Edgar Wallace: 69 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
lachen, mochte sie nun wirklich vorhanden oder nur vorgetäuscht sein. Er dachte an eine Lösung, aber er verwarf sie sofort wieder. Aber dann kam er doch wieder darauf zurück, weil sie unter den gegebenen Umständen der einzige Ausweg war. Aber er konnte diesen Plan nur auf Kosten seiner Selbstachtung durchführen. Beinahe fluchte er schon auf Heloise und den Idioten, der diese verrückte Reise vorgeschlagen hatte.
Trenter legte gerade den Anzug seines Herrn zurecht, den er am Abend tragen wollte, als Gordon in den Ankleideraum trat.
»Bleiben Sie hier, Trenter. Wann hatten Sie Ihren letzten Urlaub?«
»Im April, Sir.«
Gordon überlegte.
»Kennen Sie Schottland?«
»Jawohl, ich bin öfters mit den Familien, bei denen ich diente, im September dort auf der Jagd gewesen.«
»Nun, das ist gut. Trenter, ich muß in einer bestimmten Angelegenheit eine Reise machen, die ich selbst vor meinen besten Freunden geheimhalte. Ich habe sehr wichtige Gründe dafür, heimlich an einen bestimmten Platz zu fahren, während man mich woanders vermutet. Aber damit will ich Sie nicht beschweren, Sie würden es auch nicht verstehen.«
Trenter hatte wenig Anhaltspunkte für seine Vermutungen, aber er traf mit seiner ersten Anspielung gleich das Richtige.
»Handelt es sich um eine Dame, Sir?« fragte er diskret.
»Nein!«
Gordons Gesicht verdunkelte sich, er war sehr ärgerlich.
»Natürlich nicht. Es ist eine, rein geschäftliche Angelegenheit, die gar nichts mit einer Dame zu tun hat!«
»Es tut mir furchtbar leid«, sagte Trenter verlegen.
»Wir wollen über den Zweck meiner Reise nicht weiter sprechen. Ich wollte Ihnen nur folgendes sagen. Miss Ford ist etwas nervös und ängstlich und hat mich gebeten, ihr in kurzen Zwischenräumen von meiner Reise zu telegrafieren.«
»Und Sie wollen mich nun nach Schottland schicken, um die Telegramme abzusenden« fragte Trenter strahlend.
Gordon staunte über die schnelle Auffassungsgabe seines Butlers.
»Ja, das sollen Sie tun. Sie ersparen mir dadurch viele Unannehmlichkeiten. Wenn die Telegramme schließlich in andere Hände fallen sollten, so könnten sie dazu beitragen, noch jemand anders zu täuschen!«
Trenter nickte verständnisvoll. Er konnte nicht ahnen, wer mit dieser letzten Bemerkung gemeint sein sollte. Selbst Gordon kannte den Mann ja nicht. Aber er gewann allmählich mehr Sicherheit im Lügen – er war schon ganz rücksichtslos geworden.
»Aber daß Sie der Dienerschaft nichts davon erzählen«, warnte er.
Trenter lächelte. Gordon hatte ihn früher niemals lächeln sehen. Es war ein ungewohnter Anblick.
»Nein, Sir. Ich werde sagen, daß meine Tante in Bristol krank ist – das stimmt nämlich auch – und daß Sie mir Urlaub gegeben haben, sie zu besuchen. Wie lange soll ich fortbleiben, Sir?«
»Ungefähr eine Woche.«
Mr. Trenter ging sofort nach hinten in die Dienerstube.
»Der Chef hat mir eine Woche freigegeben, daß ich meine Tante besuchen kann. Ich werde morgen schon abreisen«, sagte er selbstbewußt und wichtig.
Eleanor war schon von Natur aus argwöhnisch.
»Das kommt etwas plötzlich. Der Herr fährt morgen auch ab, ihr Männer seid eigentlich recht unzuverlässige Teufel. Wir Frauen wissen niemals, wie wir mit euch daran sind.«
Trenter lächelte geheimnisvoll. Es schmeichelte ihm ungemein, daß man ihn wegen irgendwelcher Abenteuer in Verdacht hatte.
»Wir werden ja sehen«, meinte er.
»Verreist Miss Diana auch?« fragte die Köchin.
»Meinen Sie mit mir oder mit ihm?« fragte Trenter unverschämt. »Sie geht nicht mit ihm, und ich mache ihm deshalb auch keinen Vorwurf. Sie ist keine Dame – das ist meine feste Überzeugung.«
»Behalten Sie Ihre Weisheit nur für sich«, erwiderte Eleanor böse. »Ich dulde nicht, daß etwas Böses über Miss Diana gesagt wird.«
»Ihr Frauensleute steckt doch immer unter einer Decke!«
»Und ihr Männer haltet euch an gar nichts!« Eleanor war ein wenig inkonsequent. »Miss Diana ist viel zu gut für ihn. Ich vermute, daß ihr beide irgendwelche galanten Abenteuer vorhabt. Soweit ich in Betracht komme, können Sie ja schließlich machen, was Sie wollen. Für mich waren Sie eben nur eine Erfahrung. Jedes Mädchen muß seine Erfahrungen machen – bis zu einem gewissen Grade.«
9
Als Trenter vor Zeiten Mr. Superbus kennenlernte, war dieser noch Gerichtsvollzieher, ein Mann, der das Eigentum von Leuten, die bei Gericht verurteilt waren, mit Beschlag belegte, der gerichtliche Vorladungen überbrachte, Möbel pfändete und alle diese Dinge vornahm, die mit einer solchen Stellung verknüpft sind. Aber das unerbittliche Gesetz des Fortschrittes, der natürliche Hang, sich zu verbessern, veranlaßte Mr. Superbus, seinen Posten in der Provinz aufzugeben und ein kleines Büro in dem Gebäude des Versicherungstrusts zu beziehen. Man hatte seinen Namen dort auf ein Glasschild an der Tür gemalt. »Erster Auskunftssekretär« war darauf zu lesen. Den Titel Detektiv, den er auf seine Visitenkarte drucken ließ, legte er sich selbst bei. Er hatte auch den Antrag bei seinem Vorgesetzten gestellt, ihn von Amts wegen eine Nickelmarke unter seiner Westenklappe tragen zu lassen, um sich in geeigneten Momenten zu erkennen zu geben. Aber dieses Ansinnen wurde als unerwünscht abgelehnt.
Mr. Superbus saß am offenen Fenster seines Wohnzimmers und dachte tief nach. Trotz der kühlen Witterung des Tages war er in Hemdsärmeln, denn er zählte zu jenen heißblütigen Männern, denen das kühlere Klima nichts anhaben kann. Es war ein offenes Geheimnis, daß er einer der abgehärteten Männer war, die im Serpentine-Teich im Hydepark an jedem ersten Weihnachtstag ein Bad nahmen, selbst wenn sie die Eisdecke einschlagen mußten. Mit monotoner Regelmäßigkeit erschien sein Bild an jedem 26. Dezember in den illustrierten Zeitungen.
Seine Frau kam zitternd herein. Sie nahm nur warme Bäder.
»Du wirst dich noch auf den Tod erkälten, Julius«, sagte sie. »Macht dir denn das Spaß, vom Morgen bis zum Abend dazusitzen und nichts zu tun?«
»Ich bin kein Müßiggänger«, erwiderte Julius ruhig. »Ich denke tief nach.«
»Das ist es ja gerade, was ich Nichtstun nenne«, meinte sie und deckte den Tisch.
Sie hatte eine außerordentliche Achtung vor den Fähigkeiten ihres Mannes und bewunderte ihn heimlich, aber sie fühlte, daß die Harmonie ihrer Ehe gestört werden könne, wenn sie den Irrtum beging, ihm das offen zu zeigen.
»Ich möchte nur wissen, was du immer zusammendenkst!«
»Das ist reine Verstandesarbeit«, erklärte Julius.
»Du hast immer so verrückte Ideen«, sagte sie verzweifelt. »Ich wundere mich nur, warum du nicht zur Bühne gehst.«
Es war ihre Überzeugung, daß die Bühne das Reservoir war, in dem jedes Genie eingefangen wurde.
»Dieser Doppelgänger gibt einem wirklich Rätsel auf, obgleich ich schon größere Probleme meiner Zeit gelöst habe.«
Sie nickte.
»Die Art, wie du vorige Woche den Brunnen ausgebessert hast, hat großen Eindruck auf mich gemacht, deshalb glaube ich alles, was du sagst. Wer ist denn dieser Doppelgänger?«
»Ein Schwindler, ein Parasit der menschlichen Gesellschaft, ein menschlicher Vampir – aber