Der kleine Fürst Classic 38 – Adelsroman. Viola MaybachЧитать онлайн книгу.
hättest, Claus.«
»Ach, das hat Zeit«, erwiderte Claus. »Ich bin ja immer so beschäftigt, Fritz – wie soll ich da Zeit für eine Frau finden?«
Der Baron lachte. »Das kann ich dir nicht sagen, aber irgendwann solltest du sie finden, wenn du nicht als Junggeselle enden willst. Ach, bevor ich es vergesse: Sofia lässt dir ausrichten, dass wir dich in einer Woche auf Sternberg erwarten.«
»Gibt es etwas zu feiern?«, fragte Claus.
»Nein, aber sie hätte dich gern wiedergesehen, die Kinder übrigens auch – und da es uns am kommenden Wochenende wunderbar passt, hat sie vorgeschlagen, dich zu fragen, ob du zufällig Zeit hast.«
»Habe ich, Fritz, ich komme sehr gern.«
Sie zahlten und verließen das Café, um ihren Rundgang über das Auktionsgelände fortzusetzen.
*
Angela Camberg beobachtete den Mann, der sich dem Gutshaus näherte, aufmerksam. Sie hatte ihn nie zuvor gesehen, und sie hätte schwören können, dass er kein Pferdekäufer war. Warum sie davon überzeugt war, hätte sie nicht sagen können, vielleicht lag es an seiner Haltung. Er sah sich unsicher um, als fragte er sich, ob er hier richtig war.
Das fragte sie sich auch, jedenfalls war sie auf der Hut. Ihr Cousin Claus war ein beliebtes Opfer von Journalisten, immer wieder gefielen sie sich darin, seine angebliche Dummheit zu beschreiben. Es machte sie wahnsinnig, diese Artikel zu lesen, doch er blieb vollkommen gelassen. Zu Beginn hatte sie es nicht glauben wollen, doch es war ihm tatsächlich gleichgültig, was fremde Menschen über ihn dachten. »So lange meine Freunde wissen, wer ich bin, reicht das doch«, hatte er erst neulich zu ihr gesagt.
Der Mann trat jetzt auf die Haustür zu. Sie beschloss, noch einmal mit Claus über verschärfte Sicherheitsvorkehrungen zu reden, doch er hielt sie schlicht für überflüssig. »Die Pferde sind gesichert, Angie, wir haben nachts eine Alarmanlage – soll ich tatsächlich eine große Mauer mit einem elektronisch bewachten Tor ums Grundstück ziehen lassen? Ich liebe den weiten Blick, Mauern haben mich schon immer gestört.«
Er hatte ja Recht – einerseits. Andererseits konnte aber auch jeder, dem es gerade in den Sinn kam, einfach auf das Gelände des Gutshofs marschieren, so wie dieser Mann da draußen.
Die Glocke schlug an. Sie eilte in die Eingangshalle und hinderte Claus’ Butler John Thompson daran, die Tür zu öffnen. »Ich übernehme das, John«, sagte sie freundlich.
Er zog sich zurück, und sie öffnete die Tür. Die Augen, in die sie blickte, waren sehr dunkel, ihr Blick war forschend. Der Fremde hatte ein gut geschnittenes Gesicht, war mittelgroß und sportlich gekleidet. »Ja, bitte?«, fragte sie deutlich reserviert.
»Entschuldigen Sie bitte mein Eindringen«, erwiderte er. Die Stimme klang kultiviert, er artikulierte sehr klar. Er lächelte jetzt und wirkte mit einem Mal viel jünger. »Stimmt es, dass hier Prinz Claus von Saalen lebt?«
Beinahe hätte sie sein Lächeln erwidert, aber gerade noch rechtzeitig erinnerte sie sich daran, dass nicht jeder, der sympathisch wirkte, es auch tatsächlich war. »Wer will das wissen?«, fragte sie in frostigem Ton.
Das Lächeln verschwand vom Gesicht des Besuchers. »Mein Name ist Dirk Horst. Ich kenne Prinz Claus von früher, noch aus seiner Schulzeit.«
Angela wusste nur eins: An seine Schulzeit wurde Claus außerordentlich ungern erinnert. Doch das brauchte dieser Mann nicht zu wissen, sie konnte ja nicht einmal sicher sein, dass er die Wahrheit sagte. »Ich kann Ihnen leider nicht weiterhelfen«, erklärte sie. »Wenn Sie mich jetzt bitte wieder entschuldigen würden?« Mit diesen Worten schloss sie die Tür wieder.
Gleich darauf sah sie den Mann langsam, mit gesenktem Kopf, den Hof wieder verlassen. Er hatte nett ausgesehen, unter anderen Umständen hätte sie sich sicherlich gern mit ihm unterhalten, aber nachdem sie gerade an diesem Morgen wieder einen Artikel über Claus gelesen hatte, der von Herablassung und Häme nur so strotzte, war ihre Bereitschaft, sich auf Gespräche mit zwar sympathisch wirkenden, aber unbekannten Männern einzulassen, gleich null.
Mit einem Seufzer wandte sich Angela wieder ihrer Arbeit zu, sie konnte es jedoch nicht verhindern, dass der Mann mit den dunklen Augen ihr noch länger im Kopf herumspukte.
*
»Willst du Frederik etwa heiraten?«, fragte Alexandra von Cranitz ihre ältere Schwester Soraya.
»Wieso etwa?«, fragte diese zurück.
»Weil ich ihn nicht leiden kann«, erklärte Alexandra mit der Offenheit ihrer siebzehn Jahre. »Er ist ein eingebildeter Lackaffe, der sich immer über andere lustig macht, das finde ich nicht nett. Und deshalb verstehe ich überhaupt nicht, wieso du mit ihm zusammen bist.«
»Zusammen, zusammen«, murmelte Soraya, während sie sich die dichten braunen Haare geschickt aufsteckte. Sie wollte an diesem Abend auf einen Ball gehen, geschminkt hatte sie sich bereits. »Was heißt das schon?«
»Ihr geht zusammen aus«, stellte Alexandra fest. »Ihr trefft euch regelmäßig, und er ruft dich jeden Tag an. Ich glaube schon, dass man in diesem Fall sagen kann: Ihr seid zusammen, Frederik und du.«
Soraya drehte sich um, die großen braunen Augen nachdenklich auf Alexandra gerichtet. »Ich heirate ihn bestimmt nicht, falls dich das beruhigt«, sagte sie. »Er amüsiert mich, ich muss oft lachen, wenn er mir eine von seinen Geschichten erzählt – aber mir ist auch schon aufgefallen, dass er manchmal ziemlich gnadenlos über andere Leute herzieht, und das gefällt mir nicht.«
»Da bin ich aber froh! So einen Schwager wünsche ich mir echt nicht«, stellte Alexandra fest. »Aber wenn du ihn sowieso nicht heiraten willst, trenn dich gleich von ihm – sonst macht er sich am Ende noch Hoffnungen, und das gibt bloß Ärger, Soraya. Du findest bestimmt ganz schnell einen viel netteren Freund, mit dem ich mich auch mal unterhalten könnte. Mit Frederik mag ich echt nicht reden.«
Soraya gab ihr einen Kuss auf die Nasenspitze. »Danke, Alex, dass du dir so viele Sorgen um uns machst, aber ich glaube, die sind unnötig. Er denkt so wenig ans Heiraten wie ich, da besteht also überhaupt keine Gefahr.«
»Wenn du dich da mal nicht irrst«, murmelte Alexandra. Im Gegensatz zu ihrer Schwester war sie blond und blauäugig, wie ihre Mutter. Soraya dagegen ähnelte dem Vater. »Er guckt dich immer so an, wenn du es nicht merkst.«
»Wie guckt er denn?«
»Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Jedenfalls so, als wollte er dich fragen, sei aber noch nicht ganz sicher, ob er es gleich tun oder besser noch warten soll.«
Soraya streifte ihr Ballkleid über, einen Traum in dunklem Grün. Die Worte ihrer Schwester beunruhigten sie, doch das wollte sie sich nicht anmerken lassen. »Ich glaube, du übertreibst, Alex. Machst du mir das Kleid bitte mal zu?«
Alexandra half ihr, beharrte aber auf ihrer Meinung. »Du wirst schon sehen!«, sagte sie. »Dann kannst du an mich denken. Vielleicht fragt er dich ja schon heute Abend.«
»Ach was!« Soraya schlüpfte in die Schuhe, überprüfte ihre Erscheinung ein letztes Mal im Spiegel – und dann klingelte Frederik von Dahlheim bereits.
»Trotzdem viel Spaß heute Abend«, sagte Alexandra.
Sie bekam einen weiteren Kuss auf die Nase, dann eilte Soraya davon.
*
Als Baron Friedrich von Kant am Samstagabend nach Sternberg zurückkehrte, wurde sein Blick von einer schmalen Gestalt angezogen, die er am Ende des Schlossparks auf dem dort gelegenen Hügel ausmachen konnte. Statt zuerst seine Frau zu begrüßen, durchquerte er mit langen Schritten den Park, erklomm den Hügel und stellte sich neben seinen Neffen Christian von Sternberg, der vor einer großen steinernen Gruft stand. Neben ihm lag Togo, sein junger Boxer, der zwar den Kopf hob und zur Begrüßung mit dem Schwanz wedelte, als der Baron sich näherte, sich sonst jedoch nicht rührte.
Friedrich legte seinem Neffen einen Arm um die Schultern, als er sich neben ihn stellte. Auf dem Hügel war