Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter. Adalbert StifterЧитать онлайн книгу.
du, mein erlauchter Vetter?«
»Ich bin gekommen, meine erhabene Muhme«, antwortete Wladislaw, »um dir mit meinem eigenen Munde mein Beileid über deinen großen Verlust zu sagen, den du durch den Tod deines Gatten des ruhmvollen Herzoges Sobeslaw erlitten hast, um dir mit meiner eigenen Person den Schutz meiner Macht anzubieten, und um dir zu sagen, daß ich für deine und der Deinigen Bedürfnisse sorgen werde, du magst in welchem Orte des Landes immer wohnen, wozu dir die Wahl frei ist.«
»Mein lieber gütiger Neffe«, erwiderte Adelheid, »du hast mir in den ersten Tagen deiner Herrschaft einen Trostesgruß gesendet, und ich habe dir meinen Dank dafür zurückgeschickt; nun kommst du selber, um mir dein Mitleid darzubringen, und ich sage dir auch selber meinen Dank. Du hast meinen Gemahl geliebt, er wußte es, und hat dich auch geliebt. Er hat anders von dir gedacht als deine Nächsten, und seine Gedanken sind auch die meinigen. Es ist gut, daß es so ist. Und wenn der Mensch auch auf das Irdische denken darf, nicht für sich, sondern für seine Kinder, so habe Dank für dein Anerbieten der Versorgung, und lasse es uns ablehnen; unsere Habe reicht für mich und meine kleineren Kinder hin, brauche deine Macht, daß kein Vornehmer deines Reiches sie schädige. Die Wahl meiner Wohnung lasse auf diese Burg fallen, ich begehre keine andere.«
»Habe deinen Willen«, sagte Wladislaw, »so lange mir Gott die Macht läßt, werde ich dich schützen. Deine kleinen Kinder werde ich zur Erhöhung unseres Geschlechtes erziehen helfen, von den größeren ist Maria in den guten Händen Leopolds des Markgrafen von Österreich, und wird durch seine Schwester Gertrud mit mir und dem Lande noch mehr verbunden werden, und deinen Sohn Wladislaw werde ich aus Mähren nach Böhmen zu einer Ausstattung ziehen, wie sie einem aufgesproßten Reise des heiligen Stammes Premysls ziemt. Bleibe mit deinen Kindern in dieser Burg, so lange Frieden in dem Lande ist, und so lange du es wünschest, da du das Gedächtnis Sobeslaws hegst.«
»Es wird immer das nämliche bleiben«, sagte Adelheid.
»In diesem Hause kann dein Herz nicht genesen«, erwiderte Wladislaw.
»Es ist mir hier am wohlesten«, sagte Adelheid.
»So sei es«, entgegnete Wladislaw.
»Lasse es sein«, sagte Adelheid, »und lasse mir das Vertrauen auf deine Worte.«
»Ich nehme dieses Vertrauen als eine Freude auf meinen Weg«, antwortete Wladislaw.
»Befiehl nun deinen Männern«, sagte Adelheid, »daß sie in die Burg kommen, damit man sie bewirte. Es werden noch Vorräte aus den Tagen Sobeslaws da sein. Boreš wird sorgen.«
»Ich werde meine Männer nicht in die Burg führen«, antwortete Wladislaw, »daß sie dich nicht stören. Wir haben unsere Erquickung auf Säumern mit, und können sie überall einnehmen. Boreš bleibt dein Kastellan, nur in Dingen des Baues dieser Burg und ihrer Sicherheit muß er mir gehorchen.«
»So bringt drei Becher Wein für die drei Männer, meine liebe Agnes«, sagte Adelheid.
Eine der Frauen, die um Adelheid waren, entfernte sich, und brachte auf einem Tragbrette drei silberne Becher mit Wein. Adelheid nahm den schönsten der Becher, nippte von ihm, und reichte ihn Wladislaw. Dieser setzte ihn an die Lippen, und trank den Wein aus. Die zwei andern Becher wurden den Männern Welislaw und Odolen gereicht, und sie leerten dieselben ebenfalls.
»Und nun hast du die Bewirtung in deinem Hause an uns vollbracht«, sagte Wladislaw, »und wir verabschieden uns. Erlaube daher, hohe Muhme.«
Er näherte sich ihr, und küßte sie auf ihre Stirne.
Dann stand er vor ihr, sie aber hob ihre Hände empor, legte sie auf sein Haupt, und gab ihm den Kuß auf die Stirne zurück.
»Gott lasse alle deine Unternehmungen gedeihen«, sagte sie.
»Möge dein Gebet nur bewirken, daß die besten an ihr Ziel kommen«, antwortete er.
Dann nahm er sie noch einmal bei der Hand, und wendete sich zum Gehen. Sie ging an seiner Hand und seiner Seite bis zur Tür. Dann neigten sie sich, lösten die Hände, er ging zur Tür hinaus, sie in das Gemach zurück.
Draußen schlug er mit den Seinigen wieder den Weg nach Prag ein.
Als er nach Prag zurückgekommen war, sandte er Boten nach den Herren Jurik Bohuslaw und Zdeslaw.
Als diese zu ihm gekommen waren, sagte er: »Bereitet euch, ihr drei Herren, und reitet in die Stadt Kiew, dort werdet ihr einen Mann aus dem Stamme unseres geheiligten Premysl finden. Es ist Otto der Sohn des schwarzen Otto des Sohnes des schönen Otto, der ein Bruder des Königs Wratislaw gewesen ist. Er ist nach der Schlacht bei Chlumec, in der sein Vater durch die Scharen Sobeslaws gefallen ist, entflohen und nicht mehr zurück gekommen. Sagt ihm: Wladislaw der Herzog der Länder Böhmen und Mähren läßt dir seinen Gruß entbieten, und läßt dir sagen: Das Herzogtum von Olmütz ist bei deinem Großvater Otto gewesen, es ist bei deinem Vater Otto gewesen, und wird bei dir dem dritten Otto sein. Folge uns, und gehe zu dem Herzoge Wladislaw, daß er dir das Land übergebe. Die Briefe, welche ihr dem Manne reichen sollet, werden verfertiget werden. Indessen wählt eure Begleiter, und richtet eure Dinge in Ordnung.«
Die drei Männer versprachen es, und verließen das Gemach.
Darauf sandte der Herzog Boten an die Herren Bogdan, Sezima und Zwest.
Als sie gekommen waren, sprach er: »Seid gebeten, ihr Männer, nach Mähren in die Stadt Znaim zu reiten. Dort ist bei dem Herzoge Konrad der erstgeborne Sohn des verstorbenen Herzoges Sobeslaw namens Wladislaw. Sprecht zu ihm: Wladislaw der Herzog von Böhmen und Mähren läßt dir in Liebe und Freundschaft sagen, da du auf seine erste Botschaft, die dich nach Böhmen eingeladen hat, geantwortet hast, daß du sehr gerne kommen werdest, so bittet er dich, du mögest das Geleite dieser Männer nach Prag nicht verschmähen, daß er dir wie ein Bruder sei, daß er dir gebe, was dein Rang und dein Herkommen heischt, und daß du nach Gefallen seine Umgebung verherrlichest. Wenn du mit seinen Männern nicht zu ihm kömmst, so wird er mit Leid sehen, daß du gegen ihn feindlich gesinnt bist. Macht eure Vorbereitung, und empfangt dann, was an ihn wird geschrieben werden.«
Er entließ sie, und sie entfernten sich.
Da diese Herren ihr Gefolge ausgelesen, sich gerüstet, und die Schriften empfangen hatten, ritten sie ihrer Bestimmung zu.
Als sich der Monat März zu Ende neigte, kam die Braut Wladislaws, Gertrud, die Schwester Leopolds des Markgrafen von Österreich nach Böhmen. Ein großes Geleite von Frauen und Herren war bei ihr. Es waren Chunrad von Asparn, Bruno von Pusinberg, Wernhard von Brun, Hadmar und Albero von Chunring, Heinrich von Gundramsdorf, Marchard von Hintberg, Heinrich von Mistelbach, Hartung von Ruhenegk und Wolftrigil von Stein. Der Herzog sendete ihr eine gleiche Zahl von Männern entgegen: Nacerat, Smil, Ben, Znata, Milota, Bartholomäus, Wecel, Drslaw, Domaslaw, und Stibor. Sie legten alle Pracht an, welche ihr Reichtum erlaubte, erwarteten den Zug an der Grenze, und geleiteten ihn nach Prag. Dort wurde die Vermählung vollzogen, und der Herzog Wladislaw und die Herzogin Gertrud gingen sogleich gegen Würzburg, um am siebenten Tage des Monates April mit dem deutschen Könige Konrad, dem Halbbruder Gertruds, in dieser Stadt zusammen zu treffen.
Als Wladislaw wieder zurück gekommen war, ritt er mit einem Geleite in seine Burgen. Er ritt in die erste, untersuchte sie, und ordnete an. Dann ritt er in die zweite, und tat desgleichen, und so fuhr er fort.
Witiko aber, da er Silvester verlassen hatte, ritt gegen Mittag durch die Orte Dobriš Pisek und Netolic, bis er zu dem großen Walde gekommen war, der im Mittag und Abende das Land Böhmen von dem Lande Bayern schied. Es war jetzt Schnee auf seinen Zweigen und zwischen seinen Stämmen, und oft längere Zeit die Stille des Winters. Witiko ritt in die Gehölze hinein, und in ihnen fort. An manchen Strecken hatte er einen Führer. Am Mittage des dritten Tages, da er im Walde ritt, kam er über einen sanften Waldhang zu einem flachen spitzigen aber baumlosen Berg, auf dessen Gipfel ein rotes Kreuz stand. Witiko ritt an dem Berge vorüber, und kam an dessen Mittagseite zu einer hochfenstrigen Kirche, deren Turm ein braunrotes Keildach hatte, darauf kein Schnee war. Die Kirche war in geringer Entfernung mit einer Mauer umgeben. Von ihr ging das Land sanft gegen Mittag nieder, und es standen auf ihm zwei Zeilen