Der exzellente Butler Parker 18 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
»Wie ein weißer Wirbelwind werde ich über die Pisten fegen«, schwärmte Agatha Simpson in den höchsten Tönen. »Sie werden beeindruckt sein, Mister Parker.«
»Davon ist meine Wenigkeit zutiefst überzeugt, Mylady«, gab Josuah Parker höflich zurück. »Dennoch erlaubt man sich, darauf hinzuweisen, daß am Ort eine Skischule existiert, die gegen entsprechenden Aufpreis auch Einzelunterricht erteilt.«
»Unterricht?« entrüstete sich die korpulente Dame, die das sechzigste Lebensjahr sichtlich überschritten hatte. »Sie hätten mich erleben sollen, als ich noch die Töchterschule in der Schweiz besuchte! Keine Abfahrt konnte halsbrecherisch genug sein! So etwas verlernt man nicht, Mister Parker.«
»Wie Mylady meinen«, sagte der Butler mit unbewegter Miene und lenkte seine Schritte zum Frühstücksbüfett, um Nachschub für seine Herrin zu holen. Ihm schwante Schlimmes...
Dichtes Schneetreiben hatte die steinreiche Dame seit Tagen in dem feudalen Sporthotel im nordwalisischen Bergland festgehalten. Heute aber war ein strahlender Tag angebrochen. Tiefblauer Himmel spannte sich über einer märchenhaften Winterlandschaft, die in der Sonne glitzerte. Und Myladys Tatendrang war ebenso unbändig wie ihr Appetit...
Eine Stunde später verließen Agatha Simpson und Butler Parker das Hotel. Vorbei an Boutiquen und Souvenirläden durchschritt das Paar die Ortschaft Llanfynydd, die erst vor kurzem vom verschlafenen Bergnest zum Wintersportzentrum aufgerückt war.
Irritierte Blicke folgten dem skurrilen Gespann, das mit zielsicheren Schritten die Talstation des Sessellifts ansteuerte, die gleich neben Ron Fasts Skischule und Skiverein lag.
In dem blendend weißen, wattierten Skidreß, den Parker in einem Londoner Spezialgeschäft nach Myladys beeindruckenden Maßen hatte anfertigen lassen, wirkte die ältere Dame ausgesprochen zünftig. Dieser Eindruck wurde selbst durch ihre Kopfbedeckung nur unwesentlich getrübt. Um nichts in der Welt hätte sie sich von dem abenteuerlich wuchernden Filzgebilde getrennt, das sie hartnäckig als Hut bezeichnete. Dabei erinnerte es eher an einen mißglückten Napfkuchen, in dem zwei als Hutnadeln deklarierte Grillspieße steckten.
Josuah Parker hingegen, ein alterslos wirkender Mann von durchschnittlicher Statur, konnte und wollte selbst im Wintersport seine Profession nicht verleugnen. Die dezent gestreiften Beinkleider, der schwarze Covercoat und die Melone wiesen ihn unzweifelhaft als hochherrschaftlichen Butler aus.
Der altväterlich gebundene Regenschirm am angewinkelten Unterarm vervollständigte dieses Bild noch. Ein grauer Mohairschal und eine Schneebrille stellten sein einziges Zugeständnis an die Umgebung dar.
»Selbst ein so ungemein dynamischer Mensch wie ich muß ab und an ausspannen, Mister Parker«, plauderte die passionierte Detektivin Agatha Simpson gutgelaunt, während man sich dem Kassenhäuschen des Lifts näherte. »Manchmal tut es gut, einfach alle Pflichten zu vergessen.«
»Möglicherweise dürften Mylady aber schon in naher Zukunft mit neuen Pflichten konfrontiert werden, falls der Hinweis erlaubt ist«, wandte der Butler ein.
»Sie meinen, wenn ich wieder in London bin?«
»Keineswegs und mitnichten, Mylady.«
»In dieser Einöde ereignet sich doch höchstens einmal im Jahrhundert etwas, das eine Kriminalistin reizen könnte, Mister Parker.«
»Falls man sich nicht gründlich täuscht, dürfte das von Mylady angesprochene Jahrhundertereignis allerdings nicht mehr lange auf sich warten lassen.«
»Da können Sie natürlich recht haben, Mister Parker«, räumte Agatha Simpson ein. »Jedermann weiß, daß ich eine geradezu magische Anziehungskraft auf kriminelle Elemente ausübe.«
»Eine Anziehungskraft, die sich auch in Llanfynydd auszuwirken scheint, Mylady.«
»Habe ich etwa schon konkrete Anhaltspunkte für eine solche Annahme, Mister Parker?« wurde die ältere Dame plötzlich neugierig.
»Zweifellos wurden Mylady im Hotel auf die drei Herren aufmerksam, die am Tisch rechts neben dem Büffet das Frühstück einnahmen.«
»Selbstverständlich ist mir das Trio sofort aufgefallen«, schwindelte Agatha Simpson umgehend. »Es kann sich nur um Mitglieder der Londoner Szene handeln.«
»In der Tat, Mylady«, bestätigte Parker mit einer angedeuteten Verbeugung. »Bei dem korpulenten Herrn mit Stirnglatze dürfte es sich mit einiger Sicherheit um Mister Ed Kenney handeln, der Mylady eine mehrjährige Freiheitsstrafe wegen schweren Diebstahls verdankt.«
»Richtig, Pat Kennedy«, nickte Agatha Simpson. »Sogar den Namen des Schurken habe ich noch im Kopf, obwohl die Sache einige Jahre zurückliegt.«
»Mister Kenney dürfte inzwischen seine Strafe abgesessen haben«, meinte der Butler. »Bei einem Mann seines Schlages sollte man jedoch davon ausgehen, daß der Aufenthalt hinter Gittern die erzieherische Wirkung verfehlt hat. Mylady dürften deshalb damit rechnen, daß Mister Kenney und seine beiden Begleiter sich aus rein beruflichen Gründen in Llanfynydd aufhalten.«
Das Gespräch wurde jäh unterbrochen, weil Mylady und der Butler inzwischen das Kassenhäuschen erreicht hatten. Hoch erhobenen Hauptes schritt die selbstbewußte Dame an der Schlange der Wartenden vorbei. Die Protestrufe, die auf dem Fuße folgten, entlockten ihr nur ein mitleidiges Lächeln.
»Eine Lady Simpson ist es nicht gewohnt, daß man sie warten läßt«, herrschte die resolute Dame den Fahrkartenkontrolleur an, der sich ihrer wogenden Fülle in den Weg stellen wollte.
Parker vermied einen Eklat, indem er dem Mann diskret eine Banknote zusteckte, was seine Herrin mit mißbilligendem Blick quittierte.
Die stählernen Trag- und Zugseile des Lifts ächzten vernehmlich, als Lady Agatha sich mit Parkers diskreter Hilfe in einen der schaukelnden Sessel sinken ließ und gleich darauf dem in gleißendem Sonnenlicht liegenden Bergkamm entgegenschwebte.
Butler Parker, der zwei Paar Skier geschultert hatte, folgte Sekunden später im nächsten Sessel. Er genoß die klare, kalte Luft, er war ein Freund der Berge. Im Moment jedoch nahm er das majestätische Panorama der verschneiten Gipfel rund um dem Mount Snowdon kaum wahr. Seine Gedanken kreisten immer wieder um dasselbe Problem: Wie konnte er nur seiner ebenso draufgängerischen wie untrainierten Herrin die geplante Schußfahrt über die bevölkerte Piste ausreden?
*
»Ein herrliches Gefühl ist das, wenn einem die Welt zu Füßen liegt, Mister Parker«, frohlockte die ältere Dame. Der Rundblick, der sich von der Bergstation des Lifts aus bot, war in der Tat beeindruckend. Von hier oben wirkte das Dorf Llanfynydd wie eine Ansammlung von Spielzeughäusern.
»Wollen Sie mir nicht helfen, meine Skier anzuschnallen, Mister Parker?« fragte die Detektivin und einen Moment später, als sie in Parkers undurchdringlichem Pokergesicht einen sorgenvollen Zug zu entdecken glaubte: »Sie haben doch nicht etwa Angst?«
»Keineswegs, Mylady«, versicherte der Butler. »Alpines Format dürfte dem Hang kaum zuzusprechen sein. Allerdings sieht man sich veranlaßt, auf die große Zahl von Wintersportlern hinzuweisen, die eine ungehinderte Abfahrt außerordentlich erschweren dürfte, falls die Anmerkung erlaubt ist.«
»Kein Problem, Mister Parker«, fegte Agatha Simpson den Einwand beiseite. »Die Leute werden schon ausweichen. Halten Sie sich einfach in meiner Spur. Dann kann Ihnen gar nichts passieren.«
»Wie Mylady meinen«, erwiderte Parker schicksalsergeben, doch in diesem Moment fiel sein Blick auf das kleine Gasthaus, das nur wenige Schritte von der Liftstation entfernt lag.
»Hat man übrigens richtig vernommen, daß Mylady vor der Abfahrt noch eine kleine Stärkung zu sich zu nehmen gedachten?« spielte er seiner Herrin einen Ball zu, den sie prompt auffing.
»Sie haben recht, Mister Parker«, nickte Agatha Simpson. »Mein sensibler Kreislauf könnte ein wenig Pflege brauchen. Das muß an der dünnen Luft hier oben liegen.«
Wenig später saßen Mylady und der Butler auf der Sonnenterrasse des Gasthauses, und nach dem dritten sogenannten Kreislaufbeschleuniger in Gestalt eines edlen französischen Kognaks hatte Agatha Simpson es mit