Gesammelte Krimis (69 Titel in einem Buch: Kriminalromane und Detektivgeschichten). Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
Sie zu erkennen!«
»Das ist merkwürdig. Meine Frau sagt immer, daß sie mich auf der Straße nicht wiedererkennen würde, wenn ich mein Gesicht derartig verstelle.«
»Nun sagen Sie mir, Superbus, was ist denn hier los?«
Julius war unschuldig wie ein neugeborenes Kind. Mit einem Blumenkranz auf dem Kopf hätte er nicht dümmer aussehen können. Aber Bobby ließ sich nicht täuschen.
»Was sollte denn hier los sein?«
»Warum sind Sie denn in dem Haus und haben sich so merkwürdig ausstaffiert. Miss Ford weiß doch, wer Sie sind?«
Mr. Superbus schloß schnell die Tür und legte seinen Zeigefinger an den Mund.
»Pst!« sagte er geheimnisvoll.
Bobby wartete.
Julius ging auf Zehenspitzen in das Studierzimmer und winkte Bobby zu sich.
»Sie hat mich gerufen«, sagte er ernst. »Sie hat mich gebeten, bei ihr zu bleiben. Konnte ich ihr das abschlagen? Wenn die Sache gefährlich wird, dann bin ich dabei – ja, das ist meine Art!«
Bobby glaubte Dianas Gründe zu verstehen. Sie wollte wahrscheinlich einen Mann im Hause haben. Er entnahm daraus, daß nicht nur er Respekt vor dem Doppelgänger hatte.
»Oh, ich begreife. Eine vernünftige junge Dame!«
»Ja, mein Herr, sie ist sehr verständig. Ich wüßte nicht, was sie Besseres hätte tun können. In mir hat sie den rechten Mann gefunden!«
»Miss Ford war allein und hat Sie gebeten, hierherzukommen? Das freut mich.«
»Nun, sie war gerade nicht allein«, erklärte Mr. Superbus, dem es schwerfiel, seine Ehre als alleiniger Beschützer aufzugeben, »Onkel Artur ist natürlich auch noch da.«
Bobby traute seinen Ohren nicht.
»Onkel Artur? Wer ist denn Onkel Artur?«
Julius hatte schon die Absicht gehabt, bei der ersten Gelegenheit diese Frage auch an Bobby zu stellen.
»Ich kenne seinen Familiennamen nicht, er ist aber ein sehr übelgelaunter Herr mit allerhand verrückten Einfällen und …« er zeigte mit dem Finger auf die Stirn, aber Bobby verstand den Sinn dieser Geste nicht.
Von Dempsi hatte Bobby ja schon am Telefon erfahren.
»Und dann ist auch noch Tante Lizzie da«, fuhr Julius fort.
Bobby schwankte beinahe und stützte sich auf den Kamin. Er wußte nicht, ob er wache oder träume. Es kam ihm plötzlich alles unwirklich vor. Sicherlich würde Mr. Superbus gleich zwei Hasen und eine Schüssel mit Goldfischen aus seinem Zylinder hervorzaubern, und Diana würde mit einem gezierten Lächeln auf den Lippen als Balletteuse ins Zimmer schweben. Und dann würde er aus seinem Traum aufwachen.
»Geben Sie mir doch etwas zu trinken«, sagte er schwach. »Meine Hand zittert ein wenig.«
Der große Detektiv goß ihm stolz ein Glas ein.
»Sagten Sie nicht eben etwas von Tante Lizzie?« fragte Bobby, der inzwischen alle seine Verwandten im Geist hatte Revue passieren lassen, aber weder einen Onkel Artur noch eine Tante Lizzie unter ihnen entdeckt hatte.
»Jawohl, Sir, sie kam gestern nachmittag mit Onkel Artur. Sie ist eine sehr hübsche Dame. Aber die beiden vertragen sich nicht recht miteinander. Das ist ja weiter auch nicht verwunderlich. Es ist doch merkwürdig, daß sie einen so häßlichen Namen hat. – Lizzie klingt doch so gewöhnlich! Es gibt doch so schöne Namen wie Maud und Agnes. Wenn sie allerdings allein sind, dann nennt er sie Heloise.«
Das Zimmer schien sich plötzlich um Bobby zu drehen.
»Heloise! Heloise!« murmelte er. »Hat sie – hat sie dunkle rabenschwarze Haare?«
»Jawohl, mein Herr.«
»Und Augen, die bis auf den Grund Ihrer Seele blicken?«
Superbus mußte sich das erst überlegen.
»In meine Seele blickt sie nicht, aber es ist schon irgend etwas Besonderes an ihren Augen«, gestand er.
»Hat sie die süßeste Stimme der Welt?«
Mr. Superbus stutzte wieder. Stimmen waren für ihn eben Stimmen.
»Ich habe sie noch nicht singen oder viel sprechen hören. Sie flucht ein wenig auf Onkel Artur, und das ist eigentlich nicht recht das Betragen einer vornehmen Dame.«
Bobby unterbrach ihn. »Wo ist Onkel Artur?«
»Der putzt Silber.«
Bobby fuhr zurück.
»Was, der putzt Silber?« fragte er ganz verwirrt. »Wache oder träume ich? Wo sind denn die anderen Dienstboten?«
»Miss Ford hat sie vorläufig auf Urlaub geschickt. Ich bin hier beruflich tätig. Ich habe die Aufgabe, aufzupassen, daß Onkel Artur das Haus nicht verläßt.«
Bobby begann endlich Licht zu sehen. Wenn Heloise hier und Gordon nicht in Ostende war –! Und wenn Gordon hier war, dann war seine Sehnsucht nach Freiheit nicht nur verzeihlich, sondern auch vollkommen verständlich.
»Onkel Artur will wohl immer fortgehen?«
Julius wunderte sich, daß er überhaupt diese Frage stellte. Bobby mußte doch über seine Familienmitglieder Bescheid wissen. Aber auf der anderen Seite war es ja begreiflich, daß er diese dunklen Punkte gern verleugnen wollte.
»Er ist ein bißchen verdreht – Sie wissen doch, was ich meine? Er hat Wahnvorstellungen, Hallelujahzinationen, um einen hohen medizinischen Ausdruck zu gebrauchen. Er sieht Dinge und denkt, daß er jemand anders ist. Hunderte von solchen Fällen sind mir schon vorgekommen.«
»Aber wer hat ihm denn den Auftrag gegeben, das Silber zu putzen?«
»Miss Ford sagte, dann hätte er wenigstens eine Beschäftigung und käme nicht auf dumme Gedanken.«
In der Diele hörte man schwere Schritte.
»Das ist er. Sie brauchen sich aber nicht vor Onkel Artur zu fürchten, Sir. Er ist harmlos wie ein Kind.«
Im nächsten Augenblick trat Gordon ein, blieb aber sofort erschrocken stehen, als er Bobby sah. Er war in Hemdsärmeln, trug einen Staubwedel in der Hand und hatte eine große, weiße Schürze vorgebunden.
Bobby starrte ihn hilflos an.
»Um Gottes willen – das ist Onkel Artur?«
»Sie kennen ihn doch wieder, mein Herr?«
»Ja, ja, ich kenne ihn.«
Superbus ging auf Gordon zu.
»Brauchen Sie irgend etwas, Onkel Artur?« fragte er freundlich und klopfte ihm auf den Arm.
Mr. Selsbury war schon so gebrochen, daß er sich diese Vertraulichkeit ruhig gefallen ließ.
»Ja – nein«, sagte er heiser.
Julius schüttelte den Kopf.
»Er ist wirklich etwas schwachsinnig – er ist nicht recht klar im Kopf. Ich wundere mich nur, wie er zu einer Frau gekommen ist.«
Gordon besann sich auf sich selbst.
»Wo ist Tante Lizzie?« fragte er.
»In ihrem Zimmer, Onkel Artur. Sie liest Bücher.«
»Nennen Sie mich nicht Onkel – auf keinen Fall bin ich Ihr Onkel.«
»Nein, Sir«, gab Julius zu. »Ich habe überhaupt keinen Onkel, soviel ich weiß.« Plötzlich runzelte er die Stirn und sah Gordon so an, daß sogar Bobby eingeschüchtert wurde. »Mir kommt eben ein Gedanke«, sagte er langsam. »Ich möchte es fast Erleuchtung nennen. Ist denn das in Wirklichkeit Ihr Onkel Artur?«