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Gesammelte Werke - Aristoteles


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so, weil sie sich irgendwie verhalten, sondern weil sie ein natürliches Vermögen haben, etwas leichter zu vollbringen; ebenso heisst man gesund, weil man ein natürliches Vermögen hat, vermöge dessen man von eintretenden Ereignissen nicht leicht etwas erleidet, und man heisst krank, weil man in dieser Hinsicht unvermögend ist und von Zufälligkeiten leicht etwas erleidet. Ebenso verhält es sich mit dem Harten und Weichen; denn man nennt etwas hart, weil es das Vermögen hat, nicht leicht zu zerreissen, und weich, weil ihm dieses Vermögen fehlt.

      Eine dritte Art von Beschaffenheiten sind die leidenden Beschaffenheiten und die leidenden Zustände. Der Art sind z.B. die Süssigkeit, die Bitterkeit, die Säure und alles dem Verwandter auch die Wärme und die Kälte und die Weisse und die Schwärze. Dass sie Beschaffenheiten sind, ist klar; denn das, was sie angenommen hat, wird nach ihnen beschaffen genannt; so heisst der Honig dadurch, dass er die Süssigkeit angenommen hat, süss und ein Körper dadurch, dass er die Weisse angenommen hat, weiss. Ebenso verhält es sich mit den andern Beschaffenheiten dieser Art. Leidende Beschaffenheiten heissen sie nicht deshalb, weil die Dinge, welche diese Beschaffenheiten angenommen haben, selbst dadurch etwas erlitten hätten; denn der Honig heisst nicht süss, weil er etwas erlitten hat, und auch kein anderer Gegenstand deshalb so. Ebenso werden die Wärme und die Kälte nicht deshalb leidende Beschaffenheiten genannt, weil etwa die Dinge, welche sie angenommen haben, etwas erlitten haben, sondern sie heissen deshalb leidende Beschaffenheiten, weil jede der genannten Beschaffenheiten in Bezug auf die Sinne ein Leiden bewirkt. So bewirkt die Süssigkeit ein gewisses Leiden für den Geschmackssinn und die Wärme für den Gefühlssinn und ähnlich die andern Beschaffenheiten. Dagegen werden die Weisse und die Schwärze und die andern Farben nicht in gleichem Sinne, wie die vorgenannten, leidende Beschaffenheiten genannt, sondern deshalb, weil sie aus einem Leiden entstanden sind. Dass viele Veränderungen der Farben in Folge eines Erleidens entstehen, ist klar; denn wenn Jemand sich schämt, so wird er roth, und wenn er sich fürchtet, blass und ähnliches geschieht in andern Fällen. Hat also Jemand in Folge äusserlicher Ereignisse in natürlicher Weise so etwas erlitten, so wird er auch die entsprechende Farbe annehmen; denn der körperliche Zustand, welcher jetzt in Folge des Schämens entstanden ist, wird sich bei anderer Gelegenheit der natürlichen Körperconstitution gemäss in gleicher Weise wieder einstellen und deshalb wird auch dieselbe Farbe wieder zur Erscheinung kommen. Alle solche Zufälligkeiten, welche von gewissen, schwer veränderlichen und beharrenden Leidenszuständen ausgehen, heissen leidende Beschaffenheiten. Mag sich in Folge der natürlichen Körperconstitution eine Blässe oder eine Schwärze gebildet haben, die man dann Beschaffenheiten nennt (denn nun wird danach beschaffen genannt) oder mag diese Blässe oder Schwärze durch eine lange Krankheit oder durch Brand entstanden sein, so dass sie sich nicht leicht wieder verliert, sondern gar lebenslang sich erhält, so nennt man auch sie Beschaffenheiten; denn man wird auch hier demgemäss beschaffen genannt. Alles dagegen, was sich leicht wieder auflöst und schnell beseitigt werden kann, heisst ein Zustand, und nicht eine Beschaffenheit; denn man wird nicht danach beschaffen genannt. Weder der, welcher aus Scham erröthet, wird roth genannt, noch der, welcher, aus Furcht erblasst, blass, sondern man sagt eher, dass sie etwas erlitten haben; deshalb heissen diese Fälle leidende Zustände und nicht leidende Beschaffenheiten.

      In Uebereinstimmung hiermit spricht man auch von leidenden Beschaffenheiten und Zuständen bei der Seele. Alles was gleich von der Geburt in Folge schwer veränderlicher Zustände entsteht, heisst eine leidende Beschaffenheit, z.B. die Raserei, der Zorn und anderes Aehnliche; denn die Menschen werden darnach beschaffene genannt, nämlich zornige oder rasende Menschen. Ebenso heissen auch alle nicht natürlichen, sondern aus äusseren Zufällen entstandenen Beschaffenheiten so, insofern sie schwer zu vertreiben oder ganz unheilbar sind; denn man wird auch danach beschaffen genannt. Alles dagegen, was aus schnell wieder vergehenden Erregungen entsteht, heisst ein leidender Zustand, z.B. wenn Jemand, weil er geärgert wird, in Zorn geräth; man heisst dann nicht ein Zorniger, wenn man in solchem Zustande zornig wird, sondern es heisst mehr, dass man etwas erlitten habe. Solche Fälle heissen deshalb leidende Zustände und keine leidenden Beschaffenheiten.

      Die vierte Art der Beschaffenheit bilden die Figuren und die Gestalten der einzelnen Dinge; ferner neben diesen das Gerade und das Krumme und was sonst dem ähnlich ist; denn nach allen diesen einzelnen Bestimmungen wird etwas beschaffen genannt. So gilt das dreieckig-oder viereckig-sein als eine Beschaffenheit; ebenso das gerade-und das krumm-sein. Auch nach der Gestalt wird ein jedes beschaffen genannt. Auch das Lockere und das Dichte, sowie das Rauhe und Glatte scheint eine Beschaffenheit zu bezeichnen, indess dürften sie wohl nicht zu den Eintheilungen der Beschaffenheit gehören, vielmehr scheinen sie mehr eine Lage der Theile zu bezeichnen; denn etwas ist dicht dadurch, dass seine Theile nahe bei einander sind, und locker dadurch, dass sie von einander mehr abstehen; ferner glatt dadurch, dass seine Theile gleichsam in gerader Richtung liegen, und rauh dadurch, dass sie bald hervorragen, bald zurücktreten.

      Vielleicht fände sich wohl noch eine andere Art von Beschaffenheiten; indess sind die bisher erwähnten wohl die, welche am meisten so genannt werden.

      Beschaffenheiten sind also die erwähnten und beschaffen werden die Gegenstände danach durch Ableitung des Namens oder sonst wie genannt. In den meisten Fällen und beinah überall geschieht die Bezeichnung durch Namens-Ableitung; so heisst etwas von der Weisse weiss, von der Sprachlehre sprachgelehrt, von der Gerechtigkeit gerecht und von andern Beschaffenheiten ebenso. In einzelnen Fällen jedoch, wo die Beschaffenheiten keinen Namen haben, kann deshalb der Gegenstand nicht durch Namens-Ableitung danach benannt werden; so wird z.B. Jemand, der nach seinem natürlichen Vermögen als geschickt im Laufen oder im Faustkampf genannt wird, nicht von einer Beschaffenheit durch Namens-Ableitung so genannt; denn für die Vermögen, nach denen diese Personen beschaffen genannt werden, ist kein Name vor handen, wie dies dagegen für die Wissenschaften der Fall ist, nach denen Jemand faustkämpferisch oder ringkämpferisch in seinem Zustande genannt wird; denn die betreffende Wissenschaft heisst die Faustkampf-Wissenschaft und die Ringkampf-Wissenschaft und die, welche sich so verhalten, werden durch Namens-Ableitung danach beschaffen genannt. Mitunter wird selbst da, wo ein Name vorhanden ist, doch das demgemäss Beschaffene nicht ableitungsweise so benannt; so ist das »sittlich« nicht von der Tugend abgeleitet; man heisst sittlich, weil man die Tugend besitzt, aber die Bezeichnung geschieht nicht durch Ableitung von dem Worte Tugend. Dies kommt jedoch nicht häufig vor. Beschaffen werden also die Gegenstände durch Ableitung von den erwähnten Beschaffenheitsworten, oder in sonst einer Weise nach denselben genannt.

      Bei den Beschaffenheiten bestehen auch Gegentheile; so ist die Gerechtigkeit das Gegentheil der Ungerechtigkeit und die Weisse das Gegentheil der Schwärze u.s.w.; dies gilt auch für die demgemäss beschaffenen Gegenstände; so ist ungerecht das Gegentheil von gerecht und weiss das Gegentheil von schwarz. Indess gilt dies nicht allgemein; denn für das Feuerrothe und das Blasse und anderes solches Farbige giebt es kein Gegentheiliges.

      Ferner ist, wenn von den Gegensätzen der eine ein Beschaffenes ist, auch der andere ein solches. Dies ergiebt sich, wenn man die andern Kategorien zur Hand nimmt; so ist z.B. wenn die Gerechtigkeit das Gegentheil der Ungerechtigkeit ist und die Gerechtigkeit eine Beschaffenheit ist, auch die Ungerechtigkeit eine solche; denn keine der andern Kategorien ist auf die Ungerechtigkeit anwendbar; weder die Grosse, noch die Beziehung, noch der Ort, noch sonst eine andere, sondern nur die Beschaffenheit. Ebenso verhält es sich mit den Gegentheilen anderer Beschaffenheiten.

      Die Beschaffenheiten nehmen auch das Mehr und das Weniger an; so heisst Eines mehr oder weniger weiss, als das Andere und gerecht Eines mehr als das Andere; ja die eine Beschaffenheit selbst ist der Steigerung fähig, denn das Weisse kann weisser werden. Dies gilt zwar nicht allgemein, aber doch für die meisten Beschaffenheiten. So könnte man zweifeln, ob bei der Gerechtigkeit ein solches Mehr oder Weniger ausgesagt werden könne; und auch bei den übrigen Zuständen erhebt sich der Zweifel. Manche bestreiten dies und behaupten, dass man bei der Gerechtigkeit keine als ein Mehr oder Weniger gegen die andere bezeichnen dürfe; auch bei der Gesundheit dürfe dies nicht geschehen, wohl aber könne der Eine weniger Gesundheit oder Gerechtigkeit haben, als der Andere; auch gelte dies für die Sprachwissenschaft und andere Zustände. Allein die darnach benannten Dinge sind unzweifelhaft des Mehr oder Weniger fähig; denn der Eine wird sprachgelehrter, oder gerechter, oder gesünder als der Andere genannt und dies gilt auch bei allen übrigen solchen Beschaffenheiten. Dagegen


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