Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
Thea hatte mit ihrer Vermutung recht. Es war ein reiches Erbe, das Eike Hadebrecht gemeinsam mit seiner Tochter antreten konnte, und das ihm kraft des Gesetzes zukam. Deshalb sträubte er sich nicht, es anzuerkennen.
Klein-Ute merkte nichts davon, daß sie jetz keine Mutter mehr hatte. Sie wurde von so viel Liebe umgeben, daß sie wie ein treubehütetes Pflänzchen wachsen und gedeihen konnte.
An einer Spielgefährtin mangelte es Ute auch nicht, denn Anka weilte nach wie vor mehr bei ihren Großeltern als zu Hause. Sie besuchte jetzt die Schule und kam sich sehr wichtig vor. Altklug war sie immer noch und vorwitzig auch. Aber das würde sich schon mit der Zeit geben, wenn sie nicht mehr so ausschließlich mit ihrer Mutter zusammen war, die es auch jetzt noch nicht lassen konnte, schwerwiegende Gespräche vor den spitzen Ohren ihrer Tochter zu führen. Und es war gut, daß nur Ottilie und Philchen allein es hörten, als Anka wichtig sagte: »Weißt du, Omi, was die Mami befürchtet?«
»Da bin ich aber neugierig, mein Kind!«
»Daß Onkel Eike Fräulein Silje heiraten wird. Das könnte dem fremden Mädchen noch so passen, sich hier ins mollige Nest zu setzen! Meinst du das auch, Omi?«
Zuerst sahen die beiden Damen sich entsetzt an, doch dann fragte Philchen, so harmlos sie konnte: »Wann hat die Mami darüber gesprochen, Anka?«
»Gestern – zum Papi.«
»Und was sagte er darauf?«
»Daß es ein großes Glück für Onkel Eike wäre, wenn er Fräulein Silje zur Frau bekäme. Das wäre nämlich ein ganz wunderbares Menschenkind. Und um Geld brauchte Onkel Eike doch wahrlich nicht zu heiraten, nach dem Erbe von Tante Ilona schon ganz und gar nicht.«
»Und was sagte die Mami darauf?«
»Sie sagte: Ja, wenn du meinst, Herzensschatz!«
Jetzt hatten die beiden Damen Mühe ein amüsiertes Lachen zurückzuhalten. Doch sie durften das Kind nicht stutzig machen. Daher meinte Philchen harmlos: »Weißt du, Anka, man darf nicht alles wiedererzählen, was zwischen den Eltern gesprochen wird.«
»Das tu ich sonst auch nicht«, bekannte das Kind treuherzig. »Onkel Eike würde ich es bestimmt nicht sagen und Fräulein Silje auch nicht. Papi meint…«
Nun lachten die beiden Damen denn doch. Und Anka, die ja nicht wußte worum es ging, tat fröhlich mit.
»Dieser Reinhold in seiner menschlichen Güte scheint sich nicht nur auf seine Frau, sondern auch auf seine neunmalkluge Tochter segensreich auszuwirken«, sagte Philine lachend zu ihrer Schwägerin, nachdem die beiden Kinder gegangen waren.
»Ja, er ist wirklich ein guter Mensch«, bestätigte Ottilie warm. »Ein Glück, daß Thea ihn gefunden hat! Er ist ganz die Ergänzung zu ihrem Ich – und zwar die bessere Ergänzung.«
»Und was meinst du zu Silje und Eike? Ob ihre Herzen sich einmal finden werden?«
»Ich glaube schon«, meinte Philchen zuversichtlich. »Das heißt, gefunden haben sie sich längst, aber noch ist es nicht an der Zeit, das öffentlich zuzugeben. Noch steckt Eike der tragische Tod seiner Frau zu sehr im Blut, als daß er sich leicht darüber hinwegsetzen könnte. Das ist so schwerfälligen Naturen nicht gegeben. Direkt braucht er sich über Ilonas Tod bestimmt keine Vorwürfe zu machen – aber indirekt tut er es doch. Und über das Grab hinweg kann ein Mensch seiner Veranlagung nicht von heute auf morgen eine neue Ehe schließen.«
»Und Silje – wird sie warten können?« fragte Ottilie bang.
»Unbedingt. Sie hat ein tapferes Herz und einen frohen Mut.«
»So segne Gott das liebe Kind!« sagte die Schwägerin leise. »Ich habe schon manchen Kummer in meinem Leben erfahren, aber ein sehr schwerer wäre es mir, wenn Silje von uns ginge. Ich habe es lieb, das herzensfrohe Menschenkind, und kann mir ohne es ein Leben kaum noch denken. Aber ich hoffe zuversichtlich, der Herrgott wird uns gnädig sein.«
*
Der Herbst verging, der Winter kam und mit ihm Eis und Schnee. Schwer lag er auf den Bäumen des Parkes, die ob der schweren Last ächzten und sie dennoch geduldig trugen. Die Wege waren frei geschaufelt, so weit sie um das HadebrechtHaus führten. Alles andere jedoch lag unberührt in seiner fleckenlosen Weiße.
Es war schön, sich draußen in der Kälte zu tummeln und dann zurückzukehren ins traute Wohngemach, wo auf dem Tisch die knusprigen Bratäpfel standen und Grog und Rotwein oder Rum. Hie und da tauchte auch schon Weihnachtsgebäck auf, die Kerzen am Adventskranz knisterten leise.
Wie war es doch dann so lieb und traut, wenn Silje den beiden Kindern die alten Weihnachtsmärchen erzählte, denen aber auch die Erwachsenen gern lauschten! Die weiche, herzwarme Stimme zu hören, war allein schon ein Genuß.
Und wie reizend sie zu plaudern wußte von Knecht Ruprecht und den Engelein, die seine Helfer waren! Von den armen Kindern, die von ihm beschenkt wurden, von dem Mädchen mit den Zündhölzern, von der Schneekönigin und so weiter. Dabei wurde immer das Böse bestraft, und das Gute triumphierte.
»Demnach müßte Tante Ilona jetzt in der Hölle sein«, meinte Anka nach einer Erzählung in ihrer bedächtigen Art. »Denn sie war nicht lieb und gut, sondern schlecht und zänkisch, sagt meine Mami.«
Die Erwachsenen hielten vor Spannung den Atem an, was Silje wohl auf diese berechtigte Feststellung antworten würde.
Und schon kam es, was lieb und versöhnend klang: »Da irrst du, Anka. Tante Ilona mußte so sein, weil der liebe Gott es wünschte. Jetzt sitzt sie oben bei den Engelein und berät mit ihnen, was wohl zu tun wäre, um deine geheimen Weinachtswünsche zu erfüllen.«
»Oh, dann weiß sie wohl auch, daß ich mir eine kleine Kinokamera so sehnlich wünsche?« fragte Anka aufgeregt, und Silje nickte.
»Gewiß weiß sie das.«
»Und weiß sie auch, daß meine Puppe Dido ihr Bettchen zerbrochen hat?« forschte die Kleine nicht weniger aufgeregt.
»Auch das weiß sie, Utelein.«
»Na, dann kann die Dido zufrieden sein.«
Es klang so drollig, daß die anderen herzlich lachen mußten. Selbst der Papi, von dem jetzt langsam der düstere Ernst abzufallen schien.
Jedenfalls war es jetzt schön im Hadebrecht-Haus, wozu der Frohsinn und das goldige Lachen Siljes viel beitrugen. Man liebte sie mit tiefer Zärtlichkeit; auch Anka tat es jetzt. –
Und dann kamen noch einige Menschen hinzu, denen das frischfröhliche Mädchen ein Begriff wurde. Und zwar ein Vetter Philipps mütterlicherseits, der in jungen Jahren nach Amerika ausgewandert war und sich dort durch Tüchtigkeit und eine reiche Heirat ein recht warmes Nest geschaffen hatte.
Diesen packte nun plötzlich die Sehnsucht, wieder einmal ein echt deutsches Weihnachtsfest zu verleben.
Und da er ein Mensch von raschen Entschlüssen war, fackelte er nicht lange, sondern machte mit Gattin und Sohn »einer kleiner Abstecher« nach Deutschland. Traf kurz vor Weihnachten bei seinem Vetter Philipp ein, der ihm von der ganzen Verwandtschaft immer am liebsten gewesen war.
Und mit diesen drei Menschen kam frohes, lärmendes Leben ins Haus. Dick Brown – in seinem Taufschein stand Richard Braun – war ein smarter Geschäftsmann. Seine Gattin zierlich und quicklebendig, sein Sohn das, was man ein kreuzfideles Haus nennt.
Es gab nun einen Wirbel vor dem Fest, daß man kaum zur Besinnung kam. Mabel, die Mutter und Bob, der Sohn, waren der Ansicht, daß Weihnachten feiern einen Waggon voll Geschenke bedeutete. Nur mühsam konnte man es ihnen ausreden und bereitete ihnen damit eine Enttäuschung.
Wie denn – man hatte doch Geld genug, um die Gastgeber und deren Anhang gewissermaßen von oben bis unten beschenken zu können! Aber leider schienen diese Menschen selbst Geld genug zu besitzen, um sich jeden vernünftigen Wunsch gegenseitig erfüllen zu können.
Das heißt, bei Thea hätten sie ihr Portemonnaie ganz weit aufmachen können, sie