Dr. Norden Bestseller 334 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
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In Dr. Nordens Praxis hatte man alle Hände voll zu tun.
Über zu wenig Arbeit konnten sie sich eigentlich nie beschweren, die aufeinander eingespielt waren, Dr. Norden, Dorthe Harling und Franzi Spar, aber an manchen Tagen wurden sie so in Trab gehalten, daß man meinen konnte, es gäbe keinen anderen Arzt im Umkreis. Ausgerechnet an diesem Vormittag kamen auch noch drei neue Patienten, deren Personalien Dorthe aufnehmen mußte, was auch zusätzliche Zeit in Anspruch nahm.
Wegschicken konnte man sie nicht, wenn es eine offizielle Sprechstunde war, und es war eine junge Frau dabei, die wegen eines Zeckenbisses behandelt werden wollte und auch mußte.
Diese verflixten Zecken, dachte Dorthe, denn es war bereits der vierte Fall in dieser Woche. Es waren gefährliche kleine Biester. Parasiten, die sich in der Haut festsaugten und die schwersten Erkrankungen und gar den Tod zur Folge haben konnten, wenn nicht schnell etwas unternommen wurde.
Es wurde gewarnt vor Zeckenbissen, aber wer ließ sich schon gern impfen dagegen, da die meisten Wanderer ja doch meinten, daß solche Gefahren nicht überall lauerten.
Die junge Patientin, Marlies Höller hieß sie, hatte jedenfalls erst am Morgen Angst bekommen, als sie im Autoradio hörte, wie ein Arzt vor Zeckenbissen warnte und die Folgen fast dramatisch schilderte.
Sie war ein reizendes junges Mädchen, aber nun schrecklich aufgeregt, so daß Dieter Sommer, auch ein neuer Patient, beruhigend auf sie einredete.
Dann war da noch eine Sally Kirk gekommen, Mitte zwanzig, sehr blaß und fast männlich wirkend in dem Jeansanzug und den kurzen blonden Haaren.
Von Dorthe nach ihren Beschwerden gefragt, erwiderte sie in gebrochenem Deutsch, daß sie unter schweren Kreislaufstörungen leide.
Dorthe, medizinisch sehr erfahren, denn sie hatte früher mal Medizin studiert, tippte eher auf drogensüchtig, als sie der Neuen forschend in die Augen blickte. Sie konnte es auch nicht verhindern, daß sich in ihr eine warnende Stimme meldete. Freilich hatte sie dafür keine Erklärung, und diese Sally Kirk sagte dann auch noch, daß es ihr nichts ausmachen würde zu warten.
Im Wartezimmer saßen acht Patienten, als Dr. Norden Marlies Höller untersuchte, die jetzt nicht mehr so aufgeregt war. Dieter Sommer hatte zu ihr gesagt, daß er auf sie warten würde. Anscheinend, mit einem Schmunzeln hatte Dorthe das festgestellt, hatten sie sich sehr schnell angefreundet, während Dr. Norden zwei Patienten, die zur Arbeit mußten, ihre Spritzen verabreicht hatte.
Dr. Daniel Norden ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Langjährige Erfahrung hatte es ihn gelehrt, daß an solchen Tagen alles drunter und drüber gehen konnte, und da mußte man die Nerven behalten. Er ahnte jedoch nicht, wie sehr gerade an diesem Tag seine Nerven auf eine ganz harte Probe gestellt werden würden.
*
Fee Norden wartete auf ihre Schulkinder, die nur die Zeugnisse in Empfang zu nehmen brauchten an diesem heißen Julitag. Die großen Ferien standen vor der Tür, und sie waren wegen der anhaltenden Hitze noch einen Tag vorverlegt worden. Die Zwillinge Jan und Désiree, die Dési oder Jolly gerufen wurden, weil ihre drei größeren Geschwister früher gesagt hatten, daß Jan und Jolly lustiger klingen würde, plantschten im Garten in ihrem Kinderbecken, allerdings auch dort bewacht von Lenni, die sich sehr aufgeregt hatte, als kürzlich in der Nachbarschaft ein kleiner Junge im Swimmingpool ertrunken war.
Fee Norden beschäftigte sich wieder mit ihren Urlaubsplänen. Bisher hatte sie Daniel dafür noch nicht erwärmen können, denn er meinte, daß sie doch gerade erst Urlaub in Frankreich gemacht hätten. Das war in den Pfingstferien gewesen, und da hatten sie auch ein aufregendes Erlebnis gehabt. So meinte Daniel Norden, daß es ihnen wahrscheinlich doch nie vergönnt sein würde, mal so richtig Faulenzerferien zu machen, in denen sie wirklich durch nichts gestört würden.
Mit ihrem Vater und seiner Frau war Fee aber schon übereingekommen, daß Danny, Felix und Anneka zwei Wochen zu ihnen auf die Insel der Hoffnung kommen würden. Fee würde mit den Zwillingen zu Hause bleiben, und wenn dann auch für Daniel der Urlaub begann, wollten sie auch zur Insel fahren und von dort aus Ausflüge in die Schweiz und nach Österreich machen, und Fee hoffte, daß dann auch ein paar Tage herausspringen würden, die sie mit Daniel allein verbringen konnte. Sie trennte sich zwar ungern von den Kindern, aber sie wußte auch, wie nötig Daniel zwischendurch mal richtige Entspannung brauchte.
Die Kinder kamen heim. Ein großes Hallo gab es nicht. Die Zeugnisse waren zwar gut, gut durchwachsen, wie Fee meinte, aber zufrieden war nur Felix, der ein gesundes Phlegma besaß, was die einzelnen Fächer anging, die ihm nicht sonderlich lagen. Anneka beschwerte sich, daß sie in Deutsch eine Zwei bekommen hatte, Danny war wütend über die Zwei im Turnen und in Musik. In Musik hatte Felix eine Eins, die hätte er lieber in Mathematik gehabt. So wurde eine Weile debattiert, aber dann läutete es Sturm an der Haustür. Es war die Nachbarin Käthe Meixner, eine nette ältere Dame. Sie war ganz außer sich vor Aufregung, und Fee fürchtete schon, daß sie eine schlechte Nachricht von ihren Kindern, die in den Urlaub nach Afrika geflogen waren, bekommen hätte, aber dann stöhnte sie die Schreckensbotschaft heraus.
»Die Bank ist überfallen worden, die neben dem Haus, wo die Praxis von Ihrem Mann ist, und sie haben gesagt, daß die Räuber in dieses Haus geflüchtet sind.«
Fee wurde blaß. Die Kinder standen hinter ihr, und Anneka drückte sich gleich an ihre Seite.
»Ruf gleich den Papi an, damit er Bescheid weiß«, flüsterte sie ängstlich.
Fee nickte mechanisch, aber sie dachte, daß Daniel es wohl schon wissen würde, wenn das stimmte, was Frau Meixner gesagt hatte.
Sie wählte die Nummer, sie ließ es läuten, aber es meldete sich niemand, und dann herrschte auch in der Leitung plötzlich Totenstille. Ihr Herzschlag setzte momentan aus, doch dann riß sie sich zusammen. Sie durfte den Kindern ihre Angst nicht zeigen.
»Papi wird jetzt zu tun haben«, sagte sie. Doch die Angst griff um sich, ging auf die Kinder über. Die Zwillinge wurden ins Haus geholt, Lenni wurde kurz informiert, und dann lauschten sie alle auf Meldungen aus dem Radio, aber es kam noch keine.
Und so hatte es in der Bank begonnen. Frau Meixner hatte Geld abgehoben, und noch drei Kunden waren in der Bank gewesen, die eine kleinere Zweigstelle war mit drei Schaltern, der Kasse und dem Büro, in der der Zweigstellenleiter mit zwei Angestellten eine Besprechung hatte.
Frau Meixner hatte dann gesehen, wie ein junger schlanker Mann die Bank betrat und in der Vorhalle vor dem Kontoauszugsdrucker stehen blieb. Sie hatte noch in ihrer Handtasche nach dem Autoschlüssel gesucht und gefürchtet, sie hätte ihn wieder mal gedankenlos liegenlassen, aber dann hatte sie ihn doch herausgekramt, und dann ging sie zu ihrem Wagen, der vor einer Boutique stand. Da betrachtete sie erst noch die Schaufenster, und dann plötzlich hörte sie einen Schrei.
Eine junge Frau schrie: »Die Bank, da läuft der Räuber!«
Und alles überstürzte sich, aber Frau Meixner sah, wie der junge Mann, der etwas Dunkles über den Kopf gezogen hatte, in der Tiefgarage verschwand, die zu dem Haus gehörte, in dem sich auch Dr. Nordens Praxis befand, ein Haus, in dem es keine Privatwohnungen mehr gab.
Frau Meixner kannte Dr. Norden, die ganze Familie, weil sie ja nur ein paar Häuser von ihnen entfernt wohnte, und außerdem war sie Patientin von Dr. Norden.
Frau Meixner stand wie erstarrt, aber sie beobachtete mehr als andere. Sie sah, wie ein Auto vor der Tiefgarage hielt, aber nicht hineinfuhr, aber dann vernahm sie schon das Martinshorn der Funkstreife, und zwei Wagen kamen angebraust, aber der Wagen, der vor der Tiefgarage gehalten hatte, fuhr dann schnell davon.
Da kam plötzlich Angst auf in Frau Meixner, und sie fuhr mit ihrem Wagen heim. Unterwegs überstürzten sich ihre Gedanken, und daher kam dann auch die spontane Reaktion, zuerst Frau Norden zu sagen, was sie erlebt und gesehen hatte.
Später konnte sie, wieder ruhig geworden, den Polizeibeamten alles genau schildern, was sie zu diesem Überfall sagen konnte.
In der Bank war es so weitergegangen, daß der schlanke junge Mann eine Strumpfmaske über den Kopf gezogen hatte, mit einem Revolver die noch anwesenden Kunden bedrohte