?«
»Piquet«, antwortete Janet prompt und holte aus einer anderen Schublade eine Schachtel Pralinen hervor.
»Zehn Pfund für hundert Punkte«, schlug Milton vor.
»Nein, ein Schilling für tausend«, erklärte sie.
Aber sie wurden schon wieder unterbrochen, als sie kaum angefangen hatten zu spielen. Es klopfte leise an der Bürotür, und Milton raffte die Karten rasch zusammen, Janet hatte gerade noch Zeit genug, an ihre Maschine zu eilen. Sie schrieb mit rasender Geschwindigkeit, als Monsieur Soltescu hereintrat.
»Sind Sie Mr. Sands?« fragte er.
»Ja. Nehmen Sie bitte Platz, Monsieur Soltescu.«
»Woher kennen Sie mich denn? Sie haben mich doch noch nicht gesehen?« fragte der Rumäne lächelnd. Er fühlte sich sehr geschmeichelt.
»Ein Detektiv muß alle Leute kennen – wenigstens alle bedeutenden Leute«, erklärte Milton ernst. »Auf jeden Fall sind Sie mir bekannt. Ich habe Ihren Namen schon öfters gehört. In den Zeitungen wurde ja über die Waffenlieferungen nach den Philippinen berichtet, und wenn ich nicht irre, waren Sie auch einer der Geldgeber für die letzte Revolution in Südamerika. Waren Sie nicht auch in den Raub der Kronjuwelen verwickelt?«
Monsieur Soltescu lachte.
»Sie dürfen nicht allen bösen Gerüchten glauben. Die sind zum größten Teil frei erfunden. Tatsache ist nur, daß ich ein verhältnismäßig großes Vermögen besitze, das mir natürlich Neid und Mißgunst vieler Leute einträgt. Ich kümmere mich aber nicht weiter darum. Ich hätte viel zu tun, wenn ich alle Leute verklagen wollte, die verleumderisch über mich sprechen.«
Er nahm Milton gegenüber am Schreibtisch Platz.
»Ich habe Ihre Annonce im Matin vor etwa drei Wochen gelesen«, sagte Sands. »Deshalb habe ich mich mit Ihnen in Verbindung gesetzt. Ich bin erst seit kurzer Zeit Privatdetektiv, aber ich kenne die Verbrecherbanden, die in den Eisenbahnzügen nach der Riviera arbeiten.«
»Die kommen nicht in Frage«, unterbrach ihn Soltescu sofort. »Ich glaube, daß mir ein Gelegenheitsdieb die Mappe entwendet hat, und ich habe sogar einen ganz bestimmten Verdacht.«
Milton sah ihn durchdringend an.
»Das glaube ich auch«, entgegnete er ruhig. »Aber sagen Sie mir bitte, wen Sie verdächtigen.«
Soltescu zögerte.
»Ich weiß nicht, ob ich es Ihnen gleich sagen soll«, erwiderte er vorsichtig.
Milton lachte ironisch.
»Tun Sie nur, was Sie für gut halten. Sie brauchen mein Angebot ja auch nicht anzunehmen. Aber ich kann Ihnen nur sagen, daß es in England niemand gibt, der Ihnen mehr helfen könnte als ich.«
Die letzten Worte sagte er mit so viel Überzeugung,