Familie Dr. Norden 730 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
hat er sich Zeit für mich genommen.«
»Und du hast ihm deine Spukgeschichten erzählt«, sagte Jörn spöttisch.
»Ich habe ihn gefragt, ob er den Eindruck hat, daß ich mich sehr verändert habe.«
»Und was hat er gesagt?«
»Daß er mein Lachen vermißt. Er meint, daß ich einen langen Urlaub brauche. Den werde ich auch nehmen, sobald es möglich ist.«
»Du hast ja schon immer sehr viel von ihm gehalten«, stellte Dana fest.
»Er und Fee sind wirklich gute Freunde, auf die man sich verlassen kann.«
»Und auf mich kannst du dich nicht verlassen?« fragte Dana beleidigt.
»Ich habe gemerkt, daß wir sehr verschieden sind, Dana. Ich bin nicht mehr so naiv wie früher.«
»Du kannst mir doch offen sagen, was dir an mir nicht mehr gefällt.«
»Ich kann nur sagen, daß ich mich verändert habe, daß ich vieles anders sehe als früher, aber ich bin nicht paranoid.«
»Mein Gott, das ist mir mal so herausgerutscht. Du mußt nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen«, brauste Jörn auf.
»Empfindlich warst du schon immer«, warf Dana ein. »Erinnerst du dich, wie du in der Schule genannt wurdest?«
»Blümchen-rühr-mich-nicht-an, ich habe es nicht vergessen. Aber als du beim Schwimmen ins Becken fielst und vor Schreck zuviel Wasser schlucktest, war ich diejenige, die dich herausholte, falls du dich daran erinnerst«, sagte Emely betont.
Dana starrte sie schockiert an, und Jörn sagte: »Davon weiß ich ja gar nichts.«
»Du weißt manches nicht, weil deine Erlebnisse immer aufregender und wichtiger waren«, stellte Emely ironisch fest.
»Du bist heute aber aggressiv«, warf er ihr vor.
»Ich werde nur deutlich machen, daß ich mich wehren kann und mir nicht allerhand Schwachheiten einbilde.«
Das saß! Jörn und Dana erstarrten, weil ihnen bewußt wurde, daß Emely doch einiges von ihrem Gespräch mitgehört hatte. Aber wieviel? Jetzt waren sie verunsichert.
»Lassen wir dieses Thema«, sagte Jörn mit mühsamer Beherrschung. »Wir werden vernünftig miteinander reden, wenn wir allein sind.«
»Das könnt ihr gleich haben«, stieß Dana gereizt hervor. »Ich überlasse es gern deinem Mann, etwaige Mißverständnisse auszuräumen.«
Sie war so schnell auf dem Weg zur Tür, daß sie stolperte und sich gerade noch an einem Stuhl festhalten konnte.
»So eilig mußt du es auch nicht haben«, sagte Emely spöttisch. Ohne sich noch einmal umzuschauen und grußlos entfernte sich Dana.
»Du hast sie gehörig aus dem Gleichgewicht gebracht«, sagte Jörn mit einem Lächeln.
»Ich lasse mir nichts mehr gefallen.«
»Dein lieber Dr. Norden scheint gute Arbeit geleistet zu haben. Ich habe anscheinend nicht den richtigen Ton bei dir getroffen.«
»Du warst verletzend und ungerecht. Nun habe ich es gesagt, es ist mir wohler.«
»Und wir sollten wenigstens einen Versuch machen, die Mißverständnisse auszuräumen.«
»Ich halte das nicht für Mißverständnisse, sondern für deine Überzeugung, daß ich Unsinn rede und mir alles nur einbilde. Du mußt einen sehr tiefen Schlaf haben, wenn du das nächtliche Telefonläuten nicht gehört hast. Es waren keine Fehlverbindungen sondern Schikanen.«
»Du wirst mir doch nicht unterstellen, daß ich dahinterstecke?«
»Jedenfalls scheint jemand sehr interessiert daran zu sein, mich tatsächlich um den Verstand bringen zu wollen.«
»Aber warum denn? Ich bin ein realistischer Mensch. Wenn ich falsch reagiert habe auf dein Gejammer, tut es mir leid, aber da du eine intelligente Frau bist, begreife ich nicht, warum du dich so in die Vorstellung hineinsteigerst, daß jemand nach deinem Leben trachten könnte. Wenn es dich beruhigt, werde ich in Zukunft wachsamer sein und deine Klagen auch ernst nehmen. Ich habe mich schon oft gefragt, was sich in unserer Ehe so verändert hat, daß wir nur noch aneinander vorbeireden.«
Sie sah ihn nachdenklich an. »Ich habe dich wohl mit zu verklärten Augen gesehen. Auch Liebe ist relativ.«
»Dann siehst du das romantische Kapitel unserer Ehe wohl als beendet an?«
»Hat es für dich überhaupt ein romantisches Kapitel gegeben, Jörn? Wenn du lieber frei sein willst, brauchst du es nur zu sagen.«
»So ein Unsinn! Du hast es wohl falsch verstanden, daß ich ein paar Minuten mit Dana allein im Haus war. Du denkst doch nicht etwa, sie sei nicht rein zufällig erschienen?«
»Doch, das denke ich. Ich bin ja nicht von gestern und auch nicht beschränkt. Aber mir ist es gleichgültig geworden. Ich gehöre nicht zu den Frauen, die eine allerbeste Freundin brauchen und ihr bedingungslos vertrauen. Mir war immer bewußt, daß wir grundverschieden sind.«
Er starrte eine ganze Weile vor sich hin, und Emely wollte schon das Zimmer verlassen, da fragte er, ob sie nie daran gedacht hätte, daß Dana neidisch sein könnte.
»Auf was denn schon? Sie bildet sich doch viel auf ihre Erfolge ein, im Beruf, bei den Männern, auf ihren einmalig guten Geschmack.«
»Aber du hast sehr früh deinen Doktor gemacht, du bist vermögend und brauchst dir keine Sorgen um die Zukunft zu machen.«
»Geld war für mich nie das Wichtigste, das solltest du wissen.«
»Aber für deinen Vater war es ungeheuer wichtig, daß du unabhängig bleiben kannst.«
»Wenn du auf Vaters Testament anspielst, ich habe davon nichts gewußt, und wenn ich sterbe, wird Vaters Vermögen an wohltätige Stiftungen verteilt werden.«
Sie sah, wie er sich auf die Lippen biß. Er war blaß geworden.
»Das sieht dir ähnlich«, sagte er heiser, »du denkst wohl gar nicht mehr daran, daß wir Kinder haben könnten?«
»Wir? Ist das überhaupt noch eine Ehe, Jörn?«
»Mit ein wenig gutem Willen läßt sich das doch ändern.«
»Daran glaube ich nicht mehr. Das meinst du doch nicht ehrlich«, sagte Emely ruhig. »Gute Nacht, ich gehe zu Bett.«
Er blickte ihr fassungslos nach, war er doch tatsächlich überzeugt gewesen, sie versöhnlich stimmen zu können. Er war es nicht gewöhnt, daß eine Frau ihm so deutlich die kalte Schulter zeigte. Von Emely erwartete er das erst recht nicht.
Sie war Wachs in seinen Händen gewesen, und da er sich noch nicht schlüssig war, wer die Veränderung bei ihr bewirkt hatte, richtete sich seine Wut auf Daniel Norden. Er überlegte, wie er an ihn herankommen konnte, aber dann läutete das Telefon. Es war Dana, und die paßte ihm jetzt erst recht in den Kram.
»Laß mich in Ruhe«, fauchte er sie an, »ich muß jetzt ausbaden, was du mir eingebrockt hast!« Er knallte den Hörer auf und holte die Whiskyflasche aus der Hausbar.
*
Aller Aufregung zum Trotz war Emely schnell eingeschlafen. Erst gegen zwei Uhr wurde sie aus dem tiefen Schlummer gerissen, weil es ganz gewaltig krachte im Haus.
Immer waren es schleichende Geräusche gewesen oder das Läuten des Telefons, das sie nicht ruhig schlafen ließ, aber dieser Krach jagte ihr noch mehr Angst ein. Sie überlegte, ob sie gleich die Polizei rufen sollte, aber als sie ins Treppenhaus ging, vernahm sie jetzt nur noch ein Stöhnen.
Sie überwand sich und ging zu Jörns Zimmer, aber die Tür stand offen und das Zimmer war leer, das Bett nicht benutzt.
Mit angehaltenem Atem ging sie zur Treppe. Da es eine Wendeltreppe war, konnte sie nicht bis zur Eingangstür schauen. Mit