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Mami Staffel 2 – Familienroman. Gisela ReutlingЧитать онлайн книгу.

Mami Staffel 2 – Familienroman - Gisela Reutling


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der Sepp gefällt mir.«

      Gritli schloß die Augen. Es hatte also doch geklappt. Und nun wollte sie schnell hoch in ihr Kämmerchen und das Buch mit dem Gedicht von der Kornernte unter ihr Kissen legen. Dann konnte sie es morgen noch besser. Kam sie mittags von der Schule, waren Onkel Sepp und die nette Clara bestimmt schon ein Paar.

      Sie schlich sich ins Haus. Im Flur brannte ein schummeriges Licht. Aus der Küche drangen laute, erregte Stimmen. Am Klirren der Gläser erkannte sie, daß Onkel Sepp sich und seiner Mutter einen Schnaps einschenkte. Urban, der Kater, hockte auf der Stiege, was er sonst nur bei einem Gewitter tat, und schaute Gritli vorwurfsvoll mit seinen gelblichen Leuchtaugen an.

      »Was tust denn da? Willst dich verstecken? Hast ’s in der Küche nicht ausgehalten?« flüsterte sie, gab ihrer Neugier nach und schlich zur Tür.

      »So war das nicht geplant, Sepp!« hörte sie die Großmutter schimpfen. »Du sollst nicht jeden Abend bei den Weiberleut hocken und Wein mit ihnen trinken. Die gehören in die Stadt, und dahin kehren sie auch wieder zurück. Den Teufel werden sie tun, als dir zuliebe auch nur einen Tag länger bleiben. Also nutz deine Zeit und schaff was in die Scheune. Acht Bretter brauchen wir noch für die Karnickel. Der Verschlag für die Hühner muß gerichtet werden, und noch hast kein Stück Holz für den Winter gehackt und gestapelt!«

      Onkel Sepp atmete schwer. »Clara Baumbeer ist eine patente Frau, Mutter.«

      »Ja, das hat der Thilo vom Hannerl auch gesagt.«

      »Damit hat er recht gehabt. Sie war eine gute Frau.«

      »Ja, bis zu den Wehen, Sepp!«

      »Mutter…, bitte!« stöhnte der Bauer und schenkte sich einen zweiten Schnaps ein.

      Gritli machte einen Schritt zurück, preßte ihren Rücken an die Flurwand und schlug die Hände vor die Augen, wie immer, wenn die Rede von ihrer verstorbenen Mutter war. Dann wurde jede Bemerkung zu einer geheimnisvollen Andeutung, die sich als quälende Last auf ihre Brust legte. Aber nur wenige Minuten später wischte sich das Gritli zwei Tränen von den Wagen, dann warf sie noch einen Blick ins Licht über dem Küchentisch. Die Arme der Großmutter lagen darauf, ihre Schultern waren noch breiter als sonst. Dagegen wirkte Onkel Sepps Rücken fast schmal und gebeugt.

      Gritli schlich an Urban vorbei und hoch in ihr Kämmerchen. Sie kniete noch lange auf dem Bett, um so zum Sternenhimmel hochschauen zu können. Denn aus dem Flimmern der Sterne am Firmament erkannte sie, daß das Wetter morgen umschlagen würde. Hoffentlich ließen Clara und Inge sich deshalb nicht frühzeitig zur Rückkehr bewegen.

      *

      Es war noch fast Nacht, als Gritli von einem lauten Gepolter aufschrak. »Urban!« war ihr erster Gedanke. Sie sprang aus dem Bett und mit nackten Füßen auf die Dielen im Flur. Da lag die Figur der Muttergottes, die die Kommode schmückte, am Boden.

      »Schäm dich, Urban!« Vorsichtig hob sie sie auf, stellte sie wieder auf die alte Kommode und wollte wieder in ihr Bett schlüpfen. Aber wie sie es gewohnt war, warf sie vorher noch einen Blick aus dem Fenster zu den Berggipfeln hoch.

      Der Himmel zeigte sich rötlicher als sonst. Heute mittag gab ’s Regen. Sie hatte es doch gewußt. Dann aber fiel ihr am Hang etwas auf, das sie verstörte. Angestrengt blinzelte sie in die erste Morgendämmerung. Zwei Gestalten entfernten sich auf dem Pfad, der auf die Alm führte. Onkel Sepp, den sie auch in stockfinsterer Nacht erkannte, war nicht allein. Und wer ging neben ihm?

      »Clara«, hauchte sie, rieb sich die Augen und juchzte danach. »Danke, Herzjesu.«

      Sie täuschte sich nicht. Clara trug Hosen bis zum Knie und an den Waden weiße Strümpfe, die leuchteten bis hierher. Und keiner vom Berghof trug so blitzsaubere Strümpfe wie die jungen Frauen aus der Stadt.

      Am liebsten wäre Gritli gleich zur Großmutter gerannt und hätte ihr davon erzählt. Aber noch während sie glücklich lächelte, begriff sie, daß sie ihre Beobachtung für sich behalten mußte. Die Großmutter konnte die jungen Städterinnen nicht leiden. Erfuhr sie davon, gab ’s wieder Ärger.

      Als Dankgebet wiederholte sie noch mal ihr Gedicht. Es klappte wie am Schnürchen. Dann stand sie auf, kramte tief in ihrer Truhe und zog ein schwarzes, fast neues Sweat-Shirt heraus. Onkel Sepp hatte es ihr vor Monaten, als Tante Theres gestorben war, aus der Stadt mitgebracht. Weil die Großmutter aber nicht duldete, daß sie es zum Begräbnis trug, hatte sie es erst zum Osterfest angezogen. Nun mußte es zur Feier des Tages ausgeführt werden, auch, wenn ihr darin brutwarm wurde.

      Dazu schlüpfte sie auch in ein sauberes, aber verwaschenes Paar Strümpfe und wusch danach ihr Gesicht am Becken im Flur, wozu sie sich sonst nur feiertags überwand.

      Als Gritli in die Küche kam, bereitete die Großmutter gerade den Kaffee. »Was hast denn heut’ an?« fragte sie mürrisch. »Denkst wohl, heut ist Weinacht? Das Bluserl wird dir auch viel zu warm werden.«

      »Das ist kein Bluserl. Es ist ein Sweat-Shirt.«

      »Sweat-Shirt! Ja, und? Zu warm ist es doch!«

      Der Korb mit dem Frühstück für die Damen aus der Stadt war schon vorbereitet. Gritli knabberte an einem Wecken herum und sah dabei einige Male forschend die Großmutter an, aber nichts an dem herben Gesicht deutete darauf hin, daß zwischen Sepp und ihr noch ein Wort über Clara gefallen war. Die Bäuerin strich wie jeden Morgen Butter aufs Brot und legte Wurstscheiben darauf, packte alles ein und schob es ihr über den Tisch zu.

      »Bring ’s Frühstück rüber ins Häuschen, und mach dich gleich danach auf den Weg zur Schule.«

      »Es ist aber heute zeitiger als sonst, Großmutter.«

      »Red nicht viel, geh!«

      Im letzten Moment unterdrückte Gritli noch eine Bemerkung, die ihr beim Anblick der beiden Kaffeebecher für die Damen, von dem doch heute früh nur einer gebraucht wurde, fast entschlüpft wäre. Wie gut, daß sie es noch rechtzeitig bemerkte, sonst hätte sie Onkel Sepp und Clara doch verraten. Nicht auszudenken, was dann geschah!

      Sie bemühte sich, ganz leise zu sein, als sie den Tisch an der Ostseite des Häuschens deckte. Es war besser, der schrecklichen Inge Scholz erst gar nicht zu begegnen. Wenn die nach Clara fragte, was sollte Gritli dann antworten? Sich verhaspeln, um das Geheimnis des frischverliebten Paares zu hüten? Oder mit der Wahrheit rausrücken, die Inge Scholz wahrscheinlich nur brühwarm an die Großmutter weitergab und damit ein häusliches Unwetter auslöste, das dem Donner und Blitz in den Bergen in nichts nachstand?

      Zehn Minuten später hopste Gritli fröhlich den Hang hinunter. Unten am Tunneleingang krempelte sie sich die Ärmel des Shirts hoch. Es war ziemlich warm, die Großmutter hatte recht, aber heute mittag würde es regnen. Gritli schaute triumphierend zum Himmel hoch. Solange Onkel Sepp bei Clara war, konnte der das Wetter nichts anhaben.

      *

      Hier oben auf der Alm fühlte Clara sich dem Himmel ganz nah. Wie ein Engel kam sie sich vor, der zwischen dem lichten Blau hinab auf die Erde schauen konnte und dabei frei atmete, weil kein Gedanke an Alltagssorgen hinauf auf diese Höhe gelangte. Clara schloß die Augen. Nein, es war nicht nur die tausende Meter über dem Meer, denen sie diese innere Gelassenheit verdankte. Es war auch die beruhigende Nähe von Sepp, dem Bergbauern.

      »Na, was machen die Blasen am großen Zeh?« schreckte sie sein dunkles Lachen auf.

      »Sie brennen nicht mehr«, gab sie ihm zur Antwort. Sepp stand vor ihr und hielt ein Bündel Heu auf der Schulter.

      Er deutete kurz zum Himmel. »Es wird bald regnen. Ich schaff das Heu unter den Verschlag. Dann gibt ’s ne Jause.«

      Kaum war er hinter der Sennhütte verschwunden, erhob Clara sich von der Bank und ging auf nackten Füßen über die Wiese bis zum Heuhaufen, an dem die Sense lehnte. Sie erinnerte sich, wie Sepp die gehalten hatte, faßte zu und begann ein wenig zu mähen.

      Die Grasstoppeln stachen in ihre Fußsohlen, die Sonne brannte ihr auf den Nacken, die Muskeln an Armen und Schulter schmerzten. Aber Stück für Stück sank das saftige Gras am Hang zu Boden, als habe


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