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Philosophische und theologische Schriften. Nicolaus CusanusЧитать онлайн книгу.

Philosophische und theologische Schriften - Nicolaus Cusanus


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KAPITEL

      Vom Geiste des Universums

      Einige betrachten die Bewegung, welche die Verbindung der Form und Materie bewirkt, als eine Kraft (spiritum), die die Vermittlung zwischen Form und Materie vollzieht, und dachten sich dieselbe über den freien Himmelsraum, die Planeten und die irdische Welt verbreitet. Sie nannten sie ἄτϱоπоς, gleichsam das Bewegungslose, weil sie glaubten, der eine Himmelsraum habe eine einfache Bewegung von Ost nach West; sodann ϰλωϑὼ, das ist: Umdrehung, weil sich die Planeten durch Umdrehung gegen den Himmelsraum von West nach Ost bewegen; endlich λάχεσιϛ, d. i. Zufall (sors), weil der Zufall die Welt regiert. Die Bewegung der Planeten ist die Entfaltung der ersten Bewegung, und die Bewegung im Zeitlichen ist die Entfaltung der Planetenbewegung. In den irdischen Dingen sind einige Ursachen von gewissen Folgen verborgen, wie die Saat im Samen enthalten ist; daher sagten die Alten, was in der Weltseele wie zu einem Knäuel eingewickelt sei, werde durch die Bewegung entwikkelt und entfaltet. Die Philosophen gingen nämlich davon aus: Wie ein Künstler, der eine Statue in Stein aushauen will, die Form derselben als Idee in sich hat, und dann mittelst einiger Instrumente die Form der Statue nach seinem idealen Bilde abbildlich darstellt, so trage die Weltseele die Ideen der Dinge in sich und bringe sie mittelst der Bewegung in der Materie zur Wirklichkeit; diese Bewegung erstrecke sich über alles; daß ein Ding in Wirklichkeit gerade dieses Ding sei, werde durch diese Bewegung bestimmt. Diese verbindende Kraft (spiritum connexionis) gehe aus beidem: der Möglichkeit und der Weltseele hervor. Denn da die Materie durch ihre Gefügigkeit ein gewisses Verlangen nach der Form hat, diese aber nach der Wirklichkeit strebt, jedoch nicht absolut bestehen kann, da sie kein eigenes Sein hat und auch nicht Gott ist, so senkt sie sich in die Möglichkeit (Materie) herab, um beschränkt in ihr zu sein, und wirkt begrenzend, vollendend und bestimmend. Aus dieser gegenseitigen Durchdringung entsteht die beide verbindende Bewegung. Diese bewegende Kraft geht durch das ganze Universum und alle seine Teile und heißt Natur. Die Natur ist demnach der Inbegriff (complicatio) von allem, was durch Bewegung entsteht. Wie nun diese Bewegung aus dem Allgemeinen herab sich spezialisiere (quomodo ab universali contrahitur usque in particulare), mit Beibehaltung der stufenmäßigen Ordnung, mag aus folgendem Beispiele erhellen. Wenn ich sage: Gott ist, so gehen diese Worte aus einer gewissen Bewegung hervor, in einer bestimmten Ordnung, so daß ich zuerst die Buchstaben, dann die Silben, dann die Worte, zuletzt den ganzen Satz ausspreche, obwohl das Gehör diese Ordnung nicht unterscheidet. So steigt die Bewegung aus dem Allgemeinen in das Partikulare herab, und erlangt hier zeitlich oder natürlich eine konkrete Gestalt. Diese Bewegung, diese Kraft (spiritus) kommt von dem heiligen Geiste (descendit a sp. s.), der durch die Bewegung selbst alles bewegt. Wie in dem Redenden ein gewisser Geist ist, der beim Reden von ihm ausgeht und in der oben angegebenen Weise sich konkret ausgestaltet, so geht von Gott, der ein Geist ist, alle Bewegung aus. Denn also spricht die Wahrheit: »Nicht ihr seid es, die da reden, sondern der Geist eures Vaters redet in euch.« Dies gilt auch von allen andern Bewegungen und Tätigkeiten. Dieser Geist nun (die Bewegung im Universum) ist ein erschaffener Geist, ohne den nichts eine Einheit ist und bestehen kann; die ganze Welt und alles in ihr ist durch diesen Geist, der den Erdkreis erfüllt, in der naturgemäßen Verbindung; die Möglichkeit ist durch seine Vermittlung Wirklichkeit und die Wirklichkeit eben dadurch in der Möglichkeit. Es ist dies die Bewegung, die alles zur liebenden Vereinigung und Einheit führt, so daß alles ein Universum bildet. Während jedes seine besondere Bewegung hat, um auf die beste Weise das zu sein, was es ist, und keines sich ganz gleich wie das andere bewegt, so nimmt doch jedes an der Bewegung eines jeden in seiner Weise, mittelbar oder unmittelbar Anteil (wie die Elemente an der Bewegung des Himmels und alle Glieder an der Bewegung des Herzens), auf daß es ein Universum sei. Durch diese Bewegung existieren alle Dinge auf die bestmögliche Weise, sie erhalten sich in sich und in ihrer Art durch die natürliche Verbindung der verschiedenen Geschlechter47, die durch natürliche Bewegung geeint, wenn auch individuell gesondert sind. Keine Bewegung kann aber die absolut größte sein, weil diese mit der Ruhe koinzidiert. Keine Bewegung ist daher absolut, denn die absolute Bewegung ist Ruhe, ist Gott, der alle Bewegung in sich begreift. Wie demnach alle Möglichkeit in der absoluten ruht, welche der ewige Gott ist, jede Form und Wirklichkeit in der absoluten Form, die das Wort, der Sohn des Vaters ist, so ruht alle verbindende Bewegung, alle einigende Proportion und Harmonie in der absoluten Verbindung aus dem heiligen Geiste, auf daß ein Prinzip von allem ist – Gott, in dem und durch den alles ist, in einer gewissen dreifaltigen Einheit, die ihren abbildlichen konkreten Ausdruck innerhalb des schlechthin Größten und Kleinsten findet, in verschiedenen Stufen, so daß eine Stufe der Bewegung nach Möglichkeit, Wirklichkeit und Verbindung in den geistigen Naturen ist, wo Bewegen Denken ist, eine andere Stufe in dem körperlichen Sein nach Materie, Form und Verbindung, wo das Bewegen Sein ist. Doch hierüber ein anderes Mal. Das über die Dreieinigkeit des Universums Gesagte mag für jetzt genügen.

      ELFTES KAPITEL

      Folgerungen aus dem Wesen der Bewegung

      Es staunen vielleicht manche über diese bisher unerhörten Sätze, deren Wahrheit die Wissenschaft des Nichtwissens nachgewiesen hat. Wir wissen nun, daß das Universum dreieinig und daß es nicht ein Universum gibt, das nicht eine Einheit ist aus Möglichkeit, Wirklichkeit und vereinigender Bewegung, so wie daß kein Wesen absolut, ohne die andern bestehen kann, weshalb notwendig alles in den verschiedensten Gradunterschieden besteht, so daß im ganzen Universum nicht zwei Dinge einander vollkommen gleich sind. Es ist daher, wenn man die Verschiedenheit der Bewegung der Weltkörper erwägt, unmöglich, daß etwas die Weltmaschine sei, oder daß diese sichtbare Erde oder Luft, Feuer oder sonst irgendetwas das feste und unbewegliche (Welt-) Zentrum bilde. Denn man kommt in der Bewegung auf kein schlechthin Kleinstes, wie z. B. ein fixes Zentrum, weil das Kleinste notwendig mit dem Größten koinzidiert. Es würde also das Zentrum der Welt mit ihrer Peripherie koinzidieren. Die Welt hat daher keine Peripherie; hätte sie Zentrum und Peripherie, so hätte sie ihren Anfang und Ende in sich selbst, die Welt wäre in Bezug auf ein anderes begrenzt, außer der Welt wäre ein Anderes und ein Raum –, Sätze, die alle der Wahrheit entbehren. Da es somit unmöglich ist, daß die Welt in ein körperliches Zentrum und eine bestimmte Peripherie eingeschlossen sei, so erkennen wir die Welt nicht, deren Zentrum und Peripherie Gott ist. Und wiewohl diese Welt nicht unendlich ist, so kann sie doch auch nicht als endlich gedacht werden, da sie keine Grenzen hat, in welche sie eingeschlossen ist. Es kann somit auch die Erde, die das Zentrum nicht sein kann, nicht ohne alle Bewegung sein (terra igitur, quae centrum esse nequit, motu omni carere non potest); denn daß sie sich bewegen müsse, ist auch in dem Sinne zu fassen, daß sie sich noch unendlich weniger bewegen könnte (nam eam moveri taliter etiam necesse est, quod per infinitum minus moveri posset). Wie die Erde nicht das Zentrum der Welt ist, so ist es auch nicht die Sphäre der Fixsterne oder ein anderer Umkreis derselben, wiewohl die Erde, im Verhältnis zu dem Himmel mehr der Peripherie ähnlich zu sein scheint. Die Erde ist also nicht das Zentrum, auch nicht für die erste oder irgendeine andere Sphäre. Denn auch wenn diese von ihrem Zentrum entfernt wäre und sich in der Nähe einer durch die Pole gehenden Achse befände, so daß sie auf der einen Seite gegen den einen Pol erhoben, auf der andern gegen den andern Pol gesenkt wäre, würde denjenigen, die so weit von den Polen entfernt stehen, als der Horizont sich ausgedehnt, nur die Mitte der Sphäre sichtbar sein, was für sich klar ist. Es ist auch das Zentrum der Welt nicht mehr innerhalb, als außerhalb der Erde. Ja, weder die Erde, noch irgendeine Sphäre (Himmelskörper) hat ein Zentrum. Denn da das Zentrum der von der Peripherie gleichweit entfernte Punkt ist und es keinen vollkommen wahren Kreis oder Kugel gibt, die keine größere Vollkommenheit zuließe, so gibt es offenbar kein Zentrum, das nicht noch viel wahrer und präziser sein könnte. Eine präzise gleichweite Entfernung ist außer Gott unmöglich, weil er allein die absolute Gleichheit ist. Gott also, der das Zentrum der Welt ist, ist auch das Zentrum der Erde und aller Himmelskörper und von allem, was in der Welt ist; er ist zugleich die unendliche Peripherie von allem. Ferner: am Himmel sind keine unbeweglichen und fixen Pole, wiewohl auch der Himmel der Fixsterne infolge der Bewegung Kreise von stufenweise verschiedener Größe, kleiner als die Meridiane oder als die Äquinoktiale (das gleiche gilt von den dazwischen liegenden Kreisen) zu beschreiben scheint. Allein es muß sich jeder Teil des Himmels bewegen, wiewohl ungleich, im Verhältnis


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