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She - Vivienne, eine Frau auf Abwegen | Erotischer Roman. Evi EnglerЧитать онлайн книгу.

She - Vivienne, eine Frau auf Abwegen | Erotischer Roman - Evi Engler


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Dank und einen schönen Tag!«

       Vivienne– Mother’s Little Helper

      Sie sah toll aus. Die neununddreißig sah man ihr nicht an, auch nicht, dass sie diesen denkwürdigen Geburtstag in vierzehn Tagen zum dritten Mal begehen würde. Sie lächelte verschämt, als sie an diese alberne Eitelkeit dachte. Die winzigen Fältchen, die ihr die Natur als Gegenleistung für Lebenserfahrung in die Augenwinkel geritzt hatte, gaben ihrem Lächeln Herzlichkeit, ließen aber nicht wirklich Rückschlüsse auf ihr Alter zu.

      Wenn man sie so im Rockcafé am Fenster sitzen sah, wäre sie auch für Anfang dreißig oder gar Ende zwanzig durchgegangen. Die helle Haut wirkte wie die eines Pfirsichs und das zart geschnittene Gesicht erweckte den Eindruck, als sei es aus Porzellan. Würde sie jemandem der Anwesenden erzählen, dass ihre Enkeltochter in wenigen Wochen zwei Jahre alt werden würde, es würde ihr niemand glauben.

      Die jugendliche Erscheinung wurde von ihrer reinen und unschuldigen Wirkung unterstrichen. Sie wirkte, als könnte sie kein Wässerchen trüben, als wäre sie ein holdes, allzeit sauberes Wesen.

      Diese Einschätzung traf im Großen und Ganzen auch zu – im Großen und Ganzen. Jedoch nahmen die Unschuld und Reinheit dann und wann eine gewisse Auszeit. Manchmal ritt sie der Teufel und sie war gezwungen, jede Vorsicht über Bord zu werfen und Ausflüge in die Sünde zu unternehmen. Dann wurde sie zum männermordenden Vamp, dann wurde sie zu She, der Unersättlichen, der Wilden, der Nimmersatten, dem unartigen, leichtlebigen Flittchen.

      So wie man immer wieder auf einen schmerzenden Zahn beißt, um den unangenehmen Schmerz erneut wohlig zu erleiden, dachte sie häufig an die erlebten Abenteuer und vollzog sie in Gedanken nach. Sie bezeichnete sie für sich als Ausflüge zur dunklen Seite der Macht. Wenn ihr Mann, ihre Verwandten, gar die Kinder oder auch ihre Freundin nur die entfernteste Ahnung von ihren Eskapaden hätten, sie würden es nicht glauben und wahrscheinlich wegen ungläubigem Erstaunen nicht überleben.

      Manchmal glaubte sie selbst nicht, dass sie auf reale Erlebnisse zurückblickte und nicht auf solche, die der Fantasie entsprungen waren.

      Wenn sie sich die Erlebnisse aus ihren bisherigen Abenteuern abseits der Unschuld und der Reinheit ins Gedächtnis rief, dann kamen sie ihr teilweise regelrecht bizarr vor. So, als wären es keine realen Erlebnisse, sondern Erinnerungen an Filme, an Erlebnisse anderer Frauen, nicht eigene.

      Ihrem Mann gegenüber empfand sie tiefe Schuldgefühle, doch mit der Zeit gewöhnte sie sich daran, diese auszuklammern. Sie sagte sich, dass sie ihrem Mann durch die Eskapaden nichts wegnahm, ihn nicht um etwas betrog, was ihm zustand. Im Gegenteil, sie fühlte sich ihm nach einem solchen Ereignis viel intensiver zugetan. Fast schien sie es zu brauchen, um die Ehe weiterhin aufregend und frisch zu halten.

      ***

      Die letzte Begegnung mit ihrer besten Freundin Margarete war der Grund dafür, dass sie sich in dieses Jugendcafé geflüchtet hatte. Hier war es laut, hier wurde sie nicht immer wieder von der Erinnerung an die heftigen Worte eingeholt, die ihr mit schriller Stimme entgegengeschleudert worden waren. »Du bist Großmutter, nun steh auch dazu. Du kleidest dich wie ein junges Mädchen, das bist du aber nicht mehr …« und so weiter.

      Bis zum heutigen Tag hatte die Freundin es bei Sticheleien belassen, jedoch vorhin war der Gaul mit ihr komplett durchgegangen. Sie ließ kein gutes Haar an Vivienne, vor allem nicht an dem wilden Wuschelkopf, wie Margarete die Frisur nannte, mit der Vivienne seit Jahren zufrieden war. Margarete wies auf ihre eigene Betonfrisur hin und nannte sie »adäquat für Leute unseres Alters«.

      Mit etwas Abstand konnte Vivienne sich ein Lachen kaum verkneifen, als sie an Margaretes grau melierte Kurzhaarfrisur dachte, die kein noch so heftiger Wind in Unordnung bringen konnte. Mit ihrer eigenen rötlich-blonden Mähne verglichen, die jeder Windhauch neu gestalten durfte, empfand sie Margaretes Betonfrisur als lächerlich, spießig und nicht fraulich.

      Außerdem gefiel ihr das knallige T-Shirt-Kleidchen, das sie über der schwarzen Leggings trug, deutlich besser als die in gedeckten Farben gehaltene Garderobe der Freundin.

      Margarete war richtiggehend ausfallend geworden, vor allem als sie bemerkte, dass Vivienne nichts von der Kritik annahm. Letztendlich rauschte sie entrüstet ab.

      Im ersten Moment musste Vivienne über die hysterische Reaktion lachen, mittlerweile plagte sie jedoch eine mittlere Depression.

      » … what a drag it is getting old!«, drang es aus den Lautsprechern.

      Der alte Stones-Titel passte exakt zu ihrer Stimmung, es stand ihr nur leider kein »little helper« zur Verfügung.

      In solcher, bisher unbekannter Form beschimpft und beleidigt zu werden, verursachte Vivienne Magenschmerzen. Margaretes blitzende Augen, die gefletschten Zähne und der geifernde Mund der Freundin erinnerten sie eher an einen tollwütigen Hund als an die kultivierte und beherrschte Frau, als die sie alle Welt kannte.

      »… aufgetakelte alte Schachtel, die träumt, immer noch in den Achtziger- oder Neunzigerjahren zu leben und sich wie ein Teenie benimmt. Schau mal in den Spiegel! Du bist Großmutter, also benimm dich auch so!«

      Sie wusste, dass Margarete sich in einigen Tagen bei ihr entschuldigen würde, jedenfalls ging sie davon aus und hoffte es. Ein Einlenken der Freundin wäre unumgänglich, um wieder eine normale Beziehung zu haben, und darauf legte sie großen Wert.

      Die Schimpfkanonade hatte umgehend dazu geführt, dass die lockere Stimmung, die von der dunklen Seite ausging und in der sie seit etlichen Tagen schwelgte, verschwand und Trübsinn Platz machte. Ihre Niedergeschlagenheit nährte Zweifel, ob die Freundin eventuell im Recht war. Ob es wirklich so war, dass man in ihrem Alter ein spießiges Leben führen musste – ein Leben wie Margarete, eines von der Sorte, die sie, Vivienne, schlicht verachtete.

      Sie war unsicher, ob die Erwartungen, die wegen des Alters an sie gestellt wurden, berechtigt waren. Musste man sich irgendwann dem Alter entsprechend benehmen? Musste man eine graumelierte Betonfrisur tragen, durch die der Wind fahren konnte, so oft er wollte, und sich nichts veränderte? Oder durfte er sie zerzausen und neu gestalten? Durfte man sich die Haare nicht tönen, sondern hatte zu grau zu stehen? Musste man in gedeckten Farben und konservativ gekleidet herumlaufen? Musste man Volksmusik mögen und regelmäßig in die Kirche gehen?

      Oder konnte man nach dem Wahlspruch leben: Man ist so alt, wie man sich fühlt?

      Ihrem Mann und ihr gefiel der Lebenswandel, den sie führte, Margarete und auch den eigenen Kindern gefiel er nicht. Diesem kritischen Publikum alles recht zu machen, hieße jedoch, Supergirl zu sein, überlegte sie frustriert – spießiges, überspießiges Supergirl.

      Sie versuchte, sich selbst aus dem Treibsand der hinunterziehenden Gefühle zu befreien, indem sie ihre Erlebnisse hervorkramte und noch einmal das Positive daraus nacherlebte. Das Verrückte, Ausgeflippte, das Ungeheuerliche, das Lustvolle, das Schmutzige und Verderbte.

      Wenn Margarete von den Erlebnissen wüsste! Vivienne kicherte verschämt. Die Erinnerung war für sie immer noch so heiß, dass sie die Wangen wärmte. Zum Beispiel, als die ganze Meute vom Parkplatz sich um sie gedrängt hatte und die Männer ihren Trieben nachgegeben hatten. Sie bekam jetzt noch eine Gänsehaut, wenn sie an die Wehrlosigkeit und an das brutale Genommenwerden dachte. Sie hatte sich diesen Urgewalten schutz- und rückhaltlos ausgesetzt, war ihnen begegnet, indem sie die eigenen Triebe auslebte. Die unglaublich starken männlichen Kräfte, die auf sie einwirkten, hatte sie genossen, von ihnen gezehrt. Die Kräfte wirkten so lange, bis sie verbraucht waren und von der männlichen Pracht nur noch verlegene Gesichter übrig geblieben waren. Noch jetzt spürte sie in der Erinnerung, wie stark und schön und unbesiegbar sie sich gefühlt hatte.

      Schade, dass sie es niemandem erzählen konnte. Schade auch, dass sie niemals über ihre Ängste sprechen konnte, die Ängste, die sie ausstehen musste, bis die Ergebnisse des Aids-Tests vorlagen.

      Sie würde das Haus, in dem die wildeste aller Episoden ihren Anfang genommen hatte, wiederfinden, dessen war sie sich sicher, ganz sicher. Bis jetzt ließ er nichts von sich hören. Einerseits war sie froh darüber, weil sie zweifelte, ob sie einem solchen


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