Dr. Norden Bestseller Classic 40 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
kam, dass sie sich zurückgesetzt fühlte. Der ruhige, ausgeglichene Constantin schien darauf auch keinen Einfluss zu haben.
»Man darf sie keinesfalls aus den Augen lassen«, sagte Dr. Norden eindringlich zu Henrik. In diesem Augenblick trat Constantin wieder ein. »Ulla schläft jetzt«, sagte er deprimiert. »Ich werde mein Büro anrufen, dass ich bei ihr bleibe.«
»Sie können mich jederzeit erreichen«, sagte Dr. Norden. »Wenn ich nicht in der Praxis bin, dann privat, und sollte ich unterwegs sein, weiß meine Frau, wo sie mich benachrichtigen kann. Sollte sich der Anfall wiederholen, würde ich Ihnen allerdings raten, Ihre Frau in die Nervenklinik zu bringen, Herr Baltus.«
Constantin sah ihn entsetzt an. »In die Nervenklinik?«, wiederholte er tonlos.
»Zu ihrem eigenen Schutz. Diese Selbstmorddrohung ist ernst zu nehmen. Ich muss Ihnen das nachdrücklich sagen. Jetzt muss ich aber schleunigst in die Praxis zurück. Bitte, haben Sie dafür Verständnis. Ich hoffe sehr, dass Ihre Frau lange schläft.«
»Danke, dass Sie so schnell gekommen sind«, sagte Constantin.
»Das ist selbstverständlich. Ich bedaure sehr, dass Herrn Deckert nicht geholfen werden konnte.«
Henrik neigte leicht den Kopf. »Ich bin überzeugt, dass Sie nichts versäumt haben, Herr Dr. Norden.«
»Leider ist man oft machtlos«, erwiderte Daniel.
Henrik und Constantin blieben zurück, starrten sich an und suchten nach Worten.
»Es ist schlimm«, sagte Constantin leise. »Aber wenn Ulla sich Vorwürfe macht, muss ich mir auch welche machen. Wir hatten Differenzen und …«, er unterbrach sich und ging zum Fenster.
»Und da ging ihr der Gaul durch und sie raste zu Vater. Sie explodierte mal wieder. Und nun kommt der Katzenjammer nach. Worum ging der Streit bei euch eigentlich diesmal, Constantin?«
»Um Lappalien, auch wegen dieser Party. Ich weigerte mich, dorthin zu fahren. Ich habe geschäftlich viel um die Ohren und keinen Sinn für Vergnügen. Ich habe den Fehler gemacht, Ulla darauf hinzuweisen, dass Rosalie nicht an Langeweile zu leiden hat. Es war seltsam, als sie zurückkam, war sie ruhig und sachlich. Sie sagte, dass es vielleicht besser wäre, wenn wir auch Kinder hätten, und dass sie für Vater dann mehr gelten würde.«
»Und von Scheidung war dann nicht mehr die Rede?«
»Ich würde mich nicht scheiden lassen, Henrik. Ich liebe Ulla. Manchmal ist sie wie ein bockiges Kind und maßlos eifersüchtig auf Rosalie. Ja, was jetzt werden soll, weiß ich auch nicht. Dass sie sich mit Vater nicht versöhnen konnte, wird sie sehr belasten. Ich habe auch meine Fehler, aber ich lasse mich nicht zum Narren machen. Jetzt ist es jedoch vordringlich, dass man ihr hilft.« Er machte eine kleine Pause. »Wie hat es Birgitta denn aufgenommen?«
»Sehr gelassen«, erwiderte Henrik, »aber in sie hineinschauen kann man nicht.«
»Und Martin?«
»Das kannst du dir wohl vorstellen. Es kommt viel auf ihn zu.«
»Auf euch nicht, Henrik?«, fragte Constantin ernst.
»Was mich betrifft, so habe ich wohl den Anschluss verpasst«, erwiderte Henrik resigniert.
»Gib dir einen Ruck, es sollte nie zu spät sein!«
*
Für Rosalie wurde es ein schlimmer Tag. Mit dieser Trauer im Herzen sollte sie die Kinder trösten, die einfach nicht begreifen wollten, dass der Opa nicht mit am Tisch saß, nicht mit ihnen scherzte. Der Tod war etwas Unvorstellbares für sie. Schlimmer noch war es für Rosalie, in die traurigen kleinen Gesichter blicken zu müssen und Mickys jämmerliches Weinen zu hören.
»Will zu Opi, will zu meinem Opi«, jammerte sie.
Und dann erschien Birgitta. »Das kann einen ja wahnsinnig machen«, sagte sie herrisch. Aber nun begann Micky erst recht zu weinen.
»Die Kleine versteht es doch noch nicht«, sagte Rosalie leise.
»Ich verstehe es auch nicht«, sagte Birgitta, doch Rosalie hatte das eigentümliche Gefühl, als wäre Birgitta verunsichert. Doch in den kühlen Augen war zugleich auch ein lauernder Ausdruck. Konnte man das so deuten? War sie jetzt nicht ungerecht, weil ihre Schwägerin so unbeherrscht war und auf die Kinder losging?
»Sieh mich nicht so vorwurfsvoll an«, sagte Birgitta nun auch noch. »Wir konnten schließlich nicht wissen, dass das passieren würde.«
»Du bist bös«, sagte Philipp, »ganz bös. Unser Opi ist nicht mehr da, und du bist immer noch bös. Gestern warst du auch schon bös zu ihm.«
»Sei still, Philipp«, sagte Rosalie erschrocken, ohne recht zu begreifen, was der Junge gesagt hatte.
»Aufgehetzt seid ihr«, zischte Birgitta. »Jetzt willst du uns wohl aus dem Hause ekeln, Rosalie.«
»Sei doch nicht ungerecht, Birgitta. Die Kinder begreifen das doch wirklich noch nicht. Sie vermissen ihren Opa«, sagte sie.
»Jetzt steht er jedenfalls nicht mehr hinter euch, und ich werde mir nicht mehr alles bieten lassen. Das ist mein Elternhaus und …«
»Birgitta!«, tönte da Henriks Stimme mahnend durch die Halle. »Das muss doch nicht sein.«
Philipp lief zu ihm. »Sie schimpft, Onkel Henrik. Wir wollen doch nur unseren Opi wiederhaben.«
Rosalie war starr vor Staunen, als Henrik den Jungen emporhob und sagte: »Das wünschte ich auch, Philipp.«
Auch Birgitta war jetzt verstummt, sichtlich aus der Fassung gebracht.
Sanft setzte Henrik den Kleinen wieder auf den Boden, ging zu Rosalie, nahm ihre Hand und zog sie an seine Lippen. »Ich bitte für Birgitta um Entschuldigung, Rosalie«, sagte er leise. »Ich werde jetzt mit ihr sprechen. Martin wird auch gleich kommen, aber mit Ulla ist heute nicht zu rechnen. Vielleicht solltest du mit den Kindern in den Park gehen.«
»Ja, das werde ich tun«, erwiderte Rosalie.
*
»Was machst du für ein Getue mit ihr und den Kindern, Henrik?«, fragte Birgitta, als sie mit ihrem Bruder allein war.
»Dein Benehmen ist unmöglich, Birgitta«, sagte er. »Du weißt, wie sehr die Kinder an Vater hingen. Du weißt auch, wie gut er sich mit Rosalie verstand.«
»Na und, sie hat sich ihre Vorteile ausgerechnet. Sie rechnet sich schon aus, dass nun sie das Regiment übernimmt, aber ohne mich. Du Weichling wagst ja nicht, den Mund aufzutun.«
Henriks Augenbrauen schoben sich zusammen. »Du bist impertinent«, sagte er rau. »Rosalie ist Martins Frau, und er ist jetzt der Herr des Hauses.«
»Und du kuschst vor ihm«, herrschte sie ihn an. »Wir haben alle die gleichen Rechte. Vater hat das immer gesagt. Und ich verzichte nicht auf meine Rechte.«
»Wir haben ja auch so schrecklich viel dazu beigetragen, dass alles seinen Gang ging«, sagte er sarkastisch. »Vater hat viel Geduld mit uns gehabt. Er wollte keinen vorziehen, aber es war doch schließlich Martin, auf den er sich verlassen konnte.«
»Da kommt er schon im Büßerhemd daher, der Henrik Deckert«, höhnte Birgitta. »Kriech du doch meinetwegen zu Kreuze, ich nicht. Und was ist mit Ulla?«
»Sie hatte einen Nervenzusammenbruch. Sie macht sich bittere Vorwürfe.«
»Auf einmal! Gestern kam sie wie eine Furie daher.«
»Aber wir kennen sie doch. Sie überlegt nicht, was sie sagt. Birgitta, was ist nur in dich gefahren?« Wie das leibhaftige böse Gewissen erschien sie ihm, und dafür wusste er keine Erklärung. »Ich denke, wir haben uns einiges vorzuwerfen«, fuhr er fort.
»Nur Martin nicht, aber er war ja immer das liebe, folgsame Kind und der Erbe! Ja, der Erbe, der jetzt alles an sich reißen wird. Dafür wird seine liebe Frau schon sorgen. Aber jetzt werden sie mich kennenlernen. Jetzt lasse ich mir nicht mehr den Mund