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Butler Parker 112 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.

Butler Parker 112 – Kriminalroman - Günter Dönges


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fragte sie und stieg aus ihrem Arbeitssessel. In ihren Augen glitzerte es.

      »Besagte Fabelwesen, Mylady, scheinen sich an Schottlands Ostküste ein Stelldichein zu geben, wie Sir Edward meint.«

      »Und das sagen Sie mir erst jetzt?« Agatha Simpson sah ihren Butler strafend an. »Seejungfrauen ändern natürlich die allgemeine Sachlage.«

      »Dennoch scheint es sich nur um einen Kriminalfall zu handeln, Mylady.«

      »Ausnahmen bestätigen die Regel«, schickte die ältere Dame voraus, »ich trenne mich zwar nur sehr ungern von meinem Roman. Aber wenn Elizabeth meine Hilfe braucht, kann ich sie schlecht verweigern.«

      »Ihre Majestät werden das zu schätzen wissen«, antwortete der Butler. Er hatte den Vornamen sofort richtig interpretiert. Lady Simpson war selbstverständlich auch mit dem britischen Königshaus verschwägert.

      »Ich weiß doch, wie schlecht ihr Geheimdienst ist«, fügte die Detektivin grimmig hinzu. Die Dame machte plötzlich einen sehr animierten Eindruck. Sie hatte sich innerlich bereits fest entschlossen, den geplanten Bestseller noch etwas hinauszuschieben. Man merkte es daran, daß sie die Abdeckhaube über die Maschine spannte, nachdrücklich und erleichtert.

      Damit war für Parker bereits alles gelaufen. Die Seejungfrauen in Schottland konnten sich auf etwas gefaßt machen. Lady Simpson nahte!

      *

      »Ich hab’ doch Augen im Kopf«, sagte Buddy Frazer gereizt. »Ich hab’ sie ganz deutlich gesehen. Die paddelten in der Brandung wie Robben.«

      »Wieviel hattest du denn vorher inhaliert?« erkundigte sich der Wirt der Hafenkneipe. Herb Malone war ein untersetzter, stämmiger Mann von etwa fünfundvierzig Jahren. Spottlust war in seinen Augen. Er zwinkerte jetzt den übrigen Männern zu, die am Tresen standen und ihr Bier tranken. Es ging auf die nächtliche Sperrstunde zu, und die Männer am Tresen beeilten sich, in möglichst kurzer Zeit noch möglichst viel Alkohol zu vertilgen. Malone schloß seit einiger Zeit überpünktlich. In jüngster Vergangenheit hatte er bereits einige Male Ärger mit der Polizei gehabt. Er wollte seine Lizenz nicht aufs Spiel setzen.

      Sein Umsatz im Pub steigerte sich von Woche zu Woche. Trinkfeste Männer waren hierher nach Panrose gekommen, die ihr Geld springen ließen. Seitdem in der Nordsee Öl und Erdgas gefunden wurden, erlebte die nordöstliche Region Schottlands einen geradezu erregenden Aufschwung. Draußen auf dem Meer standen die Bohrinseln, die mit Material versorgt werden mußten. Pipelines wurden unter Wasser verlegt, Öltanks und Raffinerien schossen aus dem Boden.

      Das kleine Fischernest Panrose war bis vor wenigen Monaten noch völlig unbekannt gewesen. Wenn man von Aberdeen hinauf nach Fraserburgh fuhr, hatte man hier kaum angehalten. Jetzt aber war das anders. Hinter der Steilküste wurde eine Raffinerie gebaut. Es herrschte eine wahre Goldgräberatmosphäre. Barackenstädte waren aus dem Boden gestampft worden, die die Raffineriearbeiter aufnahmen. Viel Abwechslung gab es in dieser kargen Gegend nicht, und man war froh, sich in einem Pub treffen zu können.

      Buddy Frazer merkte natürlich, daß man ihm nicht glaubte und ihn sogar auf den Arm nehmen wollte. Der kleine zähe Mann mit dem vom Wetter gegerbten Gesicht winkte ab. Es war zu erkennen, daß er über dieses Thema nicht weiter sprechen wollte. Frazer war Fischer geblieben und tuckerte mit seinem kleinen Kutter Tag für Tag hinaus auf die See. Er hatte keine Lust, seine Freiheit aufzugeben, auch wenn er weniger verdiente.

      »Du hast also auch Seejungfrauen gesehen«, wiederholte Malone und sah Buddy gespielt ernst an.

      »Nee, war ein Irrtum«, antwortete Buddy Frazer.

      »Nun hab’ dich nicht, so«, meinte Herb Malone, »aber du mußt doch zugeben, daß das ziemlich unwahrscheinlich klingt. So was gibt’s doch nur in Märchen.«

      »Ich sag’ doch schon, daß ich mich getäuscht habe.« Frazer war nicht bereit, sich über dieses Thema noch mal zu verbreiten. Er trank sein Bier aus und verließ die Kneipe. Er war verärgert. Warum hatte Malone ihn durch den Kakao ziehen wollen? Herb wußte doch verdammt genau, was mit Tom Haley und Peter Ward passiert war. Die beiden armen Teufel hatte man doch erst vor knapp einer Woche aus der Brandung gefischt. Gut hatten sie wirklich nicht mehr ausgesehen.

      Und warum waren sie raus zum Nußknacker gegangen?

      Die Seejungfrauen hatten sie sich ansehen wollen, davon sprachen hier alle Fischer. Es gab sie, daran war überhaupt nicht zu zweifeln. Und Buddy Frazer hatte sie schließlich auch gesehen. Das war in der vergangenen Nacht gewesen, als er mit seinem Kutter zurück nach Panrose geschippert war. In der Brandung waren zwei Seejungfrauen gewesen, wie sie in alten Märchenbüchern abgebildet sind ...

      Buddy Frazer hatte an diesem Abend leider eine Menge getrunken. Die Sticheleien ärgerten ihn maßlos. Er ließ sich nicht gern für einen abergläubischen Trottel halten. Er nahm sich vor, sofort zum Nußknacker zu fahren. Vielleicht hatte er Glück und konnte die beiden Seejungfrauen noch mal sehen. Und vielleicht klappte es auch, eine davon zu erwischen.

      Würden die Burschen in Malones Kneipe Augen machen, wenn er mit einer Seejungfrau anrauschte!

      Buddy Frazer machte sich sofort auf den Weg – und ging seinem Tod entgegen ...

      *

      »Mylady hätten sich vielleicht nicht bemühen sollen«, stellte Josuah Parker fest.

      »Hören Sie endlich auf, mich wie eine alte Frau zu behandeln«, raunzte Agatha Simpson ungnädig. »Sorgen Sie lieber für eine kleine Erfrischung!«

      »Bevorzugen Mylady Tee oder Cognac?«

      »Fangen Sie mit dem Cognac mal an«, erwiderte die Sechzigjährige. »Ich glaube, mein Kreislauf braucht eine kleine Beschleunigung.«

      Parker war ein perfekter Butler.

      Er lagerte mit Lady Simpson in den steilen Felsklippen der Küste und hatte das Versteck mit viel Sinn für Komfort hergerichtet. Über ihren Köpfen befand sich eine dunkle Plastikhaut, die den aufkommenden Sprühregen abhielt. Mylady saß auf einem zusammenfaltbaren Polster und ließ sich von Parker verwöhnen. Er hatte den schwarzen Picknickkoffer geöffnet und servierte seiner Herrin zuerst einen Cognac. Anschließend klappte er die Beine des Koffers heraus und verwandelte ihn in einen kleinen praktischen Tisch.

      »Ein wenig Schildkrötensuppe?« fragte er weiter. »Darüber hinaus könnte ich noch mit kaltem Huhn und einigen Sandwiches dienen, Mylady.«

      »Wollen Sie mich mästen?« grollte sie.

      »Nur, wenn Mylady darauf bestehen«, gab Parker gemessen zurück. »In Anbetracht der Nachtkühle sollten Mylady aber an eine intensivere Verbrennung denken.«

      »Ruhe! Was war das gerade?« Lady Simpson hob ruckartig den Kopf und schob dann vorsichtig die dunkle Plane zur Seite. Sie beugte sich vor und sah auf die Brandung hinunter. Die Flut lief gerade auf und schäumte gegen die Klippen.

      Parker war das seltsame Geräusch ebenfalls nicht entgangen. Um sofort einsatzbereit zu sein, packte er den Picknickkoffer wieder zusammen. Die Cognacflasche allerdings ließ er draußen. Er kannte den Kreislauf seiner Herrin nur zu gut. Er brauchte in nächster Zeit mit Sicherheit noch einige freundliche Ermunterungen.

      »Da war doch was«, stellte Lady Simpson gereizt fest.

      »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Mylady.«

      »Hörte sich dumpf an, wie?«

      »In der Tat, Mylady!« Parker sah längst hinunter in die Brandung und versuchte etwas zu erkennen. Die Sicht war leider sehr schlecht. Der Sprühregen war kompakter geworden.

      Er und Lady Simpson saßen nun schon seit zwei Stunden in den Steilklippen und hielten Ausschau nach Seejungfrauen. Sie waren gegen Mittag in Peterhead angekommen, jenem alten Fischereihafen, der von Touristen gern besucht wurde. Von dort aus waren sie nach Anbruch der Dunkelheit losgefahren. Parkers Wagen stand ein paar hundert Meter entfernt von diesem Versteck in einer schmalen Bodenfalte und konnte von der Küstenstraße aus nicht gesehen werden.


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