Die Regeln meines Herrn | Erotischer SM-Roman. Starla BryceЧитать онлайн книгу.
ich auch noch warten!, dachte sich Ria. Jede Minute in dieser Bank war eine Minute zu viel. Ria schwitzte. Sie hätte sich nach der Arbeit noch schnell zu Hause umziehen sollen. Dieser Mai war bereits wärmer als so mancher Hochsommertag. Doch nun saß sie hier mit ihren langen braunen Haaren, die ihren eigenen Willen hatten, und ihren Wimpern, die trotz Mascara-Bürste für definierte Wimpern immer etwas nach Fliegenbeinen aussahen.
Als Kaltwein auf Ria zukam, war ihr erster Gedanke: Den habe ich mir größer vorgestellt! Kaltwein war kaum größer als sie selbst. Doch ohne dass er ein Wort gesprochen hatte, spürte Ria, dass sein Selbstvertrauen seine geringe Körpergröße mehr als ausglich. Der maßgeschneiderte Anzug und die schwarz glänzenden Herrenschuhe sorgten dafür, dass Ria sich noch unsicherer fühlte. So groß ihre Abneigung gegen diese Kleider-machen-Leute-Regel war – Ria wollte nicht, dass jemand aufgrund ihres Erscheinungsbildes über sie dachte, sie sei unordentlich oder so was wie eine Öko-Tante.
»Eigentlich habe ich jetzt einen Termin mit einem Herrn Degemann, aber hübschen Damenbesuch ziehe ich immer vor!« Kaltwein reichte Ria die Hand. Ria nahm sie entgegen, während sie vom Stuhl aufstand und geradewegs in eine Wolke von Kaltweins Parfum lief. Er roch stark nach einem Herrenduft, den Ria nicht kannte. Aber ihrer Nase fiel er nicht unangenehm auf. Im Gegenteil. Der Duft erweckte in ihr die Illusion, an einem viel zu heißen Sommertag ins kühle Wasser zu springen. Florin benutzte Parfum nur zu besonderen Anlässen.
»Herr Degemann, ähm Florin, ist mein Verlobter. Er hat mich hergeschickt, weil er … also … Es geht ihm nicht besonders gut.« Dass Florin daheim im Bett lag wie eine hypochondrische Kröte, verschwieg Ria lieber.
»Verstehe.« Kaltwein grinste. »Er muss sich noch von dem Abend erholen. Trinkt nicht oft, was?« In Kaltweins amüsiert blickenden Augen kollidierten Grün und Braun. Doch der braune Farbton dominierte.
Ria schüttelte den Kopf.
»Er hat erzählt, dass er eine Verlobte hat. Aber dass sie so hübsch ist, hat er verschwiegen. Er hatte wohl Angst, dass wir ihm nicht glauben.«
Ria spürte, wie ihre Wangen sich erdbeerrot färbten.
»Wir gehen da vorn den Gang entlang und dann in das zweite Zimmer links.«
Kaltweins Büro war spartanisch, aber stilvoll eingerichtet. Es gab einen breiten Aktenschrank und einen Schreibtisch mit Computer, vor dem zwei Stühle mit Armlehnen standen. Hinter dem Schreibtisch thronte ein schwarzer Chefsessel. Vor dem Fenster hingen weiße, lichtdurchlässige Vorhänge. Es roch nach neuverlegtem Teppich und dem Papier, das die Ordner in dem riesigen Aktenschrank füllte.
»Setz dich. Ich darf doch Du sagen?«
Ria nahm in dem linken Stuhl Platz. »Natürlich. Ich bin Henrietta. Aber alle nennen mich bloß Ria. Hat sich mal irgendwann in der Grundschule durchgesetzt.«
»Cyril.« Ein Grinsen durchzuckte Kaltweins dunkle Augen. Kein freundliches Lachen, sondern eine Demonstration seiner Souveränität.
War es so heiß in dem Raum? Ria konnte sich nicht erklären, wieso sie das Gefühl hatte, plötzlich noch mehr zu schwitzen als zuvor auf ihrem Platz im Eingangsbereich der Bank.
»Willst du was trinken?«
Ria schüttelte den Kopf. »Nein, danke.«
»Na gut. Falls du deine Meinung änderst, hab keine Scheu, es mir zu sagen. Die Formulare habe ich schon mal fertig gemacht. Ist der übliche Papierkram.« Kaltwein nahm ein paar zusammengeheftete Papiere vom Schreibtisch und überreichte sie Ria. »Unterschreiben muss Florin sie aber selbst, das kann keine Frau machen, egal, wie hübsch sie ist.«
Rias Wangen nahmen den Farbton von Granatäpfeln an. Auch wenn Kaltwein ihr bloß ein höfliches Kompliment gemacht hatte, wirkte es auf Ria irgendwie anrüchig. Es war der Klang seiner Stimme, der verriet, dass der Subtext einen anderen Inhalt besaß als die Worte, die Kaltweins Kehle verlassen hatten.
»Überall, wo er unterschreiben soll, habe ich Kreuze gemacht. Hier auf dem Blatt müssen noch ein paar Angaben gemacht werden. Das sollte Florin erst ausfüllen, wenn er wieder nüchtern ist!« Kaltwein grinste.
»Ich werde ihm die Zettel geben«, versprach Ria. »Muss ich sonst noch etwas wissen?« Ungewollt war ihre Stimme zum Ende des Satzes hin weggeknickt.
»Von meiner Seite aus nicht.«
»Das ging ja schnell.«
»Bei unserer Bank muss man sich halt keine Sorgen machen! Wir regeln alles. Und noch viel mehr!«
Rias Lippen verformten sich zu einem Lächeln. »Werbeslogan?«
»Ich wünschte, es wäre so!« Kaltweins Schmunzeln verriet Ria, dass er bloß scherzte.
»Gut, dann war’s das?« Etwas in Ria sträubte sich dagegen, sich aus dem Stuhl zu erheben.
»Auch wenn ich dich gern hierbehalten würde – von meiner Seite aus ist alles klar. Ich brauche die Formulare in den nächsten Tagen wieder, damit ich das neue Konto einrichten und Florins altes Konto auflösen kann.«
Ria konnte ihren Blick nur schwer von Kaltweins Gesicht lösen. Er war kein Adonis, aber er strahlte eine Dominanz aus, wie Ria sie bisher in der Realität nicht gesehen hatte. Die einzigen Männer, die so präpotent waren, lebten zwischen den Buchdeckeln der SM-Romane, die Ria bisher gelesen hatte.
»Hier, nimm meine Karte. Vielleicht wirst du sie irgendwann brauchen.«
Ria schluckte, während sie Kaltweins Blick erwiderte. Mit leicht zittriger Hand griff sie nach der Karte, die er ihr hinhielt. Vielleicht wirst du sie irgendwann brauchen. Seine Worte klangen, als läge keine Vermutung darin, sondern eine Gewissheit. Kann ja sein, dass er denkt, ich will nun auch die Bank wechseln, versuchte Ria sich einzureden. Doch da war mehr in Kaltweins Blick. Etwas Dunkles und gleichzeitig Amüsiertes.
6. Nur kurz was abgeben
»Was machst du denn schon hier?« Ria schob den SM-Roman, an dem sie gerade las, unauffällig in die Sofasitze und schaute Florin mit fragendem Blick an. Die Uhr im Wohnzimmer zeigte 14:53 Uhr an. Normalerweise war im Imbiss Zum Wurstmeister an einem Donnerstag um diese Zeit Hochbetrieb. Florin ließ sich aufs Sofa sinken, als sei er gar nicht richtig anwesend. Nicht mal die aktuelle Ausgabe der Kochzeitschrift Aubercchini, die Ria zusammen mit zwei Briefen von Florins neuer Bank (wahrscheinlich die Bankkarte und die PIN) aus dem Postkasten gefischt hatte, bemerkte er. Unbeachtet lag die Zeitschrift auf dem Fliesentisch mit Windmühlenmuster, der seine besten Tage hinter sich hatte. Aber etwas Neues zu kaufen, kam für Florin nicht infrage. Er hing an dem Tisch.
»Hallo? Redest du bitte mit mir?« Ria stand auf und setzte sich zu ihrem Verlobten.
»Sie ist nicht mehr da«, nuschelte Florin, den Blick auf den Teppich gerichtet, den niemand von den Krümeln der letzten Woche befreit hatte.
»Wer ist nicht mehr da? Nele meinte doch, sie würde gern in den Sommerferien bei euch aushelfen.«
Florin hatte die Schülerpraktikantin nicht besonders oft erwähnt. Wieso sollte er so niedergeschlagen sein, nur weil sie ihr dreiwöchiges Praktikum beendet hatte?
Florin schüttelte den Kopf. »Nele ist schon lange nicht mehr da.«
»Von wem redest du dann bitte?«
»Tante Griemhild. Sie ist …« Florin holte tief Luft. »Tot. Das Herz. Einfach so. Papa hat gesagt, dass es noch nie in der Familie vorgekommen ist, dass jemand einfach so gestorben ist, ohne dass es Vorboten gab. Also soweit er sich zurückerinnern kann.«
Ria streichelte Florin über den Rücken. Tante Griemhild war, obwohl sie weit weg in Bremen gelebt hatte, Florins engste Bezugsperson aus der Familie gewesen. Wenn er es finanziell hatte einrichten können, war er mit der Bahn zu ihr gefahren und hatte sich mit ihr über die Delikatessen der polnischen Küche ausgetauscht und alte Schwarz-Weiß-Fotos aus Griemhilds Jugend angesehen. Von ihr stammte auch ein Großteil der zusammengewürfelten Möbel in Rias und Florins Wohnung. Nachdem ihr Mann vor einigen Jahren verstorben war, hatte Griemhild vor dem Umzug