Butler Parker Staffel 3 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
vor, denn er hatte gerade einen Wagen erspäht, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite hielt. Ein dicklicher Mann stieg steifbeinig aus und verschwand in einem Schnellimbiß.
Das war genau der Wagen, den er brauchte.
Stadium handelte sofort.
Er verließ den schützenden Hausflur, überquerte die Straße und war ehrlich erstaunt, wie unsicher seine Beine waren. Und mit solch einem rasenden Schmerz in den Wunden hatte er ebenfalls nicht gerechnet. Es war für ihn eine peinliche Feststellung, daß. Schußverletzungen schmerzten. Er kam sich fast wie betrogen vor.
Er schaffte es aber noch, den Wagen zu erreichen. Er setzte sich ans Steuer und fingerte an dem Schlüssel, der im Schloß stak. Als er losfuhr, kam der Eigentümer des Wagens aus dem Schnellimbiß herausgelaufen und warf gestikulierend beide Arme hoch in die Luft. Stadium grinste und fühlte sich plötzlich wieder als Held.
Unterwegs überlegte Stadium, was er nun machen sollte. Hatte es einen Sinn, sich mit Art Canters zu befassen? War es vielleicht besser, sich erst einmal zu verkriechen? Seine Verletzungen mußten behandelt werden. Er brauchte schleunigst einen Arzt.
Andererseits brauchte er erst einmal Sicherheit, überlegte er weiter.
Die Polizei würde nun nach ihm suchen. Man würde eine Großfahndung auslosen. Er brauchte eine Geisel! Wenn sie ihn fertigmachen wollten, mußten sie abgeschreckt werden. Und wer kam als Geisel in Betracht?
Natürlich, Helen Canters, das Mädchen, auf das er es schon immer abgesehen hatte.
Butch Stadium sah alles strahlend klar vor sich.
Zuerst würde er Art Canters umlegen. Dann müßte Helen Canters zu ihm in den Wagen steigen, sie würden einen Schlupfwinkel aufsuchen und den ersten Sturm abwarten. Was konnte ihm schon groß passieren?«
Er hatte inzwischen den Stadtteil erreicht, in dem die Geschwister Canters lebten. Er war so in Eile, er brannte darauf, an Art Canters heranzukommen, daß er mit dem Wagen durch die geöffnete Toreinfahrt fuhr und den Wagen vor dem Gartenhaus abbremste.
Er hatte Mühe, aus dem Wagen zu kommen.
Er mußte sich am vorderen Kotflügel festhalten, er drückte nachhaltig auf die Klingel.
Keine Antwort.
Er handelte im Jähzorn und warf sich gegen die Tür, um sie aufzubrechen. Aber im gleichen Moment schoß ein scheußlicher Schmerz durch seinen Körper und nistete sich in seinem Kopf fest.
Er stöhnte.
Ihm wurde schwarz vor Augen, alles drehte sich vor ihm. Er hielt sich an der
Türklinke fest und griff mechanisch nach seinem Revolver. Art Canters mußte umgelegt werden. Und wenn er die Tür zerschießen mußte.
Doch dann kam ihm ein anderer Gedanke.
Helen! Ob sie zu Hause war? Er drehte sich um und stolperte hinüber zur Außentreppe, die hinauf zur Wohnung von Helen Canters führte.
Er schleppte sich über die Stufen nach oben, hörte sich keuchen und spürte vielleicht im Unterbewußtsein, daß er es nicht schaffen würde.
Der obere Treppenabsatz war erreicht.
Stadiums Gesicht verzerrte sich zu einem Grinsen. Gleich würde er Helen gegenüberstehen. Dann war alles gut. Dann konnte ihm nichts mehr passieren. Dann konnte …
Seine Gedanken verwirrten sich.
Er mußte sich wieder festhalten. Er hatte viel zu viel Blut verloren. Er merkte gar nicht, wie sehr er bereits taumelte und schwankte. Er fiel gegen die Tür, die nur angelehnt war.
Prächtig, dachte er, sie hat keine Ahnung, daß ich komme. Ich werde mit ihr eine verdammt feine Zeit haben. Sie soll sich wundem, was mit mir los ist. Sie …
Er war durch die Tür gestolpert und knickte in den Beinen ein. Er sah Helen nicht, die hinter der Tür stand und einen Besen in der Hand hielt. Sie holte weit aus, schloß sie Augen und … schlug zu …
Butch Stadium stöhnte auf, als er voll getroffen wurde. Er fiel auf den Teppich, der Revolver entglitt seiner Hand. Er merkte nicht, wie Helen ängstlich zitternd vor ihm stand und zuerst nicht wußte, wie es nun weitergehen sollte. Aber dann faßte sie sich ein Herz, nahm eine Rolle Seidenband und begann ihn zu binden. Sie hatte zwar entsetzliche Angst, aber sie schluckte sie immer wieder herunter und vollendete die Arbeit. Als sie sich aufrichtete und zum Telefon gehen wollte, hörte sie an der Tür ein Geräusch.
Entsetzt wendete sie sich um.
Kam noch ein Gangster?
Nein, Butler Parker, der sich vorsichtig in den Korridor hineinschob, lüftete höflich seine schwarze steife Melone und sah zufrieden auf den eingeschnürten Stadium herunter.
»Mein Kompliment, Miss Helen«, sagte er freundlich. »Sie haben uns die Arbeit bereits abgenommen, nun brauchen Sie aber keine Angst mehr zu haben. Die Polizei wird gleich hiersein und diesen ungebetenen Gast abholen.«
*
Etwa um diese Zeit hielt Lagarda sich in seinem neuen Versteck auf und sichtete seine Beute. Noch wußte er nichts von den Vorgängen auf dem verlassenen Fabrikhof. Er war der Meinung, man habe Mike Rander inzwischen für immer ausgeschaltet.
Paul Lagarda hatte sich in einem möblierten Zimmer über einer Musikalienhandlung eingemietet und fühlte sich vollkommen sicher. Er hielt sich zudem für clever genug, es mit der Wellman-Gruppe aufnehmen zu können. Er hatte noch einmal mit Wellman gesprochen. Er würde den Mann in ein paar Stunden treffen. Dann konnte das große Geschäft seines Lebens abgewickelt werden. Die Polizei brauchte er nicht zu befürchten. Er besaß inzwischen selbstverständlich einen falschen Paß und hatte sich einen kleinen Menjou-Schnurrbart an die Oberlippe geklebt. In dieser Veränderung sollte ihn mal einer erkennen.
Lagarda rauchte eine Zigarette und schaute zum Fenster hinaus. Noch war es zu hell, um auf die Straße zu gehen. Aber die Dämmerung senkte sich langsam nieder. War es erst einmal vollkommen dunkel geworden, konnte der große Coup gestartet werden …
*
Der Nachtclub ›Golden-Tree‹ bestand aus einem zweistöckigen Hauptbau, um den einige einstöckige Bungalows gruppiert worden waren. Gepflegte Rasenflächen, Blumenrondelle und kleine Baumgruppen vervollständigten das Gesamtbild. Das große Grundstück besaß einen hohen und sehr festen Maschendraht-Zaun. Zum See hin war das Grundstück geöffnet.
Weit draußen auf dem Wasser Schaukelten einige schnelle Polizeiboote, die alles Licht gelöscht hatten. Sie hatten eine Art Halbkreis gebildet und ließen ihre kleinen Radarschirme kreisen. Es war offensichtlich, daß sie die Wasserfront des Clubs absuchten und kontrollierten.
An Land hatte sich auch einiges getan.
Die Zufahrtsstraße zum Club war zwar leer, aber weiter entfernt in den Nebenstraßen hielten unauffällig aussehende Wagen. Es gab Passanten, die die frische Luft genossen, und Liebespärchen, die auf Bänken saßen.
Aber die Liebespärchen und die harmlosen Passanten, die wartenden Leutchen in den parkenden Wagen und die Polizeiboote, sie alle standen untereinander in Funksprechverbindung. Sie alle kontrollierten und beobachteten den Club und registrierten jedes ein- oder ausfahrende Fahrzeug. Nach eingehender Rücksprache mit Rander und Parker hatte Detektiv-Inspektor Lämmer einen Großeinsatz organisiert. Es galt, die Rauschgift-Bande um Wellman auszuschalten.
Rander, Parker und Lammers hatten richtig geschaltet. Nach dem Auffliegen der Monopol-Bande, nach der Flucht Lagardas, war damit zu rechnen, daß die Konkurrenz-Bande um Wellman versuchen würde, die Organisation an sich zu reißen.
Auch Parker und Rander beteiligten sich an diesem großen Aufmarsch. Sie saßen in Randers Wagen und verfügten über ein Funksprechgerät, das Lammers ihnen zur Verfügung gestellt hatte.
Parker bediente dieses Gerät und nahm gerade zur Kenntnis, daß Wellman den Club verlassen habe.
»Er wird von vier Wagen abwechselnd