The Independent Mind. OshoЧитать онлайн книгу.
einen Tag kürzer als sie gestern war, und morgen wird sie noch einen Tag kürzer sein. Was ihr für ein zunehmendes Alter haltet, ist tatsächlich ein abnehmendes Alter. Die Tage, die ihr als Geburtstage feiert, sind nichts als Meilensteine, die den nahenden Tod ankündigen. Und nachdem wir in alle Richtungen gerannt sind, kommen wir am Ende beim Tod an.
Wir rennen kopflos durch die Gegend, wir sichern uns auf jede erdenkliche Weise ab, wir machen alles und jedes, aber all unser Herumgerenne ist nichts weiter als ein Versuch, den Tod zu vermeiden. Der eine mag Reichtum anhäufen, der andere mag den Hals nicht von Ruhm vollkriegen, der dritte mag Statussymbole sammeln, und wieder ein anderer mag unersättlich nach Macht gieren. All diese Bemühungen drehen sich nur nur um das Eine. Damit wir uns, wenn der Tod kommt, verteidigen, vor ihm schützen können. Aber all diese Maßnahmen scheitern. Der Tod kommt trotzdem.
Dazu fällt mir eine kleine Geschichte ein … Ein Kaiser aus Damaskus sah sich eines Nachts im Traum neben seinem Pferd unter einem Baum stehen. Von hinten kam ein dunkler Schatten und legte ihm seine Hand auf die Schulter. Als er sich umdrehte, erschrak er. Der Schatten sagte: „Ich bin der Tod, und morgen werde ich kommen und dich holen, mach dich also bereit und sei pünktlich am vorbestimmten Ort.“
Er wachte auf, der Traum verschwand, aber er hatte Angst. Am Morgen rief er alle großen und berühmten Astrologen seines Reiches herbei, darunter auch angesehene, in der Traumdeutung bewanderte Gelehrte, und wollte wissen: „Was hat folgender Traum zu bedeuten, was will er mir sagen? Gestern Nacht sah ich im Traum einen dunklen Schatten, der mir seine Hand auf die Schulter legte mit den Worten: ‚Ich bin der Tod, und morgen werde ich kommen und dich holen, mach dich also bereit und sei pünktlich am vorbestimmten Ort.‘“
Die Zeit drängte. Ihm blieb nur dieser eine Tag, denn am Abend wollte der Tod bei Sonnenuntergang kommen. Die Astrologen sagten: „Wir können nicht lange überlegen: Nimm einfach dein schnellstes Pferd und reite so weit wie möglich davon. Je weiter weg du gehst, desto besser.“
Eine andere Wahl schien es nicht zu geben. Was hätte einem auch sonst einfallen können? Nur dies war die Lösung: Er musste sich so weit wie möglich von seinem Palast, von seinem Reich entfernen. Wie sonst könnte er sich retten? Wenn euch einer gefragt hätte, was hättet ihr vorgeschlagen? Oder wenn man mich gefragt hätte, was sonst hätte ich sagen können? Der Rat dieser Astrologen war richtig. Der Mensch ist geistig zu beschränkt, um eine bessere Lösung zu finden.
Es war kristallklar: Er musste aus dem Palast weg, um sich vor dem Tod zu retten. Der Kaiser hatte mehr als genug Rennpferde. Er besaß die schnellsten und besten und ließ eines dieser Pferde kommen, bestieg es, und schon schoss es los. Es rannte schneller als ein Pfeil, und angesichts dieses Tempos wurde der Kaiser immer entspannter. Also gewann er mehr und mehr Zuversicht: Bei diesem Tempo konnte ihn niemand mehr einholen, jetzt war Rettung in Sicht!
Längst lag die Hauptstadt, sein Reich mit all seinen Städten und Dörfern hinter ihm. Sein Pferd galoppierte munter im gleichen Tempo weiter. Der Kaiser legte keine Pause ein; er aß weder etwas, noch trank er genug Wasser. Wer würde auch anhalten? Wer hätte auch Zeit für Speis und Trank, wenn ihm der Tod auf den Fersen war? Und auch dem Pferd gönnte er keine Pause, er besorgte ihm nicht einmal Wasser. Für ihn gab es nur dies: Heute so weit wie möglich wegzureiten.
Es wurde Nachmittag. In dieser Entfernung von seinem Palast war der König überglücklich. Bislang war er betrübt gewesen, jetzt aber, am Spätnachmittag, begann er Lieder zu summen. Er fühlt sich in Sicherheit. Als die Nacht hereinbrach, war er Hunderte von Meilen weit weg. Als die Sonne unterging, betrat er einen Mangohain, band sein Pferd an und stellte sich unter einen Baum. Er war äußerst entspannt und wollte gerade Gott seine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen, dass er es so weit geschafft hatte, als er dieselbe Hand auf seiner Schulter spürte, die er nachts zuvor in seinem Traum gesehen hatte. Entsetzt dreht er sich vorsichtig um – und vor ihm stand der nämliche dunkle Schatten!
Dieser sprach ihn an: „Ich machte mir schon große Sorgen, ob du es überhaupt so weit schaffen könntest, denn dies ist der Ort, wo es dir bestimmt ist zu sterben. Wie solltest du auch eine solche Entfernung überwinden können … Doch du hattest ein schnelles Pferd, und du bist ein ausgezeichneter Reiter. Du bist pünktlich zur Stelle.“
Wir mögen noch so weit weglaufen, es ist nicht aufzuhalten – ganz egal ob man es vorher geträumt hat oder nicht. Es kann nicht ausbleiben: Eines Tages werdet ihr dem Tod begegnen – und zwar genau am vorgesehenen Ort.
Die Richtungen, in die wir rennen, mögen sich unterscheiden, unsere Routen mögen sich unterscheiden, ebenso wie das Tempo unserer Pferde – das ist möglich. Aber letztlich macht es nicht viel Unterschied. Irgendwann, unter irgendeinem Baum, wird sich eine Hand auf eure Schulter legen. Dann werdet ihr dem ins Auge sehen, vor dem ihr davongerannt seid. An dem Tag werdet ihr Angst empfinden. Tatsächlich seid ihr auf das zugerannt, wovor ihr wegrennen wolltet.
Vor dem Tod gibt es kein Entrinnen. Ganz egal wohin wir rennen mögen, wir rennen dem Tod in die Arme. Unser Rennen selber führt uns zum Tod. Jeder, der rennt, wird beim Tod ankommen. Ein Armer mag vielleicht nur sehr langsam rennen. Er hat kein Pferd, also muss er ohne Pferd rennen. Ein Reicher mag mit einem stattlichen Pferd rennen, und Kaiser mögen mit einem richtigen Rennpferd rennen. Aber letzten Endes werden die Leute ohne Pferd genau am selben Ort ankommen, wie die Leute mit Pferd – beim Tod. Was ist also die Lösung? Welchen Weg wählen? Was kannst du machen?
Zunächst möchte ich euch darauf aufmerksam machen, dass alles, was ihr macht, egal was, zum Tod führen wird. Das braucht euch nicht zu überraschen. Schon in der Vergangenheit hat alles, was die Leute gemacht haben, sie zum Tod geführt. Nur ganz Wenige sind dem Tod entronnen. Nur macht ihr keineswegs das, was sie gemacht haben, um den Tod zu überwinden. Alle Vorbereitungen, die ihr trefft, sind einfach Vorbereitungen für den Tod. Ob es euch nun gefällt oder nicht, aber die Wahrheit ist: All unsere Vorbereitungen sind nichts als Vorbereitungen auf den Tod. An diesen drei Tagen möchte ich euch sagen, woran ihr erkennen könnt, dass ihr euch auf den Tod vorbereitet, und was für Vorbereitungen für das Leben man treffen kann.
Durchaus möglich, dass ihr zutiefst den Wunsch habt, das Leben kennenzulernen und zu entdecken. Tatsächlich gibt es keinen einzigen Menschen, der nicht den Wunsch hat, das Leben zu finden. Und doch existiert eine Art Wahnsinn, ein tiefer Wahnsinn, der die gesamte Menschheit befallen hat. Sobald ein Säugling auf die Welt kommt, wird er in ebendiesen Wahnsinn eingeweiht. Vielleicht ist das natürlich. Würde das Kind nicht eingeweiht, würden wir es für wahnsinnig halten. Als Mahavira von zu Hause wegging, hielten ihn alle für wahnsinnig. Als Buddha von zu Hause wegrannte, hielt man auch ihn für wahnsinnig, und Christus wurde ebenfalls für irre gehalten. Die gesamte Menschheit ist irre, also hält man, wenn ein vernünftiger Mensch geboren wird, ihn für irre. Vielleicht versteht ihr besser, was ich sagen will, wenn ich euch eine kurze Geschichte erzähle …
Eines Tages ging ein alte Frau bei Tagesanbruch zum Dorfbrunnen, warf etwas hinein und verkündete, jeder, der das Wasser des Brunnens trinke, werde wahnsinnig. Es gab nur zwei Brunnen in diesem Dorf. Einer befand sich im Dorf, und der andere im Palast des Königs. Bis zum Abend waren alle im Dorf bereits wahnsinnig, da sie notgedrungen das Wasser aus ihrem Brunnen trinken mussten. Nur drei Personen – der König, die Königin und sein Großwesir brauchten das Wasser des Dorfbrunnens nicht trinken und waren daher als Einzige nicht wahnsinnig geworden. Im Dorf ging das Gerücht um, der König sei offenbar verrückt geworden. Was ja nicht weiter verwunderlich ist: Wenn das ganze Dorf verrückt geworden ist, kommt jeder, der es nicht ist, allen anderen eindeutig verrückt vor. Das kann man an seinen Fingern abzählen. Folglich waren die Leuten im Dorf tief bestürzt und verstört, darunter auch einige große Denker …
Verrückte sind normalerweise große Denker. Damit schrumpft der Unterschied zwischen einem Wahnsinnigen und einem Denker: Denker werden oft wahnsinnig, und Wahnsinnige fangen oft an zu denken.
Also gab es unter diesen Verrückten auch einige Denker und Politiker. Sie alle steckten die Köpfe zusammen und überlegten, was zu tun sei. Um das Schlimmste zu vermeiden, hielten sie es für das Beste, den König zu beseitigen. „Wenn der König wahnsinnig ist, wer soll dann das Reich regieren?“ Am Abend versammelten sie sich vor dem Palast und skandierten laut Slogans des Inhalts, der König