Animus. Astrid SchwikardiЧитать онлайн книгу.
zuckte mit den Schultern. „Meins ist es auf jeden Fall nicht.“
„Vielleicht gehört es ja deiner Freundin?“
Helena betrachtete die Kette nun etwas genauer. Sie hatte einen goldenen Anhänger mit Verzierungen an der Außenkante, auf dem eine Frau mit langen, gelockten Haaren zu sehen war.
„Wohl kaum“, erwiderte sie mit gerümpfter Nase.
Nachdenklich beäugte er das Schmuckstück und lächelte danach offensichtlich amüsiert. „Einen so schlechten Geschmack hätte ich euch auch nicht zugetraut.“
Sie musterte den Mann mit dem Grübchen auf der Wange und den ebenmäßigen Gesichtszügen. Offen gestanden gefiel er ihr. Das musste sie wohl oder übel zugeben, auch wenn sie sich nach der Trennung von Felix geschworen hatte, vorerst die Finger von Männern zu lassen, doch bei diesem Traum von einem Mann machte sie gerne eine Ausnahme, ansonsten würde sie es ihr Leben lang bereuen. Sie strahlte ihn an und fing an zu lachen.
„Wie heißt du?“
„Helena. Und du?“
„Die schöne Helena. Das hätte ich mir denken können.“
Verlegen strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Hast du es weit bis nach Hause? Ich könnte dich noch ein Stück begleiten.“
„Ich wohne da vorn.“
Sie deutete zu dem Haus, auf dessen Fassade ein gemaltes Gebüsch zu erkennen war. Für einen kurzen Moment machte es den Anschein, als wenn sich eine gewisse Enttäuschung in seinem Gesicht abzeichnete.
„Dann leiste ich dir keine sonderlich lange Gesellschaft. Aber lieber kurz, als gar nicht.“
„Wir müssen schon ein paar Meter gehen.“
Sie setzten sich in Bewegung, ließen die Brüsseler Straße hinter sich und bogen in die Neue Maastrichter Straße ein. Helena hörte seinen schweren Atem und wunderte sich, denn der Boden war ebenerdig und weit von einer Steigung entfernt.
„Ist alles in Ordnung?“
„Ich bin nur etwas nervös.“
„Wegen mir?“
„Vielleicht“, erwiderte er lächelnd.
Sie fühlte eine aufsteigende Wärme in ihren Wangen und richtete ihren Blick zu Boden. Schweigend schlenderten sie nebeneinander her, bis sie das Mehrfamilienhaus erreichten, in dem sie mit ihren Eltern in einer Mietwohnung lebte. Vor der Hofeinfahrt blieb sie stehen.
„Wir sind da.“
Sein Blick schweifte über den Hof und blieb an einem hochgewachsenen Mann hängen, der gerade eine Sporttasche aus dem Kofferraum seines Wagens holte.
„Danke fürs nach Hause bringen.“
„Nichts lieber als das. Dann träum süß, schöne Helena.“
Sie kicherte mädchenhaft. „Du auch“, flüsterte sie und näherte sich bereits dem Hauseingang, als sie ihn fragen hörte: „Sehen wir uns wieder?“
Freudestrahlend drehte sie sich um. „Gerne.“
„Passt dir morgen?“
„Da kann ich leider nicht. Aber du kannst mich anrufen, wenn du magst. Hast du ein Handy dabei?“
Er schüttelte seinen Kopf.
„Warte mal. Dann schreib ich dir am besten meine Handynummer auf.“
Sie kramte einen Stift und ein Stück Papier aus ihrer Handtasche, notierte ihre Nummer und reichte ihm den Zettel mit zittriger Hand.
„Verlier ihn bloß nicht.“
„Ich werde ihn hüten wie meinen Augapfel.“ Er stopfte ihn in seine Hosentasche, zwinkerte ihr zu und entfernte sich ohne ein weiteres Wort in Richtung Innenstadt. Verwundert schaute sie ihm nach und wartete vergeblich darauf, dass er sich noch einmal umdrehte.
Kapitel 12
Mark und Stefan erreichten das Anwesen des Bauingenieurs Daniel Hofberg. Das Einfamilienhaus lag nur wenige Fahrminuten vom Forstbotanischen Garten entfernt. Schwaches Licht schimmerte durch die geschlossenen Rollläden, als sie das Grundstück betraten und die Steintreppe hinauf gingen. Ein Mann mit dunklen Haaren empfing sie am Eingang und sah sie mit einem fragenden Blick an. Er trug eine Jeans. Unter seinem Langarmshirt zeichnete sich seine Brustmuskulatur ab.
„Kripo Köln. Mark Birkholz mein Name. Und mein Kollege Herr Rauhaus. Herr Hofberg, nehme ich an?“
Der Mann nickte und musterte Marks Dienstausweis. „Polizei? Was verschafft mir die Ehre zu solch später Stunde?“
„Wir müssen dringend mit Ihnen über Ihren Vater reden.“
Daniel Hofberg fiel alles aus dem Gesicht, und es dauerte einen Moment, ehe er sich wieder gefangen hatte. „Und das kann nicht bis morgen warten?“
Stefan und Mark schüttelten synchron ihre Köpfe.
„Na gut. Wenn‘s unbedingt sein muss. Dann mal hereinspaziert in die gute Stube.“
Er machte den Weg frei und gab ihnen mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie eintreten durften. Anschließend führte er sie durch einen langen Flur. Ihre Schritte hallten durch das hellhörige Haus, doch übertönten sie nicht die Männerstimmen, die an Marks Ohr drangen. Nur konnte er nicht zuordnen, aus welcher Richtung sie kamen.
An den Wänden hingen Schwarzweißbilder. Eine Aufnahme zeigte einen Wasserfall. Auf zwei weiteren Bildern erkannte Mark zwei nackte Männer, die sich an einem naturbelassenen Sandstrand in der Sonne räkelten. Sie passierten eine bläulich schimmernde Lichtsäule, hinter der der Flur in einer scharfen Linksbiegung abknickte.
Kurz darauf betraten sie den Wohnbereich. Zentraler Punkt war ein hüfthoher Chromblock mit fest installiertem Induktionskochfeld, der das Wohnzimmer von der offenen Küche abgrenzte. Zwei Männer lehnten an der Arbeitsplatte, während ein Dritter gerade ihre leeren Gläser auffüllte. Die Stimmung schien ausgelassen, allerdings kippte sie schlagartig, als Daniel Hofberg den Grund ihres Besuches verkündete. Irritierte Blicke unterlegt mit Neugierde und Argwohn wechselten zwischen den Männern hin und her.
„Darf ich vorstellen: Luis Borchert, Sebastian Meinert und Ben Winter, drei alte Schulfreunde von mir“, stellte Daniel Hofberg die Männer vor.
Was ihr körperliches Erscheinungsbild anbelangte, standen die Drei ihrem Freund in nichts nach. Alle waren größer als Mark, der mit ein Meter fünfundachtzig alles andere als zu den Kleinwüchsigen zählte. Durch die Reihe wirkten sie sportlich und unterschieden sich nicht sonderlich in ihrer Körperstatur, doch während Sebastian Meinert und Luis Borchert mit dichtem Kopfhaar gesegnet waren, nagte an Ben Winter offensichtlich der Zahn der Zeit. Sein Deckhaar war am Hinterkopf licht und im vorderen Bereich zeigten sich tiefe Geheimratsecken. Außerdem hatte er ein Mondgesicht, was ihn fülliger erscheinen ließ. Sebastian Meinert fiel durch seine ausgeprägten, grobporigen Nasenflügel auf. Der letzte im Bunde, Luis Borchert, machte durch seine in Form gezupften Augenbrauen und die Narbe am Kinn auf sich aufmerksam.
„Das scheint hier ein Umschlagplatz zu werden, so oft wie du von der Polizei Besuch bekommst“, merkte Sebastian Meinert an.
„Was hat denn unser Daniel ausgefressen?“, wollte Luis Borchert wissen.
Ein Lächeln huschte über Marks Gesicht, und er überlegte, was er auf die Frage erwidern sollte.
„Die Hundertschaft kommt noch. Vielleicht sollte ich nachfragen, wo die so lange bleiben“, kam ihm Stefan zuvor.
Luis Borcherts Augen weiteten sich. „Die Hundertschaft?“
Ben Winter trank sein Glas leer und lachte. „Mensch Luis, das sollte ein Scherz sein.“
Stefan