Zum Kontinent des eisigen Südens. Erich von DrygalskiЧитать онлайн книгу.
des 5. und definitiv am 6. Oktober die Wendung des »Gauß« von Ascension ab zu dem direkten Kurs auf Kapstadt.
Am 5. Oktober haben wir den Geburtstag Dr. Bidlingmaiers gefeiert, und zwar zunächst mit einem Ständchen am frühesten Morgen. Auf dem magnetischen Tisch auf der Kommandobrücke waren Geschenke aufgebaut, und abends folgte ein solenner Kommers, wobei uns freundliche Spenden der Greifswalder Geographischen Gesellschaft vortrefflich gemundet haben und trotz der starken Hitze zum ersten Mal im Salon zu längerer froher Feier zusammenhielten.
Der folgende Teil der Fahrt wurde trotz der flauen Winde fast ganz unter Segeln zurückgelegt und ging deshalb langsam vonstatten. Maßgebend hierfür ist der Gesichtspunkt gewesen, nicht zu viel Kohlen zu verbrauchen.
So nutzten wir die unfreiwilligen Verzögerungen zu wissenschaftlichen Arbeiten aus, so gut es ging, und hatten hierbei den Vorteil, Erfahrungen sammeln zu können.
Zum Loten wurde immer die Sixbeemaschine benutzt, für deren Elektromotor jedoch die elektrische Kraft des »Gauß« nicht ausreichend war, sodass an seine Stelle bis Kapstadt die hintere Dampfwinde und von dort an eine kleine eigene Dampfmaschine treten musste. Bald war in den Lotungen völlige Fertigkeit erreicht, sodass wir Tiefen von 5000 m und darüber alles in allem in wenig über eine Stunde Zeit erloten konnten.
Über der Schlammröhre wurden an dem Vorläufer ein Thermometer und ein Wasserschöpfer befestigt. Als Thermometer wurden hauptsächlich die Kippthermometer von Negretti und Zambra in London verwandt. Als Wasserschöpfer bei den Lotungen haben wir das bekannte Modell von Sixbee benutzt.
Eine andere Klasse von Arbeiten, die wir im Südatlantik vornahmen, waren biologischer Art. Hier wurden Schließnetze verwandt, welche dazu bestimmt sind, bestimmte Wassersäulen in der Tiefsee zu durchfischen, um so die Abstufungen der Tierwelt mit der Tiefe erkennen zu können.
Außerdem gebrauchten wir Vertikalnetze von 1, 2 und 2 ½ m Durchmesser der oberen Öffnung sowie ein besonders großes Horizontalnetz von 9 m Durchmesser. Rote Krebse der Tiefsee zeigten sich schon in 600 m Tiefe, während die schwarzen, der Tiefsee eigentümlichen Fische erst bei 800 m zu beginnen pflegten, aber gelegentlich dann auch bei nächtlichen Fischzügen an der Oberfläche gefangen wurden.
Ein anderer wichtiger Teil unserer damaligen Arbeiten war das Studium der erdmagnetischen Verhältnisse, welches von Dr. Bidlingmaier mit einer Vollständigkeit und Sicherheit durchgeführt wurde, wie es sonst wohl noch nicht geschehen ist.
Zur Verfügung standen für die Seebeobachtungen zwei Apparate. Das Deviationsmagnetometer ist ein rohes Instrument, aber eben darum zu Beobachtungen auf dem schwankenden Schiff geeignet. Mit ihm wurde die magnetische Deklination bestimmt, d. h. der Winkel zwischen der Richtung der Magnetnadel und der Richtung des Meridians, zweitens die sogenannte Horizontalintensität oder die Größe der Kraftart, mit welcher die Magnetnadel sich in ihre horizontale Richtung einstellt, und drittens mit dem zugehörigen Inklinatorium auch die magnetische Inklination oder derjenige Winkel, um welchen die Richtung der Magnetnadel bei freier Aufhängung gegen den Horizont geneigt ist.
Das Vertikalnetz kommt empor.
(Quelle: Drygalski-Nachlass, Privatbesitz Mörder, Feldkirchen-Westenham)
Das zweite Instrument, der Lloyd-Creak, diente ebenfalls dazu, die Inklination zu messen. Ferner wurde mit dem Lloyd-Creak auch die Totalintensität gemessen, d. h. diejenige Kraft, mit welcher eine Magnetnadel von der Stärke 1 in die Richtung der magnetischen Kraftlinien im Raum hineingezogen wird.
Die Beobachtungsmethoden für alle Elemente gehen im Allgemeinen einmal dahin, dass man die wirkliche Ruhelage der Magnetnadel an der Skala festzustellen versucht, indem man eine Reihe von Ablesungen macht und aus denselben das Mittel bildet, und zweitens dahin, dass man die Magnetnadel in Schwingungen versetzt, mit denen sie um ihre Ruhelage hin- und herpendelt, und aus der Dauer dieser Schwingungen die Gleichgewichtslage herleitet.
Für die Deklinationsbestimmungen waren außerdem immer gleichzeitige Bestimmungen des astronomischen Meridians erforderlich, die mithilfe der Sonne ausgeführt wurden, indem man die Richtung der Magnetnadel mit der Richtung des Schattens verglich, welchen ein auf die Mitte der Magnetnadel aufgesetzter Stift warf, und so den Winkel ermittelte, welchen die Magnetnadel jeweilig mit der Richtung der Sonne zu einer bestimmten Zeit bildete, woraus man die Richtung gegen den Meridian herleiten konnte.
Die Intensitäten, sowohl die Horizontal- wie die Vertikal- und die Totalintensität wurden dadurch bestimmt, dass man die Magnetnadeln aus bestimmten Entfernungen durch andere Magnete von in der Heimat bestimmter, also bekannter Kraftwirkung aus ihrer Richtung ablenkte, in die sie sich unter dem Einfluss des Erdmagnetismus in der horizontalen bzw. in den vertikalen Ebenen einstellen wollten, und aus der Größe dieser Ablenkung die betreffenden Kraftgrößen des Erdmagnetismus erschloss.
Wenn es gelungen ist, die Werte der erdmagnetischen Elemente längs der ganzen Route des »Gauß« zu verfolgen, so ist es der Tatkraft zu verdanken, welche Herr Dr. Bidlingmaier entwickelt hat, indem ihn nichts bewegen konnte, von den Beobachtungen abzulassen, bevor sie ein Ergebnis gezeitigt hatten.
Von Tag zu Tag mehrte sich nun das Vogelleben. Besonders häufig war ein dunkler Sturmvogel. Bald kamen auch Kaptauben und vor allem Albatrosse in wachsender Zahl. Am 30. Oktober wurde der erste Albatros durch Dr. Gazert erlegt, während das Schiff zum Loten stilllag.
Als der gewaltige Vogel an Deck lag, hatte man zunächst das Gefühl einer traurigen Verwüstung, die der Mensch hier angerichtet hat. Als er dann aber nach allen Richtungen hin untersucht wurde, schwand dieses Gefühl vor dem großen Interesse, welches diese Untersuchungen hatten.
In den Rossbreiten, die wir Ende Oktober unter Dampf durchquerten, hatten wir immer bedeckten Himmel, unstete Winde, vielfach auch Regen. Ähnlich war es in den Westwindregionen, in die wir südlich davon eintraten, um nun schnelle Fahrt bis Kapstadt zu haben.
Unser Leben an Bord war so eingeteilt, dass wir zwischen sechs und sieben Uhr ein erstes Frühstück in Gestalt von Kaffee oder Kakao genossen, und zwar jeder für sich. Um acht Uhr folgte ein gemeinsames Frühstück in den beiden Messen, wobei ein warmes Gericht sowie etwas Käse und Marmelade gereicht wurden; zu den warmen Gerichten gehörten Makkaroni mit Beilage, Bohnen mit Speck, Rührei, aus getrocknetem Eipulver hergestellt, und durchschnittlich zweimal pro Woche schottische Hafergrütze, was bei manchem freilich Missbehagen erregte; dazu wurde Tee getrunken. Um 12 ½ Uhr aßen wir Mittag, das aus einer Suppe und einem Fleischgericht mit Gemüse bestand, wozu später im Eis, als die ruhige Lage des Schiffes den Künsten des Kochs keine Schwierigkeiten mehr bereitete, noch eine Mehlspeise trat, die sehr gern gegessen wurde. Während der Hinreise tranken wir und die Mannschaft dazu einen leichten Fasswein.
Als dieser Vorrat bald nach unserem Einschluss im Scholleneis verbraucht war und wir zu unseren Flaschenvorräten übergehen mussten, tranken wir Wein zu Mittag nur zweimal in der Woche wie auch die Mannschaft; an den übrigen Tagen pflegten wir Wasser mit Zitronensaft, Juchhei genannt, zu trinken, was wohl Spottlust erregte, dann aber allgemein ganz gern gebraucht wurde; zeitweilig trat an dessen Stelle auch Ingwerbier. Gewöhnlich des Nachmittags um drei Uhr tranken wir Kaffee oder Kakao, entweder jeder für sich oder in Kreisen, in welchen man sich dazu an verschiedenen Orten zusammenfand. Abends um Uhr war gemeinschaftliches Abendessen, bei dem wir ein warmes Gericht und kalten Aufschnitt nahmen und dazu wieder Tee tranken.
Unser Alkoholverbrauch war in der ganzen Zeit gering. Er bestand nach Erledigung der anfänglichen Fassvorräte in der Darbietung von Wein an zwei Tagen der Woche zum Mittagessen, in einer halben Flasche Bier am Sonntagabend und späterhin im Polareis noch in einer Darreichung von Grog an zwei Abenden. Durchbrochen wurden diese regelmäßigen Gewohnheiten durch die Feste, deren wir eins bis zwei in jedem Monat hatten, indem Geburtstage, nationale Gedenktage, Weihnachten, Ostern, Pfingsten und sonstige Gelegenheiten den Anlass gaben.
Der große Albatros
(Quelle: Drygalski-Nachlass,