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Das Lob der Narrheit. Erasmus von RotterdamЧитать онлайн книгу.

Das Lob der Narrheit - Erasmus von Rotterdam


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dadurch meinen Geistesfähigkeiten Bewunderung zu erkünsteln. Diese haben sich etwa bey Verfertigung einer Rede dreyßig Jahre hindurch erschwitzt, wenn es ja nicht gar eine zusammengeborgte Waare ist: und doch behaupten sie mit einem tapfern Eidschwure, sie haben sie inner drey Tagen spielend zu Papier gebracht. Meine Sache aber ist es, alles gerade heraus zu sagen, wie es mir auf die Zunge springt.

      Man erwarte nicht, daß ich mich, nach der Weise der Alletagsredner, bey einer kunstmäßigen Beschreibung meiner selbst oder wohl gar bey einer kopfbrechenden Eintheilung meines Gegenstandes, verweilen werde. Beydes würde für mich sehr unschicklich seyn. Wie! ich sollte mir selbst Schranken setzen, mir, deren Herrschaft sich über die ganze weite Welt erstreckt? Ich sollte da pedantisch trennen und theilen, wo alle Völker in ihrer Berechnung übereinstimmen? Wozu würde es dienen, ein würkliches Schattenbild von mir hier aufzustellen, da man mich selbst mit Augen sehen kann? Ich mache Sie, meine Herren, zu Augenzeugen: bin ich nicht die ächte Austheilerinn alles Guten, die man in der ganzen Welt die Narrheit zu nennen gewohnt ist?

      O ja, ich Närrinn hätte dieses zu sagen nicht nöthig gehabt. Aus meinem Antlitze läßt sichs sehen, auf meiner Stirn lesen, was ich im Schilde führe. Wenn mich jemand für die Minerva ausgeben wollte, für die Göttinn der Weisheit, so würde er widerlegt seyn, so bald man mir ins Angesicht sähe. In diesem, wenn ich auch den Mund nicht aufthue, ist meine Gemüthsart nach dem wahren Leben geschildert. Ich bediene mich keiner Schminke; wie ich von innen bin, zeig ich mich von aussen; ich bin mir immer so gleich, daß man mich auch an denen nicht verkennen kann, die sich unter der Larve der Weisheit für hochweise Männer ausgeben; Affen, die im Purpurröckchen einher strotzen; Esel, die in einer Löwenhaut umher traben: wenn sie sich auch noch so listig verstellen, so verrathen doch die hervorragenden Oerchen ihren Midas.

      In Wahrheit, das sind undankbare Geschöpfe: sie sind unstreitig unsre Zunftgenossen, und schämen sich doch öffentlich unsern Nahmen anzunehmen; ja sie schimpfen auf die, welche von sich ein ehrlicheres Bekenntniß ablegen. Da sie wirklich Erznarren sind; und doch für weiser als ein Thales wollen angesehen werden: können wir sie nicht mit allem Rechte Närrisch-Weise nennen? Es scheint, daß sie diesorts unsern heutigen Rednern nacheifern, die sich bald gar für Götter halten, wenn sie die Leute bereden können, daß sie, gleich den Blutsaugern, zweyzüngig seyen; sie sehen sich für Helden an, wenn sie eine lateinische Rede mit einigen griechischen Wörtern durchspicken, und also eine unschickliche Mosaikarbeit zu Markte bringen können. Und wenn es ihnen an ausländischen Wörtern fehlt, so scharren sie aus verschimmelten Schriften etliche veraltete Wörter hervor, mit denen sie dem Leser einen Dunst vor die Augen zaubern: dadurch setzen sie sich in die Gunst derer, die sich darauf verstehen; die übrigen werden um so viel tiefer in Verwunderung gesetzt, je unwissender sie sind. Auch dieses macht einen schönen Theil unsrer Wonne aus, daß wir uns durch das, so von weitem kömmt, am meisten rühren lassen. Die, welchen es an Ehrfurcht nicht fehlt, lächeln ihren Beyfall zu, und bewegen geheimnißvoll, gleich den Esel, die Ohren, damit man denke, sie seyen mit der Sache tief bekannt; ja, sprachen sie scharfsinnig: die Sache verhält sich wirklich so, wie sie sich verhält. Ich lenke wieder ein.

      Sie wissen also meinen Namen, Sie, meine Herren! Welchen Ehrentittel soll ich Ihnen beylegen? Das Wort Erznarren wird Ihnen wohl nicht zuwider seyn; mit einem schicklichern weiß die Göttin der Narrheit ihre Verehrer, die mit ihren Geheimnissen vertraulich bekannt sind, nicht zu bezeichnen. Weil aber meine Abkunft eben nicht vielen bewust seyn wird, so will ich solches unter dem guten Beystande der Musen zu eröfnen trachten.

      Nicht Chaos, Orkus, Saturn, Jupiter, war mein Vater, noch irgend einer der veralteten und ausgedienten hausgrunzerischen Göttergreisen: Plutus hieß er; dieser, und dieser allein (trotz dem Hesiodus, dem Homerus, und dem Jupiter selbst) war der Vater der Menschen und Götter; Plutus, auf dessen Wink auch jetzt noch, wie vor Zeiten, alles, was heilig und unheilig ist, unter einander gemengt wird. Krieg, Friede, Reiche, Rathsversammlungen, Gerichtsplätze, Landtäge, Ehen, Bündnisse, Verträge, Gesetze, Künste, das Scherzhafte; das Ernsthafte (o an Athem gebrichts mir!) kurz alle öffentlichen und besonderen Angelegenheiten der Sterblichen, richten sich nach seiner Willkühr. Ohne sein Zuthun würde das ganze poetische Göttervolk, (ich will freyer von der Brust weg reden) würden selbst die Götter der ersten Classe entweder gar nicht seyn, oder doch gewiß am häuslichen Tisch ihr Leben sehr sparsam durchbringen müssen. Dem, über den er zörnt, wird selbst Pallas kümmerlich zu helfen wissen. Der, den er begünstigt, wird er mit dem obersten Jupiter, und seinem Tonnerkeile, sicher aufnehmen können.

      Eines solchen Vaters hab ich mich zu rühmen. Er erzeugte mich, nicht aus seinem Gehirne, wie Jupiter jene saure und scheußliche Minerva, sondern mit der jugendlichen Neotes, der schönsten und muntersten Nymphe. Er war mit ihr nicht im traurigen Bande des Ehestandes verstricket; ich ward nicht wie jener Vulkan, der hinkende Schmidt, gebohren; ich bin eine Tochter der freyen und freudigen Liebe.

      Mein Vater war nicht (irren Sie sich nicht, meine Herren!) jener aristophanische Plutus, der abgelebte, halbblinde; nein munter war er noch, in der Blüthe der jugendlichen Hitze; ja, nicht nur der jugendlichen, sondern auch der durch den Nektar entzündeten, den er damals an einem Freudenfeste der Götter reichlich geschlürft hatte.

      Wollen Sie auch meinen Geburtsort wissen? O ja, heut zu Tage kömmt es in Absicht auf den Adel vieles darauf an, wo man in der Wiege zuerst geschrien habe. Ich ward nicht in der schwimmenden Insel Delos geboren; nicht in dem wogenreichen Meere; nicht in einer verborgenen Höle; sondern in jenen beglückten schlarafischen Inseln, wo alles ungesäet und unbepflügt hervor sprudelt; da weiß man nichts von Arbeiten, vom Altern, von Krankheiten. Goldwurzeln, Pappeln, Zwiebeln, Feigbohnen, Erbsen, oder andre dergleichen Aermlichkeiten verstellen da die Felder nicht; dem Auge und Geruche schimmern, und duften von allen Seiten her Amaranten, Rosen, Majoran, Violen, Hyacinthen, entgegen; man glaubt, in dem Garten des Adonis zu seyn.

      In einer solchen wonnevollen Gegend gebohren, fieng ich das Leben nicht mit Weynen an; schmeichelnd lächelte ich, kleine Närrinn, meiner Mutter sogleich ins Angesicht. Den saturnischen Jupiter beneide ich nicht, daß er eine Ziege zur Amme hatte. Zwo drollichte Nümphen reichten mir ihre Brüste dar: die taumelnde Methe, Tochter des Bachus; und die sorglose Apädia, Tochter des Pans. Beyde befinden sich hier in der Gesellschaft meiner Gefehrten und Aufwärterinnen. Ich soll sie bey ihren Namen nennen? Gut, hier sind sie! Diese, die ihre Stirn hoch trägt, ist die sich selbst liebende Philautia. Diese mit ihren zulächelnden Augen, beyfallklatschenden Händen ist die schmeichelnde Kolakia. Diese halbschlafende, die man bereits träumend glauben sollte, ist die vergeßliche Lethe. Diese, die sich auf ihre Elenbogen steuert, und die Hände gefaltet hält, ist die arbeitscheuende Misoponia. Diese mit Rosenkränzen umschlungen, Wolgerüche duftend, ist die wollüstige Edone. Diese mit ihren unstet umherschweifenden Augen, ist die wahnsinnige Anoia. Diese mit der glatten Haut, deren ganzer Körper sich sowohl genährt zeigt, ist die verzärtelte Tryphe. Unter diesen Mädchen sind auch zween Götter zu sehen. Der Eine ist der sich bey jugendlichen Trinkgelagen munter hervorthuende Komus; der Andere der sich dann in den tiefsten Schlaf versterbende Nagretos-Hypnos. Mit dem Beystande dieser meiner getreuen Bedienten unterwerf ich alles meiner Herrschaft, und Monarchen selbst ertheil ich meine Befehle.

      Ich habe nun von meiner Abkunft, meiner Auferziehung, und meinem Gefolge, Nachricht gegeben. Damit niemand meyne, ich bediene mich ohne Grund des Tittels einer Göttinn, will ich zeigen, wie viel Gutes ich an Göttern und Menschen thue, und wie weit sich meine göttliche Macht erstrecke. Man öffne die Ohren!

      Jemand hat die nicht unschickliche Anmerkung gemacht: um ein Gott zu seyn, müsse man den Menschen Wohlthaten erweisen. Man hat der Zunft der Götter mit Recht jene einverleibt, welche die Menschen über den Gebrauch des Weines, des Getreides, und andre Lebensbedürfnisse von dieser Art unterrichtet haben. Wo hätte man das Recht her, mich nicht für das Alpha aller Götter zu halten, mich, welcher einzig jedermann alles und jedes zu verdanken hat?

      Zuerst, was kann angenehmer, was köstlicher seyn, als das Leben an sich selbst? Und von wem anders, als von mir, hat man den Anfang desselben erhalten? Nicht die Lanze der aus dem stärksten der Väter gebohrnen Pallas, nicht der Schild des wolkensammelnden Jupiters, hat einen Einfluß


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