Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
ihrem Mann fragen? dachte Gertraude erwartungsvoll.
Doch nein, Lenore schwieg und war Minuten später eingeschlafen.
Nun, Traude war auch so zufrieden. Es schien mit dem armen Wurm, wie sie Lenore bei sich nannte, endlich bergauf zu gehen.
Da der Professor seine Schwägerin nicht im Krankenzimmer sprechen konnte, weil man ja nicht sicher war, ob Lenore da nicht mithörte, hatte er Gertraude gebeten, alles Bemerkenswerte über diese aufzuschreiben, was sie auch gewissenhaft tat.
Doch so viel wie heute hatte noch nie auf dem Zettel gestanden, den Gertraude dem Schwager zusteckte, als er später erschien. Er ging ans Fenster, las, nickte zufrieden, trat dann an das Bett und sah prüfend auf die Fieberkurve.
»Also fieberfrei«, sprach er absichtlich laut, worauf die junge Frau auch prompt erwachte.
»Da ist unser Sorgenkind ja endlich«, lachte er sie freundlich an. »Dazu noch mit so klaren Guckerchen, das freut mich aber. – Aha, da steckt unsere Schwester Agathe ihren haubengeschmückten Kopf durch den Türspalt. Und das Gesicht, das darüber schwebt, gehört dem Nesthäkchen unserer ärztlichen Zunft, Doktor Hörse benamst. Tretet näher, damit unsere kleine Majestät ihren Vasallen Audienz erteilen kann.«
Sie traten näher und standen dann vor dem Bett Lenores, die so rührend jung und so rührend süß dalag in ihrem spitzenbesetzten Nachtkleidchen. Langsam stieg die Röte der Verlegenheit in das feine Gesicht.
»Guten Tag«, sagte sie schüchtern. »Ich – ich möchte aber nun wirklich nicht … Bitte, nicht so viel Aufhebens mit mir machen.«
»Das tun wir hier mit schönen Frauen immer«, blähte sich Wilmar förmlich auf. »Bitte sehr: Cherchez la femme!«
Da huschte ein Lächeln über das blasse Gesichtchen, und es war eigentlich ganz zusammenhanglos, was der Chefarzt sagte: »Na also, wird schon wieder werden. Warum glupscht du mich denn so von unter herauf an, holde Schwägerin?«
»Na, soll ich etwa nicht, da man mich so herzlos an die Seite schiebt? Ich bin eifersüchtig.«
Erschrocken sah Lenore zu ihr hin. Als sie jedoch das lustige Blinzeln in den goldbraunen Augen bemerkte, lächelte sie wieder. In dem Moment lugte ein allerliebstes Gesichtchen durch den Türspalt, und eine Stimme fragte zaghaft: »Darf ich nun endlich zu meiner Mutti?«
»Du darfst«, ermunterte der Chef des Hauses, worauf ihm ein ganz reizendes Mägdlein um den Hals flog, das aber auch kein bißchen Respekt vor dem Gefürchteten zu haben schien. Ein rosiger Mund drückte sich auf seine Wange, was er sich schmunzelnd gefallen ließ. Doch dann setzte er eine Amtsmiene auf.
»Das Plappermäulchen im Zaum halten, verstanden?«
»Bei dem Ton allemal, Onkelchen«, lachte die Kleine ihn lieblich an. Dann huschte sie zum Bett Gertraudes, küßte sie stürmisch und setzte sich dann mit einer Miene auf den Bettrand, die zu sagen schien: geschafft ist geschafft.
Nachdem sich die beiden Ärzte nebst der Oberschwester lachend entfernt hatten, sprach Gertraude zu Lenore hinüber, die dem allen mit sehnsüchtigen Blicken gefolgt war: »Das ist meine Tochter Ilga – und das ist meine liebe Zimmergenossin Frau Skörsen.«
»Guten Tag, Frau Skörsen«, grüßte das Mädchen artig. »Wie geht es Ihnen?«
»Danke, ich kann nicht klagen.«
»Das hört man gern. Und wie ist es mit dir, geliebtes Muttileinchen, wann kommst du nach Hause?«
»Das sind zwei Fragen, du Irrwisch. Also: es geht mir gut, und nach Hause komme ich vorerst noch nicht.«
»Oh, Mutti!«
»Oh, Ilga! Zieh kein Mäulchen, es geht nicht anders. Wie steht’s zu Hause?«
»Alles noch auf demselben Fleck.«
Ilga, die durch die Briefe der Mutter über Lenore bereits unterrichtet war, tat diese ohnehin schon leid. Und nun, da sie dieses elende Geschöpf mit den übergroßen Augen sah, tat ihr sogar das Herzchen weh.
»Wir haben eine kleine Landwirtschaft«, erzählte sie weiter, zuerst zögernd, dann immer eifriger. »An Tieren besitzen wir ein Pferd, eine Kuh, drei Schweine, zwei Hunde, zwei Katzen, Hühner, Enten, Gänse, Puten – nun, eben das, was zu einer Landwirtschaft gehört.«
»Wie schön«, sagte Lenore leise. Es klang so voller Sehnsucht, daß Ilga nun wirklich die Tränen kamen.
Gut, daß die Oberschwester eintrat und das Essen für Lenore brachte. Da sprang Ilga lachend auf.
»Aha, das bedeutet soviel wie ein Hinauswurf. Also, verehrte Frau Oberin, ich gehe schon freiwillig.«
Sie verabschiedete sich von der Mutter mit einem herzlichen Kuß, winkte dann den anderen zu. Die Tür schloß sich, wurde danach jedoch noch einmal spaltbreit geöffnet.
»Muttilein, das übliche Mitbringsel befindet sich wie üblich in der üblichen Tasche.«
Dann erst entschwand Ilga endgültig, und die Oberschwester sagte lachend: »So ein richtiger Wirbelwind. Sie hat Sie doch nicht etwa aufgeregt, Frau Skörsen?«
»O nein, im Gegenteil, sie kann so lieb erzählen.«
Jetzt kam noch eine Schwester hinzu die das Essen für Gertraude brachte.
»Guten Appetit!« sprach Agathe zu Gertraude hin, die, das Tablett vor sich, vergnügt zu schmausen begann, während Lenore keine Anstalten machte, ihre Brühe zu löffeln. Bittend sah sie die Oberin an, die jedoch kein Erbarmen hatte.
»Nichts da, kleine Frau, es wird gegessen! Vier Tage haben Sie so gut wie nichts in den Magen gekriegt. Wenn Sie so weitermachen, werden Sie ewig hier liegen müssen.«
»Warum denn nicht? Es ist doch hier so schön.«
»Kind, Sie sind wohl nicht recht gescheit!« sagte Traude in so komischem Entsetzen, daß nicht nur die Oberschwester lachte, sondern auch Lenore. »Du lieber Himmel, welcher Mensch bleibt denn gern im Krankenhaus! Nun essen Sie gefälligst, sonst steh ich auf und füttere Sie.«
»Sie kriegt es fertig«, bestätigte Agathe immer noch lachend. »So werde ich das wohl verhindern müssen, indem ich Sie füttere.«
Was dann auch geschah. Lenore mußte schlucken, bis der Teller leer war.
»Na, sehen Sie, wie schön das geht!« ließ die Oberin befriedigt von ihr ab. »Nun legen Sie sich wieder hin, halten Ihr Mittagsschläfchen, und dann gibt es leichten Bohnenkaffee.«
Nachdem diese Patientin versorgt war, sah sie schmunzelnd zu Gertraude hinüber, die so richtig satt und zufrieden in den Kissen lag. Die Schüsseln auf dem Tablett waren leer.
»Na, wenigstens Ihnen hat es geschmeckt, gnädige Frau!«
»Gott sei’s geklagt. Was meinen Sie wohl, wie ich die Futterkrippe hier, die immer so gut gefüllt ist, verlassen werde: ganz gewiß rollend wie ein Tönnchen.«
»Das gibt sich wieder«, tröstete Agathe. »Und zwar dann, wenn Sie zu Hause wieder in dauernder Bewegung sind. Nun wünsche ich Ihnen ein gutes Schläfchen.«
Sie nahm das Tablett, ging hinaus, und als Gertraude bemerkte, daß Lenore bereits schlief, kuschelte sie sich voll Behagen in das Kissen und wechselte hinüber ins Traumland.
*
Indes erstattete der Chefarzt dem Kollegen Bericht über das Befinden seiner Frau. »Ich glaube, wir haben sie jetzt über den Berg«, sprach er dann weiter. »Wenn kein Rückschlag kommt, kann sie in ungefähr zehn Tagen die Anstalt verlassen. Und was wird dann aus ihr?«
»Wenn ich das wüßte, Herr Professor. Ginge es nach mir, würde ich sie so lange in einer Pension unterbringen, bis ich eine Wohnung für uns gefunden habe. Aber ich fürchte, sie wird darauf nicht eingehen.«
»Das fürchte ich auch. Na, warten wir ab, mit der Zeit kommt dann auch der Rat. Hauptsache, daß die kleine Frau wieder ganz gesund wird, körperlich