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Finnische Träume - Teil 3 | Roman. Joona LundЧитать онлайн книгу.

Finnische Träume - Teil 3 | Roman - Joona Lund


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      Finnische Träume - Teil 3 | Roman

      von Joona Lund

      Joona Lund ist eine finnische Journalistin, die vor allem über gesellschaftliche Probleme recherchiert und schreibt.2008 las Joona von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, welches das Inzesttabu weiterhin als strafrechtlich relevant bestätigt und eine junge Familie damit ins Unglück gestürzt hat. Sie erinnerte sich an ein Interview, das sie vor Jahren in Lappland auf einem abgeschiedenen Bauernhof geführt hatte: Damals war ihr das Verhalten des jungen Mannes und seiner jüngeren Schwester aufgefallen, das sich von dem ihrer Mitschüler gravierend unterschied. Sie recherchierte und stieß auf eine Geschwisterliebe, die beinahe tragisch ausgegangen wäre. Mit ihrem Roman „Finnische Träume“ veröffentlichte Joona die Geschichte einer innigen Liebe, die sich trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse zunehmend verdichtet. Sie wollte aufzeigen, dass das Urteil des Gerichts auf wackeligen Beinen stand und verschiedene zivilisierte Länder das anders bewerten.

      Lektorat: Nicola Heubach

      Originalausgabe

      © 2014 by blue panther books, Hamburg

      All rights reserved

      Cover: © mammuth @ istock.com

      Umschlaggestaltung: www.heubach-media.de

      ISBN 9783862774401

      www.blue-panther-books.de

       5. Inkus Spiel von Joona Lund

      Sie stand vor dem Spiegel, bürstete das matt glänzende lange Haar. Jan schaute herein und auf einmal erfasste ihn eine diffuse Ahnung, die fast einer Angst nahe kam, dass sich aus der Tatsache, dass sie in seiner Gefühlswelt einen festen, alles überlagernden Platz einnahm, eine Situation ergeben könnte, die sie beide nicht mehr im Griff hatten.

      Fragend schaute sie ihn an, als merkte sie, dass er über sie beide nachsann.

      Er schüttelte sich, als könnte er das Angstgefühl damit vertreiben. »Gehst du aus? Für wen machst du dich denn so schick?«

      Sie zog eine Flunsch und antwortete gereizt: »Wo soll ich hier denn schon ausgehen? Und für wen wohl sollte ich mich schick machen?«

      »Für mich vielleicht ...«, versuchte er zu scherzen.

      Zornig schleuderte sie die Haarbürste nach ihm, er fing sie auf, legte sie aufs Bett und verließ das Zimmer. War sie schlechter Laune, war es besser, ihr nicht in die Quere zu kommen. Doch er hatte gespürt, dass etwas anders war, und es war nicht nur das neue Kleid ...

      Der einzige große Spiegel stand im Elternschlafzimmer, sie musterte sich. Das hellblaue Kleid, das Mutter aus der Stadt mitgebracht hatte, passte wie angegossen, harmonierte mit den dunkelbraunen Haaren und den dunkelblauen großen Augen im Kontrast, die erstaunt in die Welt guckten. Ungeduldig zupfte sie am Kleid herum.

      »Meinst du, es wird ihm gefallen?«

      »Garantiert«, beruhigte Mutter. Erstaunt stellte sie wieder einmal fest, dass für Inku einzig und allein entscheidend schien, ob Jan etwas gefiel. Wem sonst sollte sie gefallen? Weit und breit wohnte niemand, der in Frage kam. Ihren Mann interessierten Kleider nicht, seine Frau hätte im Kartoffelsack herumlaufen können. Das ging Mutter durch den Kopf. »Zeig es ihm, du wirst sehen, er wird begeistert sein!«

      Inku lief zu Jan, drehte und wendete sich wie auf dem Laufsteg. »Gefällt es dir?«

      »Süß«, rief er aus, »wirklich süß!«

      »Meinst du das Kleid oder mich oder beides?«, fragte sie kokett.

      Feixend schaute er auf ihren Busen, den das blaue eng anliegende Kleid betonte. »Na, wen oder was wohl? Beide sind zum Reinbeißen!«

      »Ach du«, sagte sie verlegen, ihr Gesicht war rot angelaufen. »Bei dir weiß ich nie, ob ein Hintersinn ...« Sie brach ab, Mutter war hereingekommen.

      »Passt ihr gut, nicht?«

      Jan nickte. »Toll, ja. Bei welcher Gelegenheit soll sie es denn anziehen?«

      »Nun«, meinte Mutter nachdenklich, »ich dachte, vielleicht gehst du mit ihr zum Frühlingsfest?«

      Jan zögerte, Mutter wusste, dass er sich aus solchen Festen nichts machte. »Warum nicht«, antwortete er langsam, »wenn sie will ...«

      »Das würdest du tun, Jan?«, fragte Inku aufgeregt. »Dich bringen doch keine zehn Pferde zu solchen Veranstaltungen!«

      Er grinste. »Mit so einem hübschen Mädchen ausgehen – wem gefiele das nicht.«

      Inku lief zu ihm und umarmte ihn. »Danke Jan«, flüsterte sie.

      Mutter ging zur Tür. »Manchmal kannst du richtig charmant sein.« Sie lachte. »Hast du das mitbekommen, Inku? Das war ein Kompliment!«

      Inku guckte ihn mit leuchtendem Gesicht an. »Hast du das ernst gemeint?«

      »Ob ich mit dir zum Fest gehe?«

      »Das auch, ich meinte vor allem das andere.«

      »Ob es mir gefällt?«, fragte er lachend.

      »Zieh mich nicht auf, du hast genau verstanden!«

      »Also wenn du es unbedingt hören willst: Ja, du bist ein hübsches Mädchen, ein sehr hübsches sogar! Zufrieden?«

      Sie schenkte ihm ein Lächeln, ihre regelmäßigen schneeweißen Zähne glänzten.

      »Jan, Vater sucht dich«, rief Mutter herauf, »ich glaube, er braucht dich.«

      Inku zog sich um und überlegte, warum es ihr so wichtig war, wie Jan über sie dachte und plötzlich war ihr, als rastete im Gehirn eine Sperre ein, als sollte sie daran gehindert werden, weiter zu grübeln. Die Einsicht, dass ihr Jans Meinung noch mehr bedeutete, seit sie jenes Spiel betrieben, das vieles andeutete und in der Schwebe ließ, schob sie von sich. Seit Jan ihr die ausgeschmückten Träume erzählte, die sich fast ausschließlich um sie drehten, hatte sie jedes Interesse an anderen Jungen verloren. Schulfreundinnen neckten sie, dass das Leben an ihr vorbeilaufen würde, wenn sie ewig nur Romane läse und keine wirkliche Liebe erlebte. Sie sähe gut aus, viele Jungen drehten sich nach ihr um, doch sie blockte jeden Versuch ab, ein Date abzumachen, das wäre nicht normal. Inku lächelte und schwieg, das war einzig und allein ihre Sache, das ging niemanden etwas an, zumal sie selbst nicht wusste, wie sie sich verhalten sollte und was das Gefühl, das ihr abwechselnd heiße und kalte Schauer durch den Körper jagte, bedeutete. Sie war nicht so naiv zu glauben, lesen wäre ein Mittel, um den in ihrer Seele tobenden Aufruhr zu besänftigen, aber es lenkte ab. Oft erfasste sie eine unbändige und verwirrende Sehnsucht nach Zärtlichkeit, und sie erkannte erschreckt, dass sich diese auf Jan richtete. Sie hätte mit Eila, der älteren Freundin, die über sexuelle Erfahrungen verfügte, reden können, aber dann hätte sie von Jan erzählen müssen. Sie hätte mit ihm darüber sprechen können, ihm vertraute sie, aber eine gewisse Scheu hinderte sie, sich ihm über Gefühle zu offenbaren. Konnte denn ein Mann nachempfinden, wie ihr zumute war? Einmal davon abgesehen, dass Jan nicht gerade ein neutraler Gesprächspartner gewesen wäre. Und wenn er sie auslachte, weil sie gestand, welche Rolle er in ihrem Dasein spielte? Das könnte sie nicht ertragen.

      Anderen Schulfreundinnen hatte sie nie Geheimnisse anvertraut. Sie behielten nichts für sich und auf vorsichtige Fragen Inkus über das Thema Nummer eins hatten sie ihr geraten, sich einen Freund zuzulegen, Erfahrungen zu sammeln. Es sei verkehrt, sich zu Hause zu vergraben und nichts zu erleben.

      Und eines Tages kam die Erleuchtung: Die Scheu, sich Jan anzuvertrauen, war so seltsam nicht, drängte sich doch jedes Mal, wenn sie die Sehnsucht nach Zärtlichkeit in Wellen überrollte, sein Bild in ihr Bewusstsein. Es mochte mit seinen Träumen zusammenhängen, die er erzählte, bei denen sie sich anfangs verlegen abgewendet hatte, aber noch öfter war ihr ein wonniges Prickeln über den Rücken gelaufen, hatten sich Körperregionen bemerkbar gemacht, denen sie bisher kaum Beachtung geschenkt hatte. Es war kein Wunder, dass sich die Gefühle, die sie immer häufiger überfielen, auf ihn richteten: Niemanden kannte sie so gut wie


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