Edgar Wallace: 69 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
»Er soll ruhig erst sein Patent kaufen. Es hat keinen Zweck, dem armen Erfinder das Geld wegzunehmen. Aber was übrigbleibt, ist auch noch eine sehr große Summe.«
»Verstehe vollkommen.« Bud Kitson nickte.
»Also, um es Ihnen weiter zu erklären«, begann der Baronet wieder, fing aber einen warnenden Blick von Toady Wilton auf und schwieg.
Ein Herr von etwa fünfundvierzig Jahren stieg die breite Marmortreppe zur Hotelterrasse herauf. Er war etwas untersetzt, hatte einen kahlen Kopf und einen schwarzen Spitzbart. Den Hut hielt er in der Hand und trocknete sich die Stirn mit einem seidenen Taschentuch. Er strauchelte und wäre beinahe gefallen. Sir George und Toady bemerkten sofort, daß er zuviel getrunken hatte.
»Ach, da sind Sie ja!« rief Soltescu auf Englisch. Er beherrschte diese Sprache sehr gut, denn er war in England erzogen worden. »Freue mich sehr, Sie zu sehen.«
Er gab dem Baron beide Hände und hätte ihn auch geküßt, wenn ihm Sir George nicht ausgewichen wäre.
»Ich habe Sie leider warten lassen müssen«, sagte er schnell und liebenswürdig. »Ich bitte das zu entschuldigen. Aber ich hatte auch viele Schwierigkeiten zu überwinden. Obendrein sind alle Straßen in diesem verdammten Monte Carlo so voller Menschen, daß man kaum vorwärtskommt. Mein Auto ist außerdem nicht hier. Ich habe mir schon den ganzen Weg lang Vorwürfe gemacht, daß ich nicht zu der verabredeten Stunde hier sein konnte!«
Je länger er sprach, desto mehr Fehler machte er. Wie die meisten Rumänen suchte er London selten zu seiner Erholung auf, da er die Annehmlichkeiten von Paris dem nüchternen Leben in der Themsestadt vorzog.
»Ich habe aber nur wenig Zeit, weil ich heute abend noch nach Nizza muß, um mit meinem Erfinder zu sprechen.«
»Was sind Sie doch für ein tüchtiger Geschäftsmann«, erwiderte Sir George anerkennend. »Wir Engländer könnten noch viel von Ihnen lernen.«
Soltescu zuckte die Schultern.
»In vielen Dingen müssen wir uns aber immer wieder die Engländer zum Vorbild nehmen«, entgegnete er mit einem höflichen Lächeln.
Es unterlag keinem Zweifel, daß er schon viel Alkohol zu sich genommen hatte, aber trotzdem konnte er noch vollkommen klar denken.
»Wir waren schon besorgt um Sie, Monsieur Soltescu«, sagte Toady Wilton verbindlich.
»Besorgt um mich?« wiederholte der Rumäne überrascht.
»Ja. Wir halten es nämlich nicht gerade für sehr ratsam, zu dieser Zeit in Monte Carlo mit einer so großen Summe in der Tasche spazierenzugehen«, erklärte Sir George.
Monsieur Soltescu lachte und klatschte in die Hände, um den Kellner zu rufen. Er bestellte eine Flasche süßen Sekt, und der Baron schauderte bei dem Gedanken, daß er eventuell auch ein Glas mittrinken müßte.
»Sehen Sie, hier ist mein Geld.« Soltescu zog seine Brieftasche heraus.
Sir George hätte schon bemerkt, wie stark der Rock des Mannes auf der rechten Seite aufgebauscht war, und er atmete erleichtert auf.
»O nein, mein Geld habe ich mir nicht stehlen lassen«, erklärte Soltescu stolz und schlug mit der Ledertasche auf den Tisch, daß Gläser und Kaffeetassen in Gefahr gerieten. Er entschuldigte sich allerdings auch sofort dafür.
Kitson, dessen Blicke magnetisch von der schwarzen Ledertasche angezogen wurden und der in diesen Dingen Fachmann war, sah aber, daß der Rumäne trotz der liebenswürdigen Entschuldigung die Tasche fest in der Hand hielt.
»Heute abend gehe ich nach Nizza zu der entscheidenden Besprechung. Es ist bereits alles arrangiert. Endlich komme ich in den Besitz der chemischen Formel und der Beschreibung des Herstellungsprozesses. Ich sage Ihnen, die Welt wird staunen!« Er strahlte vor Freude. »Vor allem die Fachwelt wird staunen! Die Sache gehört zu den wichtigsten Erfindungen, die während des letzten Jahrzehnts gemacht wurden, und wird geradezu eine Revolution auf dem Wirtschaftsmarkt hervorrufen. Hoffentlich haben Sie verstanden, was ich Ihnen sagen wollte. Mein Englisch ist nicht so einwandfrei, wie es eigentlich sein sollte, besonders wenn ich ein wenig mehr als gewöhnlich getrunken habe.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Monsieur Soltescu«, erwiderte Sir George liebenswürdig. »Ich wäre nicht auf den Gedanken gekommen, daß Sie heute abend schon etwas getrunken haben.«
Der Rumäne lachte und steckte die Brieftasche wieder ein.
»Oh, ich habe schon ganz gehörig gefeiert. Zwei Flaschen Sekt habe ich geleert, und ich fühle mich schon recht vergnügt. Aber jetzt wollen wir einmal den geschäftlichen Teil besprechen.«
Er setzte sich aufrecht und rückte seinen Stuhl so, daß er alle drei sehen konnte.
»Sie haben einen großen Schlag für die Rennen vorbereitet und sind davon überzeugt, daß die Sache gelingen wird und daß wir eine Menge Geld dabei machen werden. Ich selbst komme zum Derby nach England hinüber. Es wird mir Vergnügen machen, als Zuschauer dabeizusein. Ich frage Sie nicht«, fuhr er fort und hob die Hand, »ob Ihre Pläne mit dem Gesetz in Übereinstimmung stehen, oder ob sie irgendwie unehrenhaft sind. Mir genügt es, wenn ich Geld dabei verdienen kann, und wenn es ein großes sportliches Ereignis wird. Sie gehören zu den besten Adelskreisen Englands, Sir George, und ich bin zufrieden, wenn Sie die Sache selbst planen. Ich übernehme die Finanzierung. Welche Summe benötigen Sie?«
»Fünftausend Pfund.«
»Fünftausend Pfund«, wiederholte Soltescu nachdenklich. »Und welche Sicherheit bieten Sie mir dafür?«
»Mein Name muß Ihnen genügen«, entgegnete Sir George nachdrücklich.
»Genügt mir auch. Morgen überweise ich Ihnen den Betrag.« Er dachte einen Augenblick nach. »Nein, morgen noch nicht. Heute abend fahre ich nach Paris. Ich gebe Ihnen einen Scheck auf meine Bank – Credit Lyonnais – ich habe ein Konto bei der Zentralstelle in Paris.«
»Aber warum wollen Sie mir die Summe nicht heute abend in bar zahlen?« fragte George freundlich. »Sie tragen doch so viel Geld mit sich herum.«
»Das geht nicht.« Der Rumäne schüttelte den Kopf. »Es ist möglich, daß ich die ganze Summe brauche. Ich stehe vor dem Ankauf einer großen Erfindung, und ich weiß nicht, was ich im Anschluß daran in den nächsten Tagen noch alles zu erledigen habe. Sie verstehen mich doch?« wandte er sich an Toady Wilton.
»Vollkommen«, antwortete dieser höflich. Er hatte jedoch kein Wort verstanden, denn Soltescu sprach schnell und vergaß in der Begeisterung alle englischen Sprachregeln. Nur Leute, die lange mit ihm bekannt waren, konnten ihm folgen.
»Heute abend reise ich nach Paris, wie ich Ihnen schon gesagt habe. Um 23.43 fahre ich von Nizza ab. Meine Adresse in Paris ist Ihnen ja bekannt.«
Er erhob sich etwas unsicher, schüttelte Sir George mit großer Herzlichkeit beide Hände und verabschiedete sich mit demselben Enthusiasmus von Wilton und Kitson.
Sie sahen ihm nach, als er die Treppe hinunterging.
»Er fährt heute abend. Sie haben doch gehört, wie er es sagte«, bemerkte Sir George leise. »Wilton, gehen Sie sofort zum Bahnhof und nehmen Sie drei Schlafwagenkarten von Nizza nach Paris, und sehen Sie vor allem zu, daß Sie herausbringen, welche Bettnummer Soltescu hat.«
Am selben Abend trat Milton Sands gegen neun Uhr in das prachtvoll dekorierte Vestibül des Kasinos. Er hatte eine Zehnfrancs-Zigarre im Mund und weniger als zehn Francs in der Tasche. Sein Geld war verspielt, aber er empfand keine Reue und machte sich auch nicht die mindesten Vorwürfe darüber. Er nahm das Leben mit all seinen Wechselfällen in philosophischer Ruhe hin. Wie schlecht war es ihm nicht in Australien gegangen, als er ohne Wasser und Nahrung durch die wildesten Einöden wandern mußte! Nur der unerschütterliche Glaube, daß er aus all diesen Gefahren herauskommen würde, hatte ihm damals durchgeholfen. Zwar hatte er nicht auf ein Land gehofft, in dem Milch und Honig fließt, aber wenigstens auf eine Gegend mit vielen Bächen, wo er sein Pferd