Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
ich dich oft besuchen.«
»Soso«, sagte der Onkel. »Aber warum auch nicht, wo ich jetzt einen so schmucken jungen Mann bei mir habe. Doch den wirst du wenig zu sehen kriegen, weil die weiblichen Patienten ihn mit Beschlag belegen werden. Sie reckten sich schon heute ihre Hälschen nach ihm aus.«
»Hört, hört!« schmunzelte der Hausherr. »Da wird es aber bald Palastrevolution um den schönen Ralf geben.«
Dabei schielte er zu Lenore hin, die noch immer unbeweglich dasaß. Man zog sie absichtlich nicht ins Gespräch, nahm auch keine Notiz davon, als sie sich entfernte.
Doch als sie außer Hörweite war, sagte Reinhard befriedigt: »Den ersten Schock hat sie weg, weitere werden folgen.«
»Und du willst ein Seelenarzt sein?« empörte Gertraude sich. »Ein ganz gefühlloser Mensch bist du. Los, Doktor Skörsen, gehen Sie ihr nach!«
»Um mich beleidigen zu lassen? Nein, gnädige Frau, ich habe von der ersten Aussprache genug und werde mich Lenore fortan nicht mehr nähern. Wenn sie mir etwas zu sagen hat, wird sie wohl das erste Wort sprechen müssen, denn jetzt ist sie es, die sich an mir schuldig macht.«
»Na, das kann ja gut werden!« seufzte Traude. »Hoffentlich sind Lenores Nerven stark genug, um dem allen, was auf sie einstürmen wird, ohne Schaden standzuhalten. Was meinst du dazu, Reinhard?«
»Ihre Nerven sind durchaus intakt.«
»Und wenn ihr das Herz bricht?«
»Das soll es ja gerade«, blieb er ungerührt. »Ruhig brechen lassen. Dann wird sie schon den Weg zu dem finden, der es mit behutsamen Händen leimen kann.«
»Onkel Reinhard, du bist abscheulich!«
»Aber warum denn, Ilgalein?« tat er scheinheilig. »Ich bin doch an dem allen nicht schuld.«
»Das nicht, aber du hetzt Doktor Skörsen auf.«
»Ilga, werde nicht ungezogen!« tadelte der Vater sie scharf. Da weinte sie auf und lief davon.
»Na, so ein dummes Ding!« brauste der Vater auf, kam jedoch nicht weiter, weil der Sohn mit Pathos die Hände hob und zitierte: »Ach, man fühlt mit siebzehn Jahren leicht der Liebe Lust und Schmerz.«
Da mußten alle lachen, und die patzige Ilga kam um ein Strafgericht herum.
»So, mein lieber Ralf, nun wir alles so hübsch durcheinander gebracht haben, können wir ja wieder gehen«, schmunzelte der kleine Arzt. »Aber wir kommen wieder.«
»Soll das ein Trost sein?«
»Na, was denn sonst, Traudchen? Hauptsächlich für die Nore. Grüß mir ihr Herz!«
»Warum das?«
»Weil es den Gruß besser verstehen wird als das eigenwillige Köpfchen. Denn die beiden stehen jetzt in ach so hartem Streit.«
»Nun geh bloß schon!« schob Gertraude ihn lachend ab. »Sonst verwirrst du uns noch immer mehr mit deinen rätselhaften Worten. Soll ich Lenore auch von Ihnen etwas bestellen. Herr Doktor?«
»Nein, gnädige Frau.«
»Aber – von mir kannst du ihr noch was bestellen, und zwar: Aber das Herz irrte nicht!«
»Wie soll ich das nun wieder verstehen?«
»Du brauchst es nicht. Hauptsache, daß Lenore es versteht.«
Damit ging er endgültig in Ralfs Begleitung davon, und der Bruder sprach ihm warm nach: »Ist doch ein prächtiger Kerl, unser Reinhard. Weißt du auch, daß wir uns ihm gegenüber schämen müssen, Fraule?«
»Warum denn?«
»Weil wir uns viel zu wenig um ihn gekümmert haben. Wie schmerzlich er das entbehrt hat, konnte man heraushören, als er sagte, wie glücklich er doch wäre, daß das Alleinsein für ihn nun endlich ein Ende hätte.«
»Er hat doch nie gesagt, daß er sich einsam fühlt«, entgegnete Traude kläglich.
»Er gehört eben nicht zu den Menschen, die um Liebe betteln. – Aber was ist mit Ihnen los, Schwester Agathe? Sie sind ja völlig verstummt.«
»Das alles kann einem schon die Sprache verschlagen«, seufzte sie. »Ich bin nur etwas neugierig, was der Herr Professor zu dem Entschluß Skörsens sagen wird. Wie gern hätte er den vorzüglichen Arzt wieder im Krankenhaus gehabt.«
»Wenn er vernünftig ist, muß er einsehen, daß Skörsen im Krankenhaus nicht annähernd das geboten werden kann, was ihm mein Bruder bietet. Außerdem hat Rudolf doch Doktor Hörse zur Seite, den er sich als tüchtige Kraft heranbilden kann, während Reinhard in den letzten Jahren mit seinen Ärzten nur Pech hatte.«
»Sie haben schon recht, Herr Doktor, aber schade ist es doch.«
»Auch für Sie?« Er kniff ein Auge zu, da mußte sie lachen.
»Auch für mich. Ich mag den Ralf nun mal gern. Außerdem möchte ich betonen, daß ich an der Grenze der Fünfzig stehe.«
»Das sagt noch gar nichts.«
»Schwester Agathe, nehmen Sie diesen gräßlichen Menschen doch mal bei den Ohren!« entrüstete Gertraude sich, doch der Sohn warnte: »Ei, Mutti, lieber nicht, der Paps befindet sich im gefährlichen Alter.«
»Na, warte bloß, du Schlingel!« fiel Hermann in das hellklingende Lachen der Damen ein. »Ich weiß ja nun nicht, wer von uns beiden sich im gefährlicheren Alter befindet.«
»Worüber lacht ihr denn so?« stürmte Ilga herbei, während Lenore langsamer folgte. »Wo sind denn die beiden Herren?«
»Zutiefst gekränkt davongegangen.«
»Etwa meinetwegen?« fragte Ilga erschrocken.
»Na, weshalb denn sonst?«
»Paps, du willst mich bloß ärgern. Du bist genauso wie …«
»Ähmmm?«
»Mit dir ist ja heute nicht zu reden. Komm, Nore, wir gehen baden!«
»Aber kühlt euch nicht zu sehr die Herzchen ab. Apropos Herz – Onkel Reinhard läßt das deine grüßen, Lenore.«
»Wie soll ich das verstehen, Onkel Hermann? Was sagte er denn?«
»Aber das Herz irrte nicht.«
Zuerst sah sie ihn verblüfft an, doch dann flog ihr Kopf in den Nacken.
»Wenn sich da der Herr Doktor nur nicht irrt. Komm, Ilga!«
Als sie gegangen war, zwinkerte der Tierarzt der Gattin zu.
»Siehst du, Traudchen, wie rasch die Kleine den Sinn erfaßte. Wetten, daß sie sich von dem guten Psychiater durchschaut fühlt?«
»Auch noch wetten. Nein, lieber Mann, dafür ist die ganze Sache denn doch zu verworren. Ich muß mal so richtig kombinieren.«
»Dann reiße ich aus!« Er sprang lachend auf. »Kommst du mit, Gunther?«
»Wenn du auf Praxis fährst, allemal.«
Getreulich zogen sie von dannen, und es war ein liebevoller Blick, den Gertraude ihnen nachschickte. Agathe, die ihn bemerkte, sagte lächelnd: »Wie schön, wenn Vater und Sohn so ein Herz und eine Seele sind. Sehr oft findet man das leider nicht. Ihre beiden Kinder sind überhaupt gut geartet, Frau Hollgart.«
»Darüber bin ich auch glücklich. Bis jetzt haben uns die beiden noch keine trübe Stunde bereitet. Hoffentlich bleibt das so. Es geht uns überhaupt beneidenswert gut, dem Herrgott sei Dank dafür.«
*
Für Lenore begann nun eine Zeit, wo sie sich selbst nicht begriff. Von Ralf wollte sie nichts wissen – und sehnte ihn dennoch herbei. War sie mit ihm zusammen, verhielt sie sich ablehnend, war er wieder fort, tat es ihr leid.
Und sie traf fast täglich mit ihm zusammen, und zwar in Friedberg, wohin