Perry Rhodan Neo Paket 1: Vision Terrania. Hubert HaenselЧитать онлайн книгу.
Pounder.
»Pounder!« Einen Augenblick verharrte Mercant, verblüfft über den Besucher, den er als Letztes erwartet hätte. Pounder hatte keinen Draht zu Homeland Security. War er ein Gefangener wie er selbst? Nein, dazu wirkte Pounder zu selbstbewusst. Er bewegte sich zu bestimmt, wie ein Mann, der eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hat.
Mercant schnellte hoch. Er hatte über die Jahre gelernt, dass nur derjenige überlebte, der das Heft des Handelns entschlossen in die Hand nahm. »Pounder! Gut, dass Sie hier sind! Sie müssen ...«
Pounder schnitt ihm das Wort mit einer entschlossenen Handbewegung ab. »Sparen Sie sich Ihre Beteuerungen, Mercant. Ich habe nicht viel Zeit.«
Pounder bedeutete ihm, wieder Platz zu nehmen. Mercant tat es. Langsam, um Pounder nicht mit einer schnellen Bewegung zu erschrecken – und um sein Gegenüber zu mustern. Was wollte Pounder von ihm? Der Flight Director der NASA war unbewaffnet. Mercant würde ein einziger Moment der Unaufmerksamkeit genügen. Mit einem Sprung würde er bei Pounder sein und die Hände um seine Kehle schließen ...
»Ich bin gekommen«, sagte Pounder, »um Ihnen mitzuteilen, dass Ihre Aktivitäten nicht unbemerkt geblieben sind.«
»Das dachte ich mir bereits.« Mercant versuchte sich an einem Lächeln. Hatte er sich in dem alten Mann getäuscht? Hatte Pounder ihn an das Ministerium verraten und war jetzt gekommen, um sich an seinem Anblick als Gefangener zu weiden?
»Homeland Security hatte bereits länger ein Auge auf Sie geworfen«, sagte Pounder. »Das Ministerium hat Ihnen nicht vertraut.«
»Das Ministerium vertraut niemandem.« Nein, entschied Mercant. Weder in Pounders Stimme noch in seiner Mimik, noch in seiner Haltung lag auch nur ein Anflug von Häme. Nur Spannung und Ernst. Und Erwartung?
»Das ist richtig. Aber wir beide wissen auch, dass das Auge des Ministeriums getrübt ist. Zu viele Leute, zu viele Abteilungen, zu viele Eifersüchteleien, zu viele einander überlappende Zuständigkeiten. Schlimmer als die NASA, auch wenn man sich das nur schwer vorstellen kann.« Pounder schüttelte tadelnd den Kopf. »Homeland Security hat Sie seit langer Zeit im Verdacht, und dieser Verdacht hat in den vergangenen Stunden eine gewisse Schwelle überschritten. Also hat man Sie aus dem Weg geräumt. Eine Lappalie, auf die man in diesen Stunden keine unnötige Kraft verschwenden will. Deshalb sind Sie hier, deshalb leben Sie noch, Mercant. Wüsste das Ministerium, was Sie tatsächlich getan haben, wäre das nicht der Fall.«
»Sie wissen es?«, fragte Mercant. Also war es nicht Pounder gewesen, der ihn hatte verhaften lassen. Was aber wollte er dann hier in der Zelle, bei einem Verräter? Der Besuch konnte Pounder Kopf und Kragen kosten.
»Natürlich.« Pounder lächelte wie ein Junge, dem ein besonders gelungener Streich geglückt ist. »Bei NORAD geschehen erstaunliche Dinge, hört man. Die Raketenabwehr ist in Unordnung. Allgemeine Alarmbereitschaft wurde angeordnet. Aber es ist merkwürdig. Eine erhebliche Anzahl von Batterien meldet Ausfälle an Raketen. Softwarestörungen legen einen weiteren Teil lahm. Und ist nicht verwunderlich, dass gerade jetzt, da gleich mehrere Konflikte auf der Erde überzukochen drohen, an vielen Standorten unaufschiebbare Wartungsarbeiten stattfinden? Es ist wie verhext. Und ich glaube zu wissen, wer hinter dieser Hexerei steckt. Sie, Mercant.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Ich habe meine Kontakte. Wissen Sie, bei unserem letzten Gespräch haben Sie mir von der Welt der Geheimdienste vorgeschwärmt. Dass es dort Menschen gäbe, die über den Tellerrand des menschlichen Vorurteils hinaussehen könnten. Eine Gemeinschaft, die über die willkürlichen Grenzen von Nation, Rasse oder gesellschaftlichem Stand hinausgeht. Nun, Ihre Gemeinschaft ist nicht die einzige ihrer Art.«
Pounder machte einen Schritt auf Mercant zu, so nahe, dass der Agent ihn mit einem Sprung hätte erreichen können. Aber Mercant dachte nicht mehr daran, Pounder anzugreifen.
»Ich war mein Leben lang ein Raketenmann«, fuhr Pounder fort. »Als Kind habe ich die erste Mondlandung im Fernsehen verfolgt. Ich habe drei Tage lang kaum geschlafen. Ich spürte, dass vor meinen Augen Geschichte gemacht wurde. Und ich spürte auch, dass etwas nicht stimmte, als Armstrong die amerikanische Flagge hisste. Die Sterne sind zu groß und zu wichtig, als dass Nationen über sie bestimmen sollten. Verstehen Sie?«
Mercant nickte nur. Er wollte den Redefluss seines Gegenübers nicht unterbrechen.
»Wenn Sie wollen, können Sie mich einen Verrückten nennen«, sagte Pounder. »Einen Spinner, der sich nicht damit abfinden wollte, dass dieses elende, mühselige Dasein alles ist, was es für Menschen gibt. Ich habe immer davon geträumt, zu den Sternen zu reisen. Menschen wie mich gibt es nur wenige. Über den Globus verteilt vielleicht ein paar Tausende. Und was glauben Sie, wo man diese Verrückten findet?«
»Bei den Raumfahrtprogrammen?«, erriet Mercant das Offensichtliche.
»Ja. Aber nicht nur dort. Die Raumfahrt wird von den Regierungen der Erde nicht geliebt. Man lässt uns am ausgestreckten Arm langsam verhungern. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche. Beim Militär sieht die Sache anders aus. Die Militärs der Erde schwimmen im Geld. Und so kommt es, dass viele der Weltraumverrückten schließlich bei ihnen landen – nach außen hin sind sie gute Soldaten und Patrioten. Aber in Wirklichkeit denken Sie ganz anders ...«
»Und sie handeln entsprechend?«
»In diesem Moment, ja.« Pounder nickte. »Ihre Empörung lässt ihnen keine andere Wahl. Sie hatten mit Ihrer Warnung recht, Mercant. Homeland Security kennt nur Angst, kennt als einzige Reaktion auf Fremdes die sofortige Vernichtung. Das Ministerium hat tatsächlich eine Atombombe in das Kettenfahrzeug der STARDUST geschmuggelt ...« Pounder ballte die Hände. »Diese Dummköpfe, sie hätten uns alle in den Untergang gerissen! Aber dank Ihrer Warnung konnte ich Rhodan verständigen – und er hat gehandelt. Die STARDUST befindet sich in diesem Augenblick im Anflug auf die Erde.«
Die Eröffnung raubte Mercant den Atem. Die STARDUST kehrte zurück. Also war die Bombe nicht explodiert. Also hatte Perry Rhodan es geschafft, Kontakt mit den Außerirdischen aufzunehmen ... Mercant räusperte sich. »Das ist großartig, Pounder!«, brachte er hervor.
»Ja, aber leider nicht großartig genug. Rhodan hat nur die erste Sprosse einer Leiter genommen, der noch unzählige weitere folgen. Also haben wir Weltraumverrückte gehandelt. Meine Freunde teilen mir mit, dass in diesen Stunden, in denen der Weltfrieden am seidenen Faden hängt, die Raketenabwehr der Vereinigten Staaten faktisch entblößt ist. Wenn zum Beispiel ein Schiff aus dem All auf der Erde zu landen suchte und, sagen wir einmal, es das Manöver nicht wie vorgesehen durchführte, wäre die Regierung so gut wie machtlos. Und das ist Ihr Werk, Mercant. Sie sind ein Verräter an Ihrer Nation.«
Verräter ... Klang Anerkennung in Pounders Stimme mit? Oder bildete er es sich nur ein und es war Abscheu? Mercant räusperte sich, um Zeit zu gewinnen, um sich eine passende Antwort zurechtzulegen.
Er benötigte sie nicht. »Doch es scheint, dass Sie nicht der einzige Verräter sind, Mercant«, sagte Pounder. »Wissen Sie, wir Weltraumverrückte sind eine Gemeinschaft, die über alle nationalen, ethnischen oder weltanschaulichen Grenzen hinweggeht. Sie reicht auch in die Volksrepublik China und nach Großrussland. Ich weiß besser als Homeland Security und alle Geheimdienste unseres Landes darüber Bescheid, was dort vorgeht. Und es sind seltsame Dinge, die dort vorgehen: Auch dort sind die Raketenabwehren faktisch lahmgelegt, als habe es in diesen Ländern einen Verräter wie Allan Mercant gegeben.«
Pounder wusste Bescheid. Es hatte keinen Zweck mehr, sich unwissend zu geben. »Die Verräter hatten offenbar Erfolg«, sagte Mercant, ohne sich die Mühe zu geben, seine Freude zu verbergen.
»Ja und nein. Die Abwehren sind lahmgelegt, ja. Doch zu einem hohen Preis. Vor einer Stunde wurde in Peking ein ranghoher Geheimdienstoffizier vor ein Standgericht gestellt, des Hochverrats für schuldig befunden und umgehend erschossen. Sein Name war Li De.« Pounder schwieg einen Augenblick, um Mercant die Gelegenheit zu einer Reaktion zu geben. Als Mercant schwieg, fuhr er fort: »Das ist leider noch nicht alles. In diesem Augenblick wird in den Kellern der Moskauer Lubjanka ein FSB-Offizier verhört. Sein Name ist Medwenkow. Ich bezweifle, dass