Gesammelte Werke von Sir Arthur Conan Doyle: 52 Krimis & Historische Romane in einem Band. Arthur Conan DoyleЧитать онлайн книгу.
lauschend stehen, rang nochmals verzweifelnd die Hände und verschwand dann plötzlich und geräuschlos, wie sie gekommen war.
Bald darauf trat Oberst Lysander Stark und ein kleiner, dicker Herr bei mir ein, dessen spärlicher Bart aus den Falten seines Doppelkinns herauswuchs, und der mir als Herr Ferguson vorgestellt wurde.
›Dies ist mein Sekretär und Geschäftsführer‹, sagte der Oberst. ›übrigens glaubte ich bestimmt, diese Tür vorhin fest geschlossen zu haben. Es ist mir leid, es hat Ihnen sicher sehr hereingezogen?‹
›Im Gegenteil‹, antwortete ich, ›ich selbst habe die Tür geöffnet, weil mir die Luft hier im Zimmer etwas dumpf vorkam.‹
Er warf mir einen unruhigen Seitenblick zu. ›Wir wollen nun gleich an das Geschäft gehen. Herr Ferguson und ich werde Ihnen jetzt die Maschine zeigen.‹
Ich griff nach meinem Hut, um ihn aufzusetzen.
›Oh, das ist nicht nötig‹, wehrte der Oberst ab, ›sie befindet sich im Hause.‹
›Wie, Sie bohren im Hause nach Walkererde?‹
›Das nicht, wir pressen sie nur im Hause. Doch das gehört nicht zur Sache. Wir möchten Sie nur bitten, die Maschine zu untersuchen und uns auseinanderzusetzen, wo der Fehler steckt.‹
Wir gingen zusammen nach oben, zuerst der Oberst, dann der korpulente Geschäftsführer und zuletzt ich. Das alte Haus war ein wahres Labyrinth von Winkeln und Gängen, engen Wendeltreppen und kleinen, niedrigen Türen, deren Schwellen im Laufe der Zeit von ganzen Generationen tief ausgetreten waren. Nirgends eine Spur von Tapeten oder Möbeln, von den Wänden war die Bekleidung teilweise abgebröckelt, während sich die Feuchtigkeit in grünlich schillernden Stellen darauf niedergeschlagen hatte. Ich bemühte mich, so unbefangen wie möglich auszusehen, aber mir klangen noch immer die unbeachtet gelassenen Warnungen der Dame im Ohr, und ich behielt meine beiden Gefährten scharf im Auge.
Ferguson schien mir ein mürrischer, schweigsamer Mann, doch aus seinen wenigen Äußerungen entnahm ich, daß er mein Landsmann sei. Oberst Lysander Stark hielt jetzt vor einer niedrigen Tür, die er aufschloß. Sie führte in einen kleinen, rechtwinkligen Raum, in welchem wir drei kaum zu gleicher Zeit Platz hatten. Eine Lichtleitung schien nicht darin, denn der Oberst entzündete eine Petroleumlampe, die vor der Tür an einem Haken gehängt hatte. Ferguson blieb draußen, und der Oberst forderte mich auf, einzutreten.
›Wir befinden uns jetzt in der hydraulischen Presse‹, sagte er, ›und es könnte für uns sehr unangenehm werden, wenn sie plötzlich jemand in Bewegung setzen wollte. Die Decke dieser kleinen Kammer wird nämlich von dem Ende des niedergehenden Kolbens gebildet, der mit ungeheurer Gewalt auf den metallenen Fußboden schlägt. Außen sind seitlich enge Wasserröhren angebracht, durch welche die Kraft aufgenommen und in der Ihnen bekannten Weise verstärkt und fortgepflanzt wird. Die Maschine funktioniert sonst tadellos, aber jetzt scheint ein Hemmnis den Gang zu erschweren und die Kraft zu vermindern. Vielleicht haben Sie die Güte, einmal nachzusehen, wie die Sache wieder in Ordnung gebracht werden könnte.‹
Ich nahm ihm die Lampe ab und untersuchte die Maschine sehr sorgfältig. Sie hatte geradezu riesige Dimensionen und mußte einen enormen Druck erzeugen. Doch als ich draußen die Hebel niederdrückte, welche sie in Gang setzten, belehrte mich sofort der eigentümlich zischelnde Ton, daß sich irgendwo ein Leck gebildet haben mußte, das ein Wiederausströmen des Wassers durch einen der Seitenzylinder verursachte. Eine genauere Prüfung bestätigte dies auch bald; einer der Kautschukreifen am oberen Ende der Triebstange war schadhaft geworden und konnte deshalb den Zylinder, in dem sie auf-und niederging, nicht mehr luftdicht abschließen. Dadurch ließ sich die Verminderung der Kraft leicht erklären; ich setzte dies meinen beiden aufmerksamen Zuhörern auseinander und belehrte sie zugleich eingehend über die Abstellung dieses Übelstandes. Darauf kehrte ich noch einmal in den Hauptraum zurück, hauptsächlich um meine eigene Neugierde zu befriedigen. Daß die Erzählung von dem Pressen der Walkererde nur ein Märchen war, hatte ich auf den ersten Blick gesehen; es wäre ja unvernünftig gewesen, für einen so unbedeutenden Zweck solche Riesenmaschine zu verwenden. Die Wände bestanden aus Holz, doch den Boden bildete eine große, eiserne Platte, die völlig mit einer Kruste von metallischen Abfällen bedeckt war. Ich kniete nieder und versuchte, ein wenig davon abzukratzen, um mich genauer von dem Bestand zu überzeugen, als ich hinter mir einen Ausruf hörte und das gespensterhafte Antlitz des Obersten sich zu mir herabbeugen sah.
›Was machen Sie denn da?‹ fragte er.
Ich fühlte einen heftigen Groll in mir aufsteigen, daß man es versucht hatte, mich so hinters Licht zu führen. ›Ich bewundere nur Ihre Walkererde‹, antwortete ich, ›wahrscheinlich wäre es mir leichter geworden, Ihnen einen Rat wegen Ihrer Maschine zu erteilen, wenn ich ihren wirklichen Zweck gekannt hätte.‹
Augenblicklich bereute ich, daß mir diese Worte entschlüpft waren. Sein Gesicht versteinerte sich förmlich, seine grauen Augen funkelten mich unheilverkündend an.
›Dann tue ich wohl besser daran, Sie in alles einzuweihen,‹ sagte er. Er machte einen Schritt rückwärts, schlug die kleine Tür zu und drehte den Schlüssel um. Ich stürzte mich darauf und rüttelte an dem Griff, aber das Schloß rührte sich nicht und gab nicht im geringsten meinen verzweifelten Anstrengungen nach. ›Hallo!‹ schrie ich gellend, ›hallo! Oberst Stark! Öffnen Sie sofort!‹
Plötzlich aber klang durch die Stille ein Ton, der mein Herz vor Schrecken stillstehen ließ. Es war das Geklirr der Hebel und das Zischen des schadhaften Zylinders. Großer Gott! Er hatte die Maschine in Gang gesetzt! Die Lampe stand noch auf dem Boden, den ich hatte untersuchen wollen. Bei ihrem Licht konnte ich deutlich erkennen, wie sich die schwarze Decke über mir senkte, langsam, ruckweise, aber keiner wußte besser als ich, mit wie furchtbarer Kraft; in der nächsten Minute mußte ich zu einem formlosen Brei zerstampft sein. Ich warf mich stöhnend gegen die Tür und zerrte mit meinen Nägeln am Schloß. Ich beschwor den Obersten, mir zu öffnen, doch mein Flehen wurde durch das erbarmungslose Rasseln draußen übertönt. Jetzt befand sich die Decke nur noch ein bis zwei Fuß über meinem Kopf, mit ausgestreckter Hand konnte ich ihre harte, rauhe Oberfläche fühlen. Und wie ein Blitz durchzuckte mich der Gedanke, daß ich mir den Todeskampf vielleicht durch meine Lage erleichtern könnte. Würde ich mich auf das Gesicht legen, so würde mir zuerst das Rückgrat zerbrochen werden. Bei dem Gedanken daran überliefen mich kalte Schauer. Legte ich mich aber auf den Rücken, würde ich dann die Kraft haben, diesen tödlichen, schwarzen Koloß auf mich herabkommen zu sehen? Schon war es mir unmöglich geworden, aufrecht zu stehen, da wurde mein Herz plötzlich von neuer Hoffnung erfüllt. Wie schon erwähnt, bestanden nur Decke und Boden aus Eisen, die Wände waren aus Holz. Als ich mich noch einmal verzweifelt nach Rettung umschaute, bemerkte ich zwischen zwei Brettern einen kleinen, gelben Lichtschimmer, der sich schnell verbreiterte, indem eines der Bretter zurückgeschoben wurde. Ich vermochte es zuerst kaum zu fassen, daß ich durch diese kleine Öffnung wirklich dem Tode entrinnen könnte. Doch schon im nächsten Augenblick war ich hindurchgekrochen und lag nun halb ohnmächtig auf der anderen Seite. Die Öffnung hatte sich wieder hinter mir geschlossen, ich hörte nur noch das Klirren der zerbrechenden Lampe und kurz darauf das Aufschlagen der beiden Metallplatten, das mir deutlich bewies, mit wie knapper Not ich dem Tode entronnen war. Als ich wieder zum Bewußtsein erwachte, lag ich auf dem mit Fliesen ausgelegten Boden eines schmalen Ganges. Eine Frau beugte sich über mich und versuchte mich durch heftiges Schütteln mit der linken Hand aus meiner Betäubung zu erwecken, in der rechten hielt sie eine Taschenlampe. Es war jene Frau, deren Warnungen ich törichterweise unbeachtet gelassen hatte.
›Kommen Sie rasch, rasch!‹ rief sie atemlos. ›Sie werden sofort Ihr Verschwinden entdecken. Oh, so beeilen Sie sich doch, es ist keine Sekunde zu verlieren.‹
Diesmal war ihr Rat nicht vergebens. Ich richtete mich taumelnd empor und eilte mit ihr den Gang entlang und dann eine Wendeltreppe hinunter. Die Treppe führte wiederum auf einen breiten Gang. Wir hatten ihn kaum erreicht, als wir schon den Ton von eiligen Schritten und den Klang von zwei Stimmen hörten; die eine sprach dicht in unserer Nähe, die andere antwortete aus der Entfernung. Die Frau stand einen Augenblick völlig fassungslos. Plötzlich stieß sie eine Tür auf; wir standen in einem