Mami Staffel 5 – Familienroman. Eva-Marie HornЧитать онлайн книгу.
Der fremde Mann, der ihr Vater sein sollte, hatte ihr nichts zu sagen, davon war sie überzeugt.
»Hör auf mit dem Quatsch!« warnte Peter, der diese Unterhaltung ohnehin nur widerwillig führte. »Du kannst mich damit nur verärgern und deine Mami auch. Vielleicht bleiben wir zusammen, vielleicht heiraten wir auch wieder. Aber eines ist sicher, wir werden dich bestimmt nicht fragen. Ich denke, daß damit alles klar ist.« Peter war bei diesen Worten rückwärts zur Tür gegangen. Jetzt öffnete er sie und verließ grußlos Connys Zimmer.
Noch einige Augenblicke verharrte das Kind regungslos. Es war noch nie vorgekommen, daß jemand so hart und rücksichtslos mit Conny umgegangen war. Gudrun behandelte ihr Töchterchen stets liebevoll, war nachsichtig und geduldig, und verlangte das auch von allen, die mit Conny zu tun hatten. Natürlich ahnte sie nicht, daß sich Peter anders verhalten würde.
Die Tränen liefen jetzt über Connys vor Wut gerötete Wangen. Es waren Tränen der Enttäuschung und des ohnmächtigen Zorns. Conny wußte, daß sie zum ersten Mal in ihrem jungen Leben bei ihrer Mami keine Unterstützung finden würde. Es hatte gar keinen Sinn, daß sie zu Gudrun lief, um sich über ihren Vater zu beschweren.
So lange sich Conny erinnern konnte, war ihr jeder Wunsch erfüllt worden. Zum ersten Mal mußte sie um etwas kämpfen, und nun zeigte sich, daß sie den starken Willen ihrer Mami geerbt hatte.
»Und Jens ist doch mein Papa!« schnaubte das Mädchen wütend. Es ging mit zwei raschen Schritten zum Stuhl, auf dem die Puppe saß; ergriff sie an den schwarzen Haaren und beförderte sie rachsüchtig vor die Tür. Daß sie im Flur mitten auf dem Teppich landete, störte Conny überhaupt nicht.
Nach diesem Rauswurf fühlte sie sich gleich wieder viel besser.
*
Obwohl Peter Simon sich die Mentalität der Inselbewohner zu eigen gemacht hatte, nach Möglichkeit nur wenig Zeit mit Arbeiten zu verbringen, verfolgte er lohnende Ziele doch mit erstaunlichem Eifer.
So nützte er den Sonntag, an dem in den Eschenbach-Werken nicht gearbeitet wurde, um in der Buchhaltung nach Unregelmäßigkeiten zu suchen. Er war überzeugt davon, daß er Fehler finden würde. Von Gudrun hatte er den Schlüssel für den Zentralspeicher der firmeneigenen Computer bekommen und gleichzeitig die Erlaubnis, Einsicht in alle Geschäftsvorgänge zu nehmen.
Peter rief die Jahresabschlüse auf, verfolgte am Bildschirm die Buchungen der zurückliegenden Monate. Er brauchte nicht lange zu suchen. Schon bald fand er Buchungen, die nicht in den Geschäftsbereich der Firma gehörten.
Peter Simon machte sich Notizen. Ein Eintrag reihte sich an den anderen, und bald füllten seine Aufzeichnungen ein ganzes Blatt.
Den ganzen Tag über saß Peter vor dem flimmernden Bildschirm. Niemand störte ihn, niemand beobachtete ihn. Er war so eifrig, daß er nicht einmal wegging, um etwas zu essen.
Der Antrieb für seine Aktivität war die Vorstellung, daß Gudrun ihm dankbar sein würde. Darüber hinaus konnte er auf diese Weise auch Udo Braun, den verhaßten Nebenbuhler, ausschalten. Peter war zuversichtlich, daß dies der Grundstein für eine neue Gemeinschaft mit Gudrun war. Diesmal würde alles besser klappen, denn es gab niemand mehr, der sich in ihre Angelegenheiten einmischen würde, wie dies durch Gudruns Eltern damals, in der ersten Zeit
ihrer jungen Ehe, geschehen
war. Cornelia zählte für Peter nicht, denn sie war ja noch ein Kind, und Kinder hatten nichts zu sagen.
Immer wieder notierte sich Peter Beträge, Datum und Firmennamen und merkte gar nicht, daß er beobachtet wurde. Als er wieder einmal hochschaute, sah er Udo Braun vor dem Schreibtisch stehen, die Hände in den Hosentaschen, den Blick voll Verachtung.
»Was tun Sie hier?« fragte er barsch.
»Ich überprüfe die Buchhaltung und halte fest, was hier unkorrekt gelaufen ist. Da kommt einiges zusammen.«
Udo versuchte, den anderen einzuschüchtern, wie er es gewöhnlich mit allen tat, die unliebsame Fragen stellten. Sogar Gud-run Eschenbach hatte er auf diese Weise abgewimmelt.
»Sie sind widerrechtlich hier eingedrungen und betreiben Werksspionage. Deshalb rufe ich sofort die Polizei.«
Peter hatte genügend Selbstvertrauen, um dieser Drohung lächelnd zu begegnen. »Sie wissen genau, daß Ihre Annahme nicht stimmt: Wenn ich hier eingebrochen wäre, hätte ich keinen Zugang zum Computerspeicher. Frau Eschenbach selbst hat mir den Schlüssel gegeben.«
»Wer stiehlt, der lügt, das ist bekannt. Glauben Sie bloß nicht, daß Sie sich so billig herausreden können. Und den Zettel bekomme ich!« Udo faßte rasch über den Schreibtisch, um Peters Notizen an sich zu bringen.
Doch er war nicht schnell genug. Peter hatte das Blatt blitzschnell gefaltet und eingesteckt.
»Was soll der Quatsch«, empörte sich Braun. »Ich erwische Sie hier auf frischer Tat, und Sie versuchen, Ihre Raubdaten in Sicherheit zu bringen. Das läuft nicht. Die Beamten, die gleich hier sein werden, nehmen Ihnen die Notizen ohnehin ab. Wenn Sie das Blatt allerdings freiwillig rausrücken, könnte ich mir überlegen, ob ich die Polizei benachrichtige.« Udo hatte absolut kein reines Gewissen, hoffte aber, den anderen beschwatzen zu können.
Allerdings wußte er nicht, daß ihm Peter Simon nicht nur körperlich überlegen war. Peter hatte in seinem bewegten Leben schon vielerlei Jobs gemacht und hatte sich dabei oft am Rande der Legalität befunden. Er kannte sich aus, hatte er doch so manchen Steuersünder in Mexiko gestellt, und dort war man im Erfinden von Ausreden viel geübter.
»Ich habe von der Polizei nichts zu befürchten, denn ich handle im Auftrag von Frau Eschenbach. Sie wird Ihnen das gerne bestätigen. Ich glaube aber, daß die Nachforschungen der Polizei für Sie weniger angenehm sein werden, Herr Braun. Da habe ich beispielsweise eine Zahlung gefunden, die als Materiallieferung verbucht wurde, aber an das Autohaus ging, von dem Sie Ihren Wagen bezogen haben. Die Summe entspricht dem Gegenwert Ihres Sportflitzers.«
Braun zuckte die Achseln. »Ein Fehler der Buchhaltung. So was kommt vor, das wissen Sie doch. Selbstverständlich habe ich meinen Wagen selbst bezahlt.«
»Es fehlt aber die Rechnung über diese Warenlieferung. Die Firma existiert gar nicht. Erstaunlich, was? Das ist nicht der einzige Fall, für den Sie sich verantworten müssen, Braun.«
Udo biß die Zähne zusammen. »Blasen Sie sich nicht so auf, Sie Halbindianer. Frau Eschenbach ist über alles informiert. Was schnüffeln Sie überhaupt hier herum?«
»Weil es höchste Zeit ist, daß Ihnen jemand auf die Finger schaut. Frau Eschenbach war leider zu gutgläubig, sonst hätte sie bemerkt, daß Sie all Ihre Sonntagsausflüge und Weltreisen als Geschäftsunkosten verbucht haben.« Peter sah den anderen herausfordernd an. In seinen schwarzen Augen glänzte der Triumph.
Braun hatte bis jetzt alle Verdächtigungen erfolgreich abgeschmettert. Er versuchte es auch jetzt. »Geben Sie her, ich werde das alles mit Frau Eschenbach klären.« Er streckte die Hand aus und erwartete wohl, daß ihm Peter den Zettel mit seinen Notizen geben würde.
Doch der schüttelte ruhig den Kopf. »Nicht Sie, sondern ich werde diese Posten mit Frau Eschen-bach durchsprechen. Für Sie, Braun, dürfte das nicht besonders angenehm werden.«
»Mann, seien Sie doch nicht so pingelig. Wenn Sie davon absehen, bin ich sogar bereit, Ihnen ein ansehnliches Sümmchen zu zahlen.«
»Aus der Firmenkasse?« Peter grinste gelassen. »Das wäre die größte Dummheit, die ich machen könnte. Halten Sie mich tatsächlich für so bescheuert?«
»Wenn Sie ablehnen, sind Sie bescheuert!« keuchte Braun, der begriff, daß die Sache für ihn gefährlich wurde. »Frau Eschenbach wird Sie für diese Recherchen nicht belohnen, und wenn Sie glauben, daß Sie private Vorteile davon haben, täuschen Sie sich gewaltig. Frau Eschenbach ist nicht so leicht zu erobern. Diese Erfahrung habe ich gemacht, obwohl ich mir bei ihr alle Mühe gab. Sie denkt in erster Linie an ihre Tochter. Das Gör ist vorlaut und verzogen bis zum Gehtnichtmehr. Über-all mischt sich die Kleine ein und weiß alles