Eine Reise nach Hawaii. Theodor KirchhoffЧитать онлайн книгу.
und dem Gesänge der Vögel im grünen Laubwerk, atmete die vom Dufte der Jasminen erfüllte milde Luft mit vollen Zügen ein, betrachtete das wundervolle Strandgemälde und schlürfte behaglich den kalten perlenden Sekt. Aber diese Freude war nicht ungetrübt. Ab und zu stellte sich ein bissiger Moskito ein, und anregende Gespräche über Haifische und Aussätzige überzeugten mich, daß selbst im hawaiischen Paradiese die kleinen Teufel nicht fehlen, welche uns armen Sterblichen allerwärts das Erdenglück verbittern. Zu anderen Zeiten besuchte ich die prächtigsten Palmenhaine, die jedem Fremden offen stehn, oder ich wanderte durch den weitläufigen Kapiolani-Park. Nach Herzenslust kann man dort in den tropischen Anlagen umherschweifen und die Aussicht auf den Diamond Head, den hohen Kokospalmenhain und das weite blaue Meer genießen, oder auf einer einsamen Bank Platz nehmen und sich in den Inhalt eines lieben Buches ungestört vertiefen.
Die meisten Fremden besuchen Waikiki, um dort bei der Badeanstalt ein Seebad zu nehmen. Dasselbe liegt innerhalb des Korallenriffs, durch welches die in diesen Gewässern unangenehm zahlreichen Haifische vom Badegrund fern gehalten werden. Höchst selten gelangt eine von jenen Seehyänen durch eine schmale Öffnung in dem Riff, nach der Badestelle, wo sie aber nie lange verweilen wird. Ein molligeres Seebad, als das bei Waikiki, giebt es nirgends in der Welt. Es ist ein wahrer Hochgenuß, in dieser Flut umherzuschwimmen, die nicht zu kalt und nicht zu warm und so blau ist, wie das Mittelmeer bei der Insel Capri. Ein Hauptvergnügen ist es, den badenden Kanaken zuzuschauen. Männer, Frauen und Kinder tummeln sich dort, wie der Herrgott sie geschaffen hat, nebeneinander in der blauen Salzflut. Manche von ihnen nehmen ein Brett mit in die Wogen, stellen sich auf dasselbe und lassen sich so durch die hochaufschäumende Brandung treiben, andere stürzen sich ohne ein Brett in die Brandung, schwimmen wie die Fische im Wasser umher und tauchen unter, als befänden sie sich in ihrem ureigenen Element. Je wilder die Brandung tobt, um so lieber ist es ihnen. Die Frauen wetteifern mit den Männern in Schwimmkünsten. Verläßt eine von den braunen Seejungfern die Salzflut, so trocknet sie sich nicht etwa erst ab, ehe sie sich anzieht. Das ist in Hawaii ein überwundener Standpunkt. Sie wirft nur ein loses Baumwollengewand über den Kopf und wandert barfüßig von dannen, ohne sich um die kaukasischen Zuschauer im geringsten zu kümmern.
In der Nähe der Badeanstalt befindet sich eine Anzahl kleiner Teiche, die ganz voll von Goldfischen sind. Für den verwöhnten Gaumen der Kanaken sind diese ein beliebtes Gericht. Man verspeist sie roh – ohne Pfeffer und Salz! Rohe Fische sind ein Leckerbissen, den die kaukasischen Feinschmecker noch nicht entdeckt haben. In einen lebendigen Aal, Hecht oder Karpfen hineinzubeißen, soll so gut schmecken wie ein Gericht Austern in der Schale. In geringer Entfernung von den Goldfischteichen liegt an der Landstraße ein Chinesenladen, und nicht weit davon eine Kanakenschule. In der Schule werden die wie die Gänse barfuß herumlaufenden kaffeebraunen Kinder von einer Yankeeschoolarin in den Anfangsgründen der Wissenschaften, nämlich im Lesen, Schreiben und Rechnen, unterrichtet. Während der Zwischenpausen jagen sie sich und spielen miteinander, genau so wie die Kinder in einer deutschen Dorfschule. Den Fremden betteln sie gern deren überflüssige fünf-Centstücke ab, wofür sie im Chinesenladen sofort Kandy kaufen. Der schlitzäugige John, der Eigentümer des Ladens, hatte nebst den Lebensbedürfnissen für die erwachsenen Mongolen einen großen Vorrat von Süßigkeiten, Crackers, Nüssen u.s.w. auf Lager, womit er einen einträglichen Handel trieb. Die braunen Kleinen kamen stets in hellen Haufen zu mir gelaufen, sobald sie meiner bei Waikiki ansichtig wurden, und John lächelte, jedesmal wenn er mich kommen sah, so sanft, wie Bret Harte's weltberühmter Heathen Chinee es beim Pokerspiel zu thun pflegte.
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