Mami Classic 39 – Familienroman. Eva-Maria HornЧитать онлайн книгу.
Köpfchen, Sonja. Pack lieber deine Sachen, aber daß du mir nicht deinen ganzen Puppenstall mitnimmst, unser Auto hat auch nur einen Kofferraum.«
Sie gluckste vor Lachen, sie mochte es, wenn ihr Vater so lustig war, die Aussicht, ihn 14 Tage ganz für sich allein zu haben, jede Nacht neben ihm im Bett zu schlafen, machte sie quirlig vor lauter Glück.
»Meine Puppen wohnen nicht in einem Stall, sie wohnen in meinem Zimmer. In einem Stall wohnt mein Kaninchen Charly. Außerdem haben wir doch auf dem Rücksitz Platz genug, wenn wir mit dem Kofferraum nicht auskommen. Du bist es doch, Papa, der immer so viel Klamotten mitschleppt.«
»Und wo willst du sitzen, Fräulein Naseweis?«
»Neben dir natürlich«, trumpfte sie auf und reckte sich zu ihrer ganzen Größe, aber leider reichte sie ihrem Vater nur bis zum mittleren Knopf seiner Tweedjacke. Sie wollte und wollte nicht wachsen, es war Sonjas großer Kummer, dabei hatte sie schon alles mögliche versucht.
»Das kommt gar nicht in Frage. Kleine Mädchen sitzen auf dem Rücksitz.«
Das kleine Gesichtchen verzog sich voll Trotz. Zu jeder anderen Zeit hätte er sich köstlich über sie amüsiert. Wenn seine kleine Tochter wütend war, wurde ihr Gesicht krebsrot. Die Augen, sonst von einem leuchtenden Blau wie ein Sommerhimmel, wurden schwarz, und die kecke Stupsnase reckte sich kriegerisch in den Himmel.
Sonja stampfte wütend mit dem Fuß auf, etwas, das ihr Vater nicht ausstehen konnte.
»Immer sagst du, ich bin noch zu klein. Das geht mir langsam auf den Wecker. Ich werde bald sechs Jahre. Das kannst du doch nicht vergessen haben.«
»Wie könnte ich. Wir haben ja erst vor einer Woche deinen Geburtstag gefeiert. Vor einer Woche also bist du fünf Jahre geworden, da ist es bis zu deinem nächsten Geburtstag noch ein weiter Weg. Du weißt doch, daß kleine Kinder nicht auf dem Beifahrersitz hocken dürfen. Das habe ich dir doch schon oft genug erzählt.«
»Ja, ja«, rief Sonja mürrisch. »Ich weiß Bescheid. Weil der Beifahrersitz gefährlich ist. Ich bin doch nicht blöde und vergesse alles.«
»Eine Ausdrucksweise hast du!« Er schüttelte den Kopf und fuhr mit allen zehn Fingern durch sein Haar, das leider an den Schläfen schon grau wurde. »Es wird wirklich höchste Zeit, daß sich jemand intensiv um dich kümmert.«
Sie lenkte ihn rasch von dem gefährlichen Thema ab. Bis vor einem halben Jahr hatte Sonja sich mit einem Kindermädchen herumärgern müssen. Ja, ein Kindermädchen! Kein Wunder, daß sie von ihren Freunden und Freundinnen gehänselt wurde. Aber schuld daran war Gott, das stand nun mal fest. Er hatte ihre Mutter sterben lassen. Was sollte denn ein Vater machen, der immer arbeiten mußte und keine Zeit hatte? Da kam eben das Kindermädchen, das soweit ja ganz nett gewesen war, aber eben früher, als sie noch kleiner war und ein Kindermädchen brauchte.
»Ich kümmere mich ganz gut allein um mich, Papa«, beruhigte sie ihn. »Außerdem ist ja auch Helene da, die kocht ja nicht den ganzen Tag, die kümmert sich mehr um mich, als ich haben will.«
Er mußte lachen, dabei war ihm gar nicht zum Lachen zumute. Er mußte seinem verwöhnten Töchterchen nämlich etwas beibringen, dabei fühlte er sich gar nicht wohl in seiner Haut.
»Du bist wirklich ein verwöhnter Fratz, Sonja. Hör einmal zu.« Er zog sie nahe an sich heran und stellte sie zwischen seine Knie. Er hatte auf ihrem Kindertisch Platz genommen, die Eisenbahn dabei achtlos zur Seite geschoben. Sonja sah es natürlich, aber sie sagte nichts, was ihr schwer genug fiel. Schließlich hatte sie sich endlos geplagt, vor den Schienen eine Stadt aufzubauen.
Dabei hätte sie ihren Vater wirklich gut gebrauchen können. Es war gar nicht leicht gewesen.
»Ist ja schon gut, Papa«, beruhigte sie ihn. »Setz’ ich mich eben hinten hin. Muß ich eben noch ein Jahr warten. Aber komm nur nicht auf die Idee, mich in den ollen Kindersitz zu stopfen.« Sie amüsierte sich offensichtlich über die Idee, ihre Augen funkelten vor Vergnügen, sie zog die Nase kraus, auf der ein Tintenfleck prangte. Die Zungespitze fuhr dabei über ihre Lippen. »Dann kommt eben meine Puppe Gerda auf den gefährlichen Sitz. Der passiert schon nichts, es gibt nämlich keinen Vater, der besser Auto fährt als du.«
»Kleine Schmeichelkatze.« Er hielt ihre Hände, umklammerte sie. Schmal und zerbrechlich fühlten sie sich an. Ein Strom von Zärtlichkeit für dieses kleine Geschöpf floß über sein Herz. Sie war für ihn das Kostbarste, das Wichtigste auf der Welt. Sie würde es auch dann noch sein, wenn aus Isabella Monstein Frau Zimmermann geworden war. Leopold hatte nicht für möglich gehalten, daß sich sein Herz noch einmal einer Frau zuwenden könnte. Er hatte geglaubt, daß es nach Margots Tod für ihn keine Liebe mehr gab. Arbeit und Verantwortung und die Fürsorge für seine Tochter würden sein Leben ausfüllen, damit hatte er sich abgefunden.
Ja, bis er Isabella traf. Es war, als hätte er einen Bazillus geschluckt, von einem Tag auf den anderen änderte sich sein Leben. Er liebte und wurde wiedergeliebt. Es war, als hätte ihm Isabella ein neues Leben eingehaucht.
Alles könnte wundervoll, vollkommen sein.
Aber da war dieses kleine, kapriziöse, verwöhnte Geschöpf, das Isabella deutlich ihre Ablehnung zeigte. Es war schrecklich, aber Sonja ließ sich weder durch Geschenke noch durch Aufmerksamkeit von ihrer Ablehnung abbringen. Sie mochte die Freundin ihres Vaters nicht. Basta.
Wieviel Mühe hatte Leopold sich schon gegeben, sein Töchterchen umzustimmen.
»Sie hat schreckliche Augen«, hatte Sonja ihm einmal weinend erklärt. »Hinter den Augen sitzt Böses, ganz bestimmt, Papa, du siehst es nur nicht.«
»Warum guckst du mich so an, Papa?« Sie atmete tief, wie immer, wenn sie ängstlich wurde. »Ich hab’ doch nichts gemacht.« Von der Vase, die sie am Morgen zerbrochen hatte, konnte er unmöglich wissen, Helene hatte doch versprochen, es ihm nicht zu sagen. »Ist mein Gesicht schon wieder dreckig? Ich hab’ mich heute morgen gründlich geduscht, das kannst du glauben. Aber eben hab’ ich mit Tinte geschrieben. Nicht richtig geschrieben, nur die Buchstaben aus meinem Bilderbuch habe ich gemalt.«
»Ich muß dir etwas sagen, Liebes. Ich will, daß du mir jetzt zuhörst. Du weißt, wie lieb ich dich habe.«
»Aber das weiß ich doch, Papa.« Sie zappelte an seinen Händen, sie spürte genau, daß etwas auf sie zukam, das ihr Glück wie eine Seifenblase platzen ließ. Sie wollte nichts hören.
»Ich sollte jetzt anfangen, meine Sachen zu packen, Papa. Ich will doch nicht, daß Helene alles machen muß. Die hat doch Arbeit genug.«
»Manchmal kannst du wirklich vernünftig sein, Kleines. Ich hoffe, du bist es auch jetzt. Wir beide werden nicht allein fahren. Auf dem Beifahrersitz kann also deine Puppe nicht Platz nehmen, da wird Isabella sitzen.«
Es war schrecklich, wie das eben noch so glückliche Kindergesicht sich veränderte. Sogar das Blut schien daraus gewichen zu sein. Kalkweiß war sie, die Augen starrten ihn entsetzt an, als wäre er im Begriff, ein Verbrechen zu begehen. Sie öffnete den Mund, schloß ihn wieder.
Mit einer fremden, verzweifelten Stimme stammelte sie dann: »Das kannst du doch nicht tun, Papa Das darfst du nicht! Ich will mit dir allein fahren. Das hast du mir versprochen.«
»Sonja. Warum machst du es mir nur so schwer? Isabella liebt dich, sie mag dich.«
»Gar nicht wahr. Sie mag dich. Zu mir ist sie nur nett, weil ich deine Tochter bin. Du willst das nur nicht begreifen. Sie mag Kinder überhaupt nicht, das spürt man doch. Und mich schon gar nicht. Ich bin ihr viel zu wild. Du siehst das einfach nicht, wie sie die Augenbrauen hebt oder die Augen verdreht, wenn ich Blödsinn mache oder zu laut bin. Das siehst du einfach nicht.«
»Du bist eifersüchtig.« Er begann, die Geduld zu verlieren. »Du bist ein egoistisches Kind, du willst mich für dich allein haben, du hast Angst, mich teilen zu müssen. Alles Quatsch. Ich stelle es mir herrlich vor, wenn wir wieder eine richtige Familie sind. Vater, Mutter, Kind. Vielleicht bekommst du dann sogar ein Brüderchen, das wünschst du dir doch so.
Sonja, bitte,