Die Arbeit am Langen Zügel. Thomas RitterЧитать онлайн книгу.
überschüssige Energie kann gefährlich werden, wenn das Pferd zum Beispiel einen Bocksprung macht. Diesen Bewegungsdrang sollte das Pferd auf der Koppel, kontrolliert an der Longe oder unter dem Sattel abbauen können, bevor man mit der Langzügelarbeit beginnt.
Es ist außerdem wichtig, das Gefühl fürs Pferd so weit wie möglich auszubilden. Erst dann weiß man, wie viel man von seinem Pferd verlangen darf und wie stark man es mit der Hilfe ansprechen kann, darf oder muss.
Die Zügelhilfen
Die Zügel erfüllen bei der Langzügelarbeit nicht nur dieselben Funktionen wie bei der Arbeit im Sattel, sondern übernehmen zusätzlich bestimmte Aufgaben, die sonst dem Schenkel zufallen. So können sie nicht nur biegen, wenden und parieren, sondern auch einrahmen, verwahren, seitwärts und in bestimmten Situationen sogar vorwärtstreiben.
Traditionell werden die Zügel genauso gehalten wie beim Reiten. Das heißt, sie laufen vom Pferdemaul kommend zwischen kleinem Finger und Ringfinger hindurch, durch die Handfläche nach oben und zwischen Daumen und Zeigefinger wieder nach vorn hinaus. Daneben ist es aber oft angenehm, wenn man sie von vorn entweder zwischen Daumen und Zeigefinger oder zwischen Zeige- und Mittelfinger in die Handfläche hineinlaufen lässt. Ich persönlich finde, dass man dadurch ein sehr gutes Gefühl für den Pferdekörper erhält. Außerdem ergibt sich so oft ein etwas geraderer Verlauf des Zügels, sodass die Einwirkung nicht so sehr nach rückwärts-abwärts erfolgt, sondern eher in horizontaler Richtung.
Die meisten Langen Zügel sind so lang, dass man die Enden in Schlaufen gerollt in einer Hand halten muss. Ich halte dann Schlaufen in der einen und die Gerte in der anderen Hand. Sonst wird es leicht unhandlich.
Die Zügel können in verschiedenen Positionen und in verschiedenen Höhen geführt werden. Dabei gelten einige einfache Faustregeln:
PRE Hengst Amigo mit Andreas Evertz im Viereckverkleinern im Trab. Der tief geführte Zügel kann sehr gut das gleichseitige Hinterbein einrahmen beziehungsweise zum Übertreten veranlassen. (Foto: Shana Ritter)
• Je niedriger der Zügel am Hinterbein entlangläuft, desto besser kann er dieses seitlich einrahmen, und wenn nötig, seitwärts treiben.
Lipizzanerhengst Conversano Sorria mit Shana Ritter im Konterschulterherein. Der hoch geführte äußere Zügel macht der Kruppe Platz zum Übertreten. (Foto: Mader)
• Je höher der Zügel geführt wird, desto mehr öffnet man die Tür für das gleichseitige Hinterbein, seitwärtszutreten. Bei manchen Seitengängen erleichtert die hohe Führung dem Pferd, die Absicht des Reiters zu erkennen. Im falschen Moment angewandt kann es sich aber durch ein seitliches Ausfallen der Hinterhand der reiterlichen Einwirkung entziehen und schief werden.
Lipizzanerhengst Conversano Sorria im Traversgalopp. Der diagonal über den Rücken verlaufende innere Zügel kann die innere Schulter einrahmen, das Pferd nach innen stellen und gleichzeitig die Kruppe nach innen weichen lassen. (Foto: Mader)
• Ein diagonal über den Rücken geführter Zügel bringt die Pferdeschulter näher zum Reiter und ermöglicht es, die Kruppe vom Reiter wegzudrücken.
Lipizzanerhengst Maestoso II Shama II. Ein von oben nach unten auf die Kruppe drückender Zügel kann das Pferd dazu veranlassen, seine Kruppe zu senken. (Foto: Mader)
• Ein von oben nach unten auf die Kruppe drückender Zügel kann die Gelenke des aufgefußten Hinterbeins in der halben und ganzen Parade mehr beugen.
Lipizzanerhengst Maestoso II Shama II. Wenn beide Zügel die Kruppe seitlich einrahmen, kann der Reiter das Pferd sehr gut geraderichten und ein seitliches Ausweichen der Kruppe und der Schulter verhindern. (Foto: Mader)
• Beidseitig gleichmäßig am Brustkorb und an der Hüfte anliegende Zügel können die Hinterhand einschienen und sie wie zwischen zwei Schranken in der Spur führen.
Um das Pferd geraderichten und präzise auf der gerittenen Linie führen zu können, muss der Reiter in der Lage sein, das Pferd einzurahmen. Unter dem Sattel ist das viel leichter als am Langen Zügel, da er dort beide Zügel, Knie, Oberschenkel und Waden benutzen kann.
Man kann am Langen Zügel beispielsweise die linke Pferdeschulter einrahmen, indem man neben dem rechten Hinterbein geht und den linken Zügel über den Rücken laufen lässt. Dadurch wird es möglich, die linke Schulter durch gefühlvolle annehmende Hilfen des linken Zügels nach rechts zu führen, ohne deswegen das Pferd nach links stellen zu müssen. Gleichzeitig kann man durch seine eigene Position das rechte Hinterbein daran hindern, nach rechts auszuweichen. Das ist wichtig, denn man kann die Schultern nur dann seitlich verschieben, wenn man gleichzeitig die Hinterbeine in der Spur hält und umgekehrt.
Geht man etwas hinter dem Pferd, kann man den linken Zügel ebenfalls über den Rücken nach innen führen und ihn gleichzeitig unten um den inneren Hüfthöcker herum laufen lassen, um die linke Schulter einzurahmen. So verbindet man die innere Hüfte mit der äußeren Schulter und stellt sie aufeinander ein. Der innere Zügel erzeugt dann je nach Bedarf die Ganaschenbiegung.
Der linke Brustkorb kann eingerahmt werden, indem man den linken Zügel horizontal etwas straffer an den Rippen anliegen lässt und einen pulsierenden Druck damit ausübt, wenn der Brustkorb gerade nach rechts schwingt. Ein horizontales Anlegen der Gerte in der Schenkellage unterstützt die Zügelhilfe dabei nach Bedarf. Die Gerte kann zusätzlich ebenfalls Druck ausüben beziehungsweise vibrieren. Dazu sollte der Reiter entweder hinter dem Pferd oder neben dessen rechtem Hinterbein gehen. Je mehr das linke Hinterbein untertritt, desto weniger wird der Brustkorb nach links abweichen.
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