Stolz und Vorurteil. Джейн ОстинЧитать онлайн книгу.
erwiderte Wickham, »denn seine ganze Handlungsweise wird doch sonst von diesem Stolz beherrscht, und der Stolz hat sich oft als sein bester Freund bewiesen; keine andere Regung hätte es je vermocht, ihn auf der geraden Bahn zu halten. Aber wir sind alle zu Zeiten unberechenbar, und sein Verhalten gegen mich wurde eben von einem noch stärkeren Gefühl bestimmt, als es sein Stolz ist.«
»Dieser abscheuliche Hochmut sollte sein Freund gewesen sein?«
»Ja, denn er hat es bewirkt, dass Darcy häufig freigebig und großzügig auftritt. Dann gibt er den Bedürftigen mit vollen Händen, unterhält ein gastfreundliches Haus, erlässt seinen Mietern die Zahlung und hilft den Armen. Familienstolz ist das und auch Sohnesstolz; denn er ist sehr stolz auf die Stellung, die sein Vater einnahm. Der Wunsch, der Familie Ehre zu machen und der eigenen Beliebtheit keinen Abbruch zu tun, ist eine starke Triebkraft. Er besitzt auch noch einen Bruderstolz, der ihn zusammen mit einer gewissen brüderlichen Liebe zu einer starken Stütze seiner Schwester macht; Sie werden von ihm nie anders als von einem guten und liebevollen Bruder sprechen hören.«
»Wie ist Miss Darcy?«
Wickham schüttelte den Kopf.
»Ich wünschte, ich könnte antworten: sehr liebenswert. Es schmerzt mich tief, von einer Darcy nichts Gutes sagen zu können. Aber sie ähnelt ihrem Bruder zu sehr; sie ist stolz, allzu stolz. Als Kind war sie freundlich und zutraulich und mir äußerst zugetan; aber jetzt ist sie mir ganz fremd geworden. Sie sieht gut aus, ist etwa sechzehn Jahre alt und, so viel ich gehört habe, sehr gebildet. Seit dem Tode ihres Vaters wohnt sie in London bei einer Dame, die ihre Erziehung leitet.«
Sie versuchten danach, von diesem und jenem zu reden, aber nach einer längeren Pause kehrte Elisabeth zu dem Thema zurück, das sie am meisten beschäftigte.
»Wie mag es nur kommen, dass Mr. Bingley, der doch die Liebenswürdigkeit in Person ist, sich zu einem solchen Menschen hingezogen fühlt? – Kennen Sie Mr. Bingley?«
»Nein, gar nicht.«
»Er ist ein reizender, geselliger und fröhlicher Mensch. Ob er Mr. Darcy vielleicht noch nicht durchschaut hat?«
»Das ist sehr gut möglich. Mr. Darcy versteht sich darauf, gefällig zu erscheinen, wenn er sich etwas davon verspricht. An Fähigkeiten mangelt es ihm ja durchaus nicht. Er kann ein unterhaltsamer Gesellschafter sein, wenn es sich für ihn lohnt. Unter seinesgleichen ist er ja ein ganz anderer Mensch, als wenn er mit Leuten zusammen ist, denen er sich überlegen fühlt. Sein Dünkel bleibt immer der gleiche; aber unter Umständen hält er es für richtig, je nachdem den Freimütigen, den Rechtlichen, den Ernsten, den Vernünftig-Kalten und sogar den Liebenswürdigen zu spielen: das richtet sich ganz nach der Stellung und dem Vermögen des anderen.«
Bald darauf ging die Partie Whist zu Ende, und die Spieler versammelten sich um den Lottotisch; Mr. Collins nahm zwischen Elisabeth und Mrs. Philips Platz. Viel Glück habe er nicht gehabt, vertraute er seiner Gastgeberin auf ihre höfliche Nachfrage hin an; das heißt, er habe nicht ein einziges Spiel gemacht. Aber als Mrs. Philips ihn deshalb bedauerte, versicherte er ihr mit großer Würde, das spiele gar keine Rolle, Geld bedeute ihm nichts; er bäte sie, sich deshalb keine Gedanken zu machen.
»Ich bin mir dessen wohl bewusst«, sagte er, »dass man mit den Launen des Spiels rechnen muss, wenn man sich an einen Kartentisch setzt. Glücklicherweise erlaubt mir mein Einkommen, einen Verlust von fünf Schilling als nicht der Rede wert zu erachten. Zweifellos gibt es manch einen, der nicht dasselbe von sich sagen könnte, aber dank Lady Catherines Güte bin ich nunmehr in weitestem Maße der Notwendigkeit enthoben, auf Kleinigkeiten achthaben zu müssen.« Wickham horchte auf; er betrachtete Mr. Collins einige Augenblicke und wandte sich dann leise an Elisabeth mit der Frage, ob ihr Verwandter in näheren Beziehungen zur Familie de Bourgh stehe.
»Lady Catherine hat ihm kürzlich eine Pfarre verschafft«, entgegnete Elisabeth. »Wie sie auf Mr. Collins gekommen ist, weiß ich nicht; aber lange hat er sie bestimmt noch nicht gekannt.«
»Sie wissen doch wohl, dass Lady Catherine de Bourgh und Lady Anne Darcy Schwestern waren? Dass sie also die Tante des jungen Mr. Darcy ist?«
»Nein, das habe ich nicht gewusst. Ich kannte Lady Catherine überhaupt nicht, bis ich vorgestern zum ersten Mal ihren Namen hörte.«
»Miss de Bourgh wird ein ausgedehntes Vermögen erben, und man nimmt allgemein an, dass sie und ihr Vetter einmal ihren Herrschaftsbesitz vereinigen werden.«
In Gedanken an Miss Bingley musste Elisabeth bei diesen Worten lächeln: wie eitel waren ihre Bemühungen und ihre Schmeicheleien, wenn er sich schon für eine andere entschieden hatte!
»Mr. Collins spricht zwar mit den wärmsten Worten sowohl von Lady Catherine wie von ihrer Tochter«, sagte sie. »Aber ich habe den Verdacht, dass die Dankbarkeit sein Urteil getrübt hat; denn nach allem, was ich gehört habe, scheint sie mir eine eingebildete, hochmütige Frau zu sein.«
»Ja, das ist sie beides in einem nicht geringen Maße«, erwiderte Wickham. »Ich habe sie jetzt viele Jahre lang nicht mehr getroffen, aber ich erinnere mich, dass ich sie nie geschätzt habe und dass ihr Auftreten herrisch und unhöflich war. Sie steht in dem Rufe, ungewöhnlich klug und erfahren zu sein; aber ich nehme an, dass dieser Ruf zur Hauptsache auf ihrer Stellung und auf ihrem Reichtum beruht, zum Teil auch auf ihrem hochmütigen Wesen. Vielleicht hat nur ihr Neffe sie mit all den guten Eigenschaften ausgestattet, da er es ja nicht ertragen kann, dass irgendjemand, der mit ihm verwandt ist, nicht für ungewöhnlich und überragend gilt.«
Elisabeth fand, dass diese Erklärung sehr gut mit ihrer eigenen Ansicht übereinstimmte, und sie setzten das Gespräch angeregt fort, bis das Essen dem Lottospiel ein Ende machte und den anderen Damen Gelegenheit gab, auch ein wenig von Mr. Wickhams angenehmer Gesellschaft zu profitieren. Von Unterhaltung konnte zwar bei Mrs. Philips’ Abendgesellschaften nicht die Rede sein, dazu ging es immer zu ausgelassen und laut zu, aber Wickhams Auftreten und Benehmen genügte, um ihm die Beachtung aller Anwesenden zu sichern. Was er sagte, war geschickt ausgedrückt; und was er tat, wurde mit weltmännischer Eleganz getan.
Elisabeth hatte auf dem Heimweg keinen anderen Gedanken im Kopf als an ihn. An ihn und an das, was er ihr erzählt hatte; aber es bot sich ihr keine Möglichkeit, auch nur seinen Namen auszusprechen, denn weder Lydia, noch Mr. Collins waren einen Augenblick ruhig. Lydia redete in einem fort von Lottokarten und von dem, was sie gewonnen und was sie wieder verloren hatte. Und Mr. Collins, der sich bemühte, in einem Atem Mrs. Philips’