Gesammelte Krimis (69 Titel in einem Buch: Kriminalromane und Detektivgeschichten). Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
meinte Diana. »Nehmen Sie Platz. Wollen Sie eine Tasse Tee haben? Sie sind gekommen, um Mr. Selsbury zu sprechen? Er wird aber erst in einer Stunde zurückkommen.«
»Das war wohl meine Absicht – in gewisser Weise war sie es aber nicht«, erwiderte Julius geheimnisvoll. »Ich möchte nur einen gewissen Mann im Auge behalten!«
Er sah sie dabei mit seinen etwas glasigen Augen an.
»Meinen Sie den Doppelgänger – ich entsinne mich, daß Gordon mir etwas davon erzählt hat. Wer ist das eigentlich, Mr. Superbus?«
»Nun ja, Mrs. –«
»Miss, bitte!«
»Sie sehen nicht so aus«, sagte er galant. »Dieser Doppelgänger ist ein Desperado, er soll aus dem Westen stammen.«
»Meinen Sie den Westen Londons?«
»Nein, ich meine Amerika. Dort kriegen wir doch all diese Kerle her, und dorthin verschwinden sie auch wieder.«
Sie hörte aufmerksam zu, als Mr. Superbus von den Freveltaten dieses Mannes erzählte, der in der Rolle anderer Personen auftrat.
»Also, es gibt nichts, was dieser Mensch nicht tun könnte. Er kann sich dick oder dünn machen, er kann einen großen oder kleinen, einen alten oder einen jungen Mann darstellen. Soweit man weiß, war er früher Schauspieler, der alle Rollenfächer spielte.«
Er schaute sich vorsichtig im Zimmer um und sprach dann ganz leise.
»Voraussichtlich wird Mr. Selsbury sein nächstes Opfer sein.«
»Sie wollen damit sagen, daß er der nächste ist, den der Doppelgänger berauben will?«
Mr. Superbus nickte ernst.
»Ja, dahin gehende Informationen habe ich erhalten.«
»Weiß er selbst schon davon?«
»Ich habe ihm einen Wink gegeben. Ein Mann wird nervös, wenn er weiß, daß ein Verbrecher hinter ihm her ist, und das hindert dann gewöhnlich die Beamten bei ihren Nachforschungen.« Er schüttelte den Kopf. »Mancher aussichtsreiche Fall konnte deshalb nicht aufgeklärt werden.«
»Wenn Mr. Selsbury verreist ist, wird also jemand, der ihm sehr ähnlich sieht, hier ins Haus kommen und irgend etwas stehlen, was er brauchen kann?« fragte Diana besorgt.
»Ja. Meistens nimmt der Schurke Schecks oder Geld«, versicherte Julius. »Er arbeitet nur in ganz großem Maßstab, er gibt sich nicht mit Kleinigkeiten ab. Ihr Silberzeug können Sie zum Beispiel ruhig unverschlossen lassen, er wird keinen Teelöffel nehmen. Er ist einer von den ganz Großen. Ich beobachte ihn schon seit Jahren.«
»Das sind aber recht aufregende Nachrichten«, meinte Diana nach einem längeren Schweigen.
»Das glaube ich auch«, stimmte Julius bei. »Aber wenn der rechte Mann zur Stelle ist, um Sie zu beschützen, wenn er es mit seiner Pflicht genau nimmt und auf der Hut ist, dann ist das alles nicht so schlimm. Der Betreffende muß allerdings äußerst klug und vorsichtig vorgehen und mit den Verbrechern und ihren Methoden aufs beste bekannt sein.«
»Damit meinen Sie sich doch selbst?« Diana lächelte schwach. Sie fühlte sich sehr bedrückt.
»Damit haben Sie recht – ich meine mich selbst. Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, so würde ich Mr. Selsbury einen Wink geben. Vielleicht folgt er einem Rat seiner Tochter mehr als mir.«
Er verabschiedete sich, nahm ihre Hand in seine große, rote Tatze, nannte sie Miss Selsbury und bat sie, ihn ihrem Vater zu empfehlen. Als Gordon nach Hause kam, erzählte sie ihm von dem Besuch.
»Ach, Superbus war hier?« fragte er in guter Laune. »Er hat sich wohl ein Trinkgeld holen wollen? Aber warum er dich ängstlich gemacht hat, weiß ich wirklich nicht! Ich werde ihm einmal Bescheid sagen, wenn ich ihn treffe.«
»Er hat mich durchaus nicht ängstlich gemacht, höchstens als er sagte, ich möchte ihn meinem Vater empfehlen, der sich vielleicht eher von seiner hübschen, jungen Tochter als von ihm beeinflussen ließe –«
»Glaubte er, ich sei dein Vater?« Gordon war verstimmt. »Der Kerl hat aber auch keine Augen im Kopf! Wegen des Doppelgängers brauchst du dir keine Sorgen zu machen, Diana. Er hat zwar den alten Smith hereingelegt, aber der war eben ein verliebter alter Esel. Er ließ sich von der Frau fangen, die mit dem Kerl zusammenarbeitet.«
*
Der Postdampfer war angekommen, wie Gordon am nächsten Morgen aus der Zeitung ersah. Er mußte also zu Hause bleiben. Sein erster Angestellter brachte ihm das Scheckbuch, und Gordon schrieb einen Scheck über elftausend und einige Pfund aus.
»Lassen Sie sich auf der Bank fünfzigtausend Dollar geben. Am besten kaufen Sie sie auf der Bank von England. Nehmen Sie ein Auto und bringen Sie das Geld hierher. Haben Sie den Leuten im Büro gesagt, daß mir Telegramme telefonisch durchgegeben werden sollen? Nun, das ist gut, ich erwarte noch eine Nachricht von Mr. Tilmet.«
Lange nachdem die Banknoten in dem Geldschrank deponiert waren, traf die erwartete Nachricht ein.
Sie kam aus Paris und besagte, daß Mr. Tilmet in Cherbourg angekommen und am nächsten Sonntag in London sein werde, aber am selben Abend noch nach Holland abreisen wolle. Gordon wünschte den Amerikaner zum Teufel. Am Nachmittag traf er Heloise, die sich unendlich auf die Reise freute. Er konnte es nicht übers Herz bringen, ihr mitzuteilen, daß der Plan aufgegeben werden müsse. Sie wollten einander um Viertel vor elf auf dem Victoria-Bahnhof treffen und Fremde füreinander sein, bis sie Ostende erreichten. Die Überfahrt würde ruhig werden, der Wetterdienst hatte ruhige See und leichte, östliche Winde angesagt.
Trenter hatte Gordons großen Koffer gepackt und auch den neuen grauen Anzug mit den roten Tupfen verstaut, der etwas spät in letzter Stunde vom Schneider geliefert worden war. Der Koffer war heimlich zu einem Hotel in der Nähe des Victoria-Bahnhofs gebracht worden, wo Gordon sich umziehen wollte. Nun mußte er noch die Telegramme aufsetzen, die Trenter abschicken sollte. Er konnte das leichten Herzens tun, er hatte jetzt einen guten Entschuldigungsgrund dafür. Wenn in seiner Abwesenheit der Doppelgänger erscheinen sollte – er hielt es allerdings für wenig wahrscheinlich –, dann konnten ihn ja die Telegramme sofort überführen. Es erschien ihm sogar als eine recht verdienstvolle Tat, die Telegramme absenden zu lassen.
Das erste sollte in Euston aufgegeben werden. Es lautete: »Reise eben ab, Gordon.« Dann schrieb er eine ganze Reihe von Telegrammen: »Hatte gute Reise, bei bester Gesundheit.« Diese sollten von York, Edinburgh und Inverness abgehen.
10
Überraschenderweise kam Diana an diesem Tag zu ihm und bat um etwas Geld.
»Ich habe mein Geld auf die Londoner Filiale der Bank von Australien überweisen lassen, aber es muß irgendeine Stockung dabei eingetreten sein. Ich war heute dort, die Überweisung ist noch nicht eingetroffen. Ich habe infolgedessen kein Geld, Gordon.«
Sie zeigte ihm dramatisch ihre leere Brieftasche. Gordon gab ihr einen Scheck, und sein Selbstbewußtsein stieg, als er ihn ausstellte. Er wurde etwas freundlicher und väterlicher zu ihr.
»Hättest du mich nun aus dem Hause gewiesen, dann hätte ich verhungern müssen«, sagte sie, als sie den Scheck entgegennahm. »Gordon, du verbirgst hinter einer rauhen, abstoßenden Außenseite ein goldenes Herz.«
»Ich wünschte nur manchmal, du wärst ein wenig ernster«, erwiderte er gutgelaunt.
»Und ich wünschte nur, du wärest es nicht!«
Am Nachmittag wurde er auf das lebhafteste an Dianas eigenwilliges Handeln und an die Energie, mit der sie sich durchzusetzen verstand, erinnert, denn die Telefonarbeiter kamen und verlegten den Apparat aus dem Korridor in das Studierzimmer. Gordon brummte zuerst, aber Diana wir nicht auf