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Philosophische und theologische Schriften. Nicolaus CusanusЧитать онлайн книгу.

Philosophische und theologische Schriften - Nicolaus Cusanus


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gelehrt, alles werde durch die Kraft der Zahlen geordnet und erkannt. Indessen eine präzise Kombination im Körperlichen und eine kongruente Anreihung des Unbekannten an das Bekannte geht über den menschlichen Verstand, weshalb Sokrates meinte, er wisse nichts, außer daß er nichts wisse. Der weise Salomo sagte, alle Dinge seien schwierig und nicht durch Worte zu erklären. Und ein anderer Mann voll des göttlichen Geistes sagt, verborgen sei die Weisheit und die Stätte der Erkenntnis vor den Augen aller Lebenden. Wenn dem so ist, wie auch der tiefdringende Aristoteles in seiner »ersten Philosophie« sagt, daß selbst in den von Natur ganz unbekannten Dingen uns dieselben Schwierigkeiten begegnen wie der Eule, wenn sie die Sonne sehen will, so geht offenbar, da der Erkenntnistrieb nicht umsonst in uns ist, unser Verlangen dahin, zu wissen, daß wir nichts wissen. Bringen wir dieses Verlangen zur Vollendung, so erlangen wir die Wissenschaft des Nichtwissens (doctam ignorantiam). Auch der Wißbegierigste kann es in seiner Bildung zu keiner höheren Vollkommenheit bringen, als wenn er über die Unwissenheit, die dem Menschen eigen ist, recht unterrichtet erfunden wird (in ipsa ignorantia doctissimum reperiri). Zu dem Ende habe ich mir die Mühe genommen, über eben diese Wissenschaft des Nichtwissens einiges zu schreiben.

      ZWEITES KAPITEL

      Einleitender Überblick des Ganzen

      Die Erörterung über das größte Nichtwissen erfordert allererst eine Erläuterung der Natur des Größten.

      Das Größte ist das, über welches hinaus es nichts Größeres gibt. Die höchste Fülle (abundantia) kommt aber der Einheit zu. Es koinzidiert also mit dem Größten die Einheit, die auch das Sein (entitas) ist. Da diese Einheit von allem Verhältnis und allem Konkreten (contractione) ganz und gar frei ist, so hat sie offenbar keinen Gegensatz. Das absolut Größte ist daher eine Einheit, die alles ist und in der alles ist, weil es das Größte ist. Weil es keinen Gegensatz hat, so koinzidiert mit ihm das Kleinste, es ist daher auch in allem. Weil es absolut ist, so ist es in Wirklichkeit (actu) alles mögliche Sein, ohne durch die Dinge beschränkt zu sein, da alle Dinge von ihm sind.

      Dieses Größte, das im einstimmigen Glauben aller Nationen Gott genannt wird, werde ich im ersten Buche in nicht begriffsmäßiger Weise, über den menschlichen Verstand hinausgreifend (supra humanam rationem incomprehensibiliter inquirere laborabo) zu erforschen suchen, unter der Leitung dessen, der allein in einem unzugänglichen Lichte wohnt.

      Wie das absolute Größte das absolute Sein ist, durch welches alles ist, was ist, so gibt es auch eine universale Einheit des Seins aus jener, die das absolut Größte ist. Sie existiert konkret (contracte) als Universum, dessen Einheit in konkreter Vielheit besteht, ohne welche sie nicht sein könnte. Obwohl dieses Maximum in seiner universalen Einheit alles umfaßt, und alles, was aus dem Absoluten stammt, in ihm ist und es in allem, so hat es doch seinen Bestand nicht außer dem Bereiche der Vielheit, da es nicht ohne konkrete Beschränkung (contractione) besteht, von der es sich nicht losmachen kann. Von diesem Maximum, dem Universum, werde ich im zweiten Buche einiges sagen.

      Konsequent wird sich dann das Maximum der dritten Betrachtung herausstellen. Denn da das Universum nur ein beschränktes Sein in der Vielheit hat, so werden wir aus dem vielen ein Größtes heraussuchen, in dem das Universum auf die größte und vollkommenste Weise aktuell, als in seinem Ziele, Subsistenz findet. Dieses muß sich mit dem Absoluten, das der Höhepunkt des Universums (terminus universalis) ist, vereinen, weil es das vollkommenste Ziel sein soll, über alle menschliche Fassungskraft. Von diesem Größten, das zugleich konkret und absolut ist, das wir Jesus, den ewig gepriesenen nennen, will ich im dritten Buche einiges, soweit mich Jesus selbst hierzu erleuchtet, beifügen.

      Wer aber meinen Sinn erforschen will, muß über die Wortdeutung hinaus sich zum geistigen Verständnis erheben und nicht an der eigentlichen Bedeutung der Worte hängen bleiben (oportet potius supra verborum vim intellectum efferre, quam proprietatibus vocabulorum insistere), die zur Bezeichnung solcher Mysterien des Geistes in ihrer gewöhnlichen Bedeutung nicht ausreichen (quae tantis intellectualibus mysteriis proprie adaptari non possunt). Auch Vergleichungen aus der Sinnenwelt muß man zur Anleitung anwenden, indem man sie auf das Geistige überträgt, auf daß der Leser leichter sich zur einfachen Vernunfterkenntnis (ad intellectualitatem simplicem) erhebt. Den Weg hierzu bemühte ich mich auch gewöhnlichen Talenten so deutlich als möglich, mit Vermeidung aller Härte der Darstellung zu zeigen. Zu dem Ende werde ich sogleich zu dem Wurzelbegriff der Wissenschaft des Nichtwissens – die Unmöglichkeit einer präzisen Erfassung der Wahrheit, übergehen.

      DRITTES KAPITEL

      Die präzise Wahrheit ist unerfaßbar

      Da es an und für sich klar ist, daß das Unendliche und Endliche in keiner Proportion zu einander stehen, so ist auch das ganz klar, daß man da, wo sich Ausschreitungen (excedens et excessum) finden, auf ein einfach Größtes nicht kommt, weil die Ausschreitungen endlich sind, das Größte aber als solches notwendig unendlich ist. Nimmt man also irgendeinen Gegenstand, der nicht das schlechthin Größte selbst ist, so läßt sich immer ein größerer auffinden. Und da die Gleichheit eine stufenmäßige ist, so daß etwas dem einen gleicher ist, als dem anderen, nach der generischen, spezifischen, räumlichen, zeitlichen etc. Übereinstimmung und Verschiedenheit, so erhellt, daß nicht zwei oder mehrere so ähnlich und gleich sich finden lassen, daß sie nicht unendlich ähnlicher sein könnten. Zwischen dem Maß und dem Gemessenen wird bei der größten Gleichheit immer noch eine Differenz übrig bleiben. Der endliche Verstand kann mithin die Wahrheit der Dinge durch Aufsuchung der Ähnlichkeit (per similitudinem) nicht präzise erkennen. Denn die Wahrheit ist ein nicht Mehr und nicht Weniger, ein gewisses Unteilbare, was von allem, das nicht die Wahrheit selbst ist, nicht präzise gemessen werden kann, so wenig, was nicht Kreis ist, den Kreis, dessen Sein in einem gewissen Unteilbaren besteht, messen kann. Unser Verstand, der nicht die Wahrheit ist, erfaßt daher die Wahrheit nie so präzise, daß nicht ein unendlich präziseres Erfassen möglich wäre, er verhält sich zur Wahrheit wie das Polygon zum Kreise. Mögen auch der Winkel noch soviele gemacht werden, so wird doch das Polygon nie dem Kreise gleich, bis es sich in die Identität mit demselben auflöst. Wir wissen somit von der Wahrheit nichts anderes, als daß sie in präziser Weise unerfaßbar ist. Sie ist die absoluteste Notwendigkeit, die nicht mehr und nicht weniger ist, als sie ist, unser Verstand ist die Möglichkeit. Das Was (quidditas) der Dinge, das die Wahrheit des Seienden ist, bleibt in seiner Reinheit unerreichbar. Alle Philosophen haben es gesucht, aber keiner, wie es an sich ist, gefunden. Je gründlicher aber unsere Überzeugung von diesem Nichtwissen ist, desto mehr werden wir uns der Wahrheit selbst nähern.

      VIERTES KAPITEL

      Das absolut Größte wird nur als unbegreiflich erkannt.

      Mit ihm koinzidiert das absolut Kleinste.

      Das einfach und absolut Größte erfassen wir, da es zu groß ist, als daß es von uns begriffen werden könnte, weil es die unendliche Wahrheit ist, nicht anders, denn als unbegreiflich (non aliter quam incomprehensibiliter attingimus). Denn da es nicht von der Natur der Dinge ist, welche Ausschreitungen zulassen, so geht es über alles das hinaus, was wir begreifen können. Was wir nämlich durch Sinne, Verstand (ratione) oder Vernunft (intellectu) erfassen, ist unter sich gegenseitig so verschieden, daß keine präzise Gleichheit stattfindet. Die größte Gleichheit, die von nichts verschieden ist, geht somit über allen Begriff.

      Da das absolut Größte alles das ist, was sein kann, so ist es ganz und gar Wirklichkeit (in actu). Wie es nicht größer sein kann, so auch aus demselben Grunde nicht kleiner, da es alles das ist, was sein kann. Das Kleinste ist, was nicht mehr kleiner sein kann. Da das Größte eben das ist, so ist klar, daß das Größte und Kleinste koinzidieren. Dies wird dir deutlicher, wenn du beide Begriffe auf das Gebiet der Quantität herüberträgst. Die größte Quantität ist die am meisten (maxime) große, die kleinste – die am meisten kleine. Denke nun die Quantität hinweg, so bleibt das Größte, der Superlativ, in beiden gleich … Gegensätze kommen daher nur im Gebiete des Konkreten vor (oppositiones igitur his


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