Butler Parker 147 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
Mike Rander schmunzelte.
»Darf ich an gewisse Fälle erinnern, Sir, in denen gerade Schlangen eine wichtige Rolle spielten?« fragte Parker. »Gewisse Kriminelle arbeiten recht gern mit Reptilien, da sie sicher sein können und dürfen, daß damit Paniken und Nervenzusammenbrüche ausgelöst werden.«
»Die Urangst des Menschen vor der Schlange, wie?« Rander zuckte die Achseln.
»Möglicherweise ist diese Angst auch nur anerzogen, Sir.«
»Wie auch immer, Parker. Warum sollte man Lady Simpsons Freundin eine Boa ins Haus geschickt haben? Und falls ja, wie ist das Biest wieder rausgekommen?«
»Lady Lancing wurden bisher noch nicht mit Geldforderungen bedacht, wenn ich darauf hin weisen darf, Sir.«
»Was nicht ist, kann schließlich noch werden. Lady Lancing ist eine reiche Frau.«
»Man sollte vielleicht einen ersten Kontakt mit Chief-Superintendent McWarden aufnehmen«, schlug der Butler vor, »es könnte durchaus sein, daß die Polizei bereits ähnliche Beobachtungen gemacht hat.«
»Sollte man tun, Parker. Nehmen Sie das in die Hand, Sie haben einen guten Draht zu McWarden und...«
Mike Rander sprach seinen Satz nicht zu Ende und sah zur Tür der Bibliothek, die gerade geöffnet wurde. Kathy Porter trat ein, Lady Simpsons Gesellschafterin und Sekretärin. Sie war etwa achtundzwanzig, schlank, etwas über mittelgroß und hatte ein exotisch geschnittenes Gesicht. Ihr Haar war kastanienbraun mit einem gewissen Rotstich. Kathy Porter war eine rassige Erscheinung, schien dies aber keineswegs zu wissen. Auf den ersten Blick vermutete man ein recht scheues Reh, doch dieses Reh konnte sich in Sekunden in eine wilde Pantherkatze verwandeln.
»Ich muß stören«, sagte Kathy Porter und hielt einen braunen Umschlag hoch, »das hier ist mit der Morgenpost gekommen. Ich finde, daß es sich nicht mehr um einen bösen Scherz handelt.«
»Um was geht es denn?« Mike Rander ging der jungen Dame entgegen und nahm den Umschlag in die Hand. Er zog einen Bogen Papier hervor, dann ein Foto, das mit einer Polaroidkamera aufgenommen worden war.
Auf dem Bild war der mächtige dreieckige Kopf einer Boa zu sehen, die gerade eine weiße Laborratte verschlang. Es war kein schöner Anblick!
*
Kenneth Coldy bewohnte in Harrow einen kleinen Landsitz, der von einer hohen Hecke umgeben wurde. Der etwa fünfzigjährige, mittelgroße, bekannte Makler hatte Büros in der City von London. Coldy war Junggeselle aus Neigung, verließ am frühen Morgen sein Haus und ging zur Doppelgarage, die in einem ehemaligen Kutscherhaus eingerichtet war. Der Mann, der Golf spielte und die Jagd liebte, machte einen vorsichtigen, fast nervös-ängstlichen Eindruck. Seine Haushälterin, die ihn beobachtete, nahm mit Staunen zur Kenntnis, daß Coldy auf den üblichen Weg verzichtete, der an einem hohen Strauch vorbeiführte. Kenneth Coldy beschrieb einen weiten Bogen und blieb einen Moment vor der geschlossenen Garage stehen. Er schaute sich nach allen Seiten um, bevor er sich bückte und die Verriegelung aufsperrte.
Nachdem er das Schwingtor hochgedrückt hatte, betrat er fast zögernd den dunklen Raum und eilte zum Lichtschalter. Er wollte so schnell wie möglich in seinen Wagen steigen und die Tür hinter sich zuschlagen. Es gab da einige Dinge, die ihn mißtrauisch gemacht hatten, Dinge, über die er weder mit seiner Haushälterin noch mit seinen Angestellten sprechen konnte.
Als das Licht brannte, atmete der dann erleichtert auf. Die Garage schien unverdächtig, alles in bester Ordnung uu sein. Er ging schnell zu seiner Rover-Limousine, setzte sich ans Steuer und sorgte erst mal dafür, daß die Tür versiegelt wurde. Dann griff er nach dem Lederetui, in dem sich der Zündschlüssel befand und... hörte plötzlich hinter sich ein Geräusch, das ihn lähmte. Coldy blieb unbeweglich sitzen, spürte aber, daß von seiner Stirn augenblicklich Schweißtropfen perlten.
Sekunden später passierte es dann...
Über seinen Kopf hinweg schlang sich ein armdicker, schlauchartiger Gegenstand zielsicher um seinen Hals. Kenneth Coldy schrie auf, griff automaisch nach diesem Gegenstand und hörte dann ein fast giftiges Zischen. Rasend schnell wurde der eben noch etwas schlaffe Schlauch hart und würgte ihn. Coldy brüllte und krallte seine Finder in diesen immer härter werdenden Ring, der ihm den Atem nahm. Der Mann keuchte, warf sich zur Seite, riß und zerrte an diesem Gegenstand und hörte das fortwährende Zischen hinter sich. Wenig später schwanden ihm die Sinne. Er wurde ohnmächtig, seine Hände lösten sich von dem Gebilde, das ihn gewürgt hatte. Kenneth Coldy rutschte über das Schaltgestänge seines Wagens und blieb regungslos liegen.
Wie lange er gelegen hatte, konnte ihm später erst die Haushälterin sagen. Es waren fast zehn Minuten gewesen. Coldy hörte im Erwachen aus seiner Bewußtlosigkeit ein forderndes, hartes Pochen gegen die Scheibe, öffnete zögernd die Augen und holte dann hechelnd Luft. Er griff nach seinem Hals, erinnerte sich plötzlich, was passiert war, richtete sich auf und brauchte wertvolle Zeit, bis er endlich den Türverschluß öffnen konnte. Coldy fiel förmlich aus dem Wagen, kollerte auf den Zementboden der Garage und schmetterte dann die Tür zurück ins Schloß.
»Sir, was ist passiert?« fragte die Haushälterin, eine ältere, derbe Frau, die sich um ihn bemühte.
»Weg, nichts wie raus«, stieß der Makler mit heiserer Stimme hervor, »schnell, Mrs. Neiler!«
Er kümmerte sich nicht weiter um sie, raffte sich auf und stolperte zum Ausgang. Als er das Freie erreichte, knickten seine Beine ein, er fiel auf die Knie, drückte sich mit den Handflächen vom Kies ab und lief weiter. Erst vor der Haustür blieb er stehen und sah sich nach seinem dienstbaren Geist um.
»Was ist denn, Sir?« fragte Rose Neiler, die ihm folgte.
»Nichts, Mrs. Neiler, nichts«, behauptete Kenneth Coldy, »schnell ins Haus! Schließen Sie ab, legen Sie die Kette vor!«
»Sind Sie angegriffen worden?« Rose Neiler war nicht ängstlich.
»Abschließen, abschließen, beeilen Sie sich doch! Alle Fenster zu!«
Kenneth Coldy schleppte sich in die Wohnhalle und ließ sich in einen Sessel fallen. Er nickte dankbar, als die Frau ihm gerade einen Drink reichte. Der Makler wollte gerade trinken, als das Telefon läutete.
»Nein, nein, ich werde abheben«, sagte Coldy und stemmte sich aus dem Sessel. Er zögerte einen Moment, bevor er den Hörer aus der Gabel nahm, um seinen Namen zu nennen. Er hörte zu, wich dem Blick seiner Haushälterin aus und erklärte nach einigen Augenblicken, er sei überzeugt worden und ginge auf die Bedingungen ein. Dann ließ er den Hörer aus der Hand fallen, schleppte sich zurück zum Sessel und erlitt einen Weinkrampf.
Rose Neiler sah ihn überrascht-verständnislos an und wußte nicht, was sie tun sollte. Sie gewann aber den Eindruck, daß Kenneth Coldy etwas Schreckliches erfahren hatte.
*
»Ich werde Ihnen ein Geheimnis anvertrauen«, schickte Chief-Superintendent McWarden voraus, »ich rede mich damit zwar wieder mal um Kopf und Kragen, aber ich setze auf Ihre Verschwiegenheit. «
»Geschenkt«, meinte Anwalt Mike Rander, »Sie wissen genau, daß wir Sie nicht anschwärzen werden, McWarden. Sie haben von dieser Schlangengeschichte also schon gehört?«
Butler Parker, Mike Rander und McWarden hatten sich in den Räumen der Anwaltskanzlei getroffen, die sich in einem alten Backsteinbau in der Curzon Street befand. Über den Büros lagen auch die Privaträume Mike Randers, die er allerdings nur selten benutzte. Im Lauf der Zeit war er Dauergast im altehrwürdigen Fachwerkhaus der Agatha Simpson in Shepherd’s Market geworden.
»Ich habe eindeutig von einer Killer-Boa gehört«, beantwortete Chief-Superintendent McWarden die Frage des Anwalts, »auf meinem Schreibtisch sind da ein paar vertrauliche Mitteilungen aus Kreisen der Unterwelt gelandet.«
»Könnte es sich bei der erwähnten Killer-Boa um einen Kriminellen handeln, der sich zu profilieren gedenkt?« warf Josuah Parker ein.
»Nehme ich an, Mr. Parker«, gab McWarden zurück, der an eine gereizte Bulldogge erinnerte, »man scheint