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Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Komödie . Luise Adelgunde Victorie GottschedЧитать онлайн книгу.

Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Komödie  - Luise Adelgunde Victorie Gottsched


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der wird was schönes im Wercke gehabt haben.

      CATHRINE. Es hat sich aber befunden, daß er aus dem Collegio Fridericiano gewesen.

      FRAU GLAUBELEICHTIN. Ach der arme Mensch! Er hat gewiß ein gottseelig Vorhaben gehabt! Hast du nicht den Herrn Scheinfromm gesehen?

      CATHRINE. Ja! Er hat sich die Nacht schlecht befunden, weil er gestern Abend die drey ersten Seiten aus Neumeisters Priesterlichen Lippen gelesen hat.

      FRAU GLAUBELEICHTIN. Der heilige Mann! Warum liest er auch solch armseeliges Zeug?

      CATHRINE. Heute befindet er sich schon besser. Wie ich kam, saß er eben mit zwey andern strengen heiligen Geistlichen bey einem guten Früh-Stücke.

      FRAU GLAUBELEICHTIN. Der Mann ist wohl ein rechtes Vorbild der ersten Gläubigen, der Herr Scheinfromm! Er hat mir zuerst die Lehren von Natur und Gnade, und vom innern Wesen der Ichheit beygebracht. Er hat mich gelehrt, wie man allezeit mit Sanftmuth und Gelindigkeit reden, wie man den Frieden lieben, und die Salbung des Geistes schmecken soll, welche in den Schrifften [24]unserer Hällischen Männer GOttes befindlich ist. Gewiß! der Mann besitzt den Geist der ersten Kirche in einem hohen Grad! Doch ihr kennt ihn alle. Wo bist du mehr gewesen?

      CATHRINE. Ich habe die Frau Plappergern gesprochen, welche einen neuen Krafft- und Kern-Catechismum für ihr Haus verfertigt. Ich bin bey der Frau Zanckenheimin gewesen, welche eben mit einem Magister disputirte. Frau Seuffzerin saß mit einem Geistlichen beym Nacht-Tische. Herr Magister Trincklieb gieng eben ins Weinhaus; und Herr Magister Klapperstorch untersuchet eine Wittenbergische Disputation. Sie lassen sie alle schönstens grüssen, und werden bald in der Zusammenkunfft erscheinen. Ich habe auch den Herrn Obristen Wackermann, ihren Herrn Schwager, angetroffen; er fragte mich: Ob sie diesen Morgen zu sprechen wären? Ich glaube, er wird auch kommen.

      FRAU GLAUBELEICHTIN. Ach! er kan immer da bleiben! Was hast du denn da vor ein Buch?

      CATHRINE. O das ist ein Buch! daran werden sie sich ergötzen! Herr Magister Ungestüm schickt es ihnen.

      FRAU GLAUBELEICHTIN (lieset.) Fußstapffen der Wunder GOttes im Hällischen Wäysenhause. Ach meine Kinder! das ist ein herrliches Werck.

      JUNGFER DORCHEN. Das wird schön zu lesen seyn.

      FRAU GLAUBELEICHTIN. Da habt ihrs, lieben Kinder! Ihr sollet es zuerst lesen, so gern ich es auch selbst lesen möchte.

      JUNGFER LUISCHEN. Wenn meine Schwester es gern bald lesen will, so will ich schon warten.

      FRAU GLAUBELEICHTIN. Nein! nein! ihr könnts beyde [25]zusammen lesen, damit ihr die Lust mit einander theilet. Ich habe was anders zu lesen, davon ich nicht gerne eine Zeile überhüpffen wollte. Wenn mein Schwager kömmt, so rufft mich. Cathrine komm! räume meinen Nacht-Tisch auf! (Gehen ab.)

      Dritter Auftritt.

       Jungfer Dorchen, Jungfer Luischen.

      JUNGFER DORCHEN. Mich dünckt, Schwester, daß du nach dem Lesen dieses Buchs eben kein grosses Verlangen trägst.

      JUNGFER LUISCHEN. Was soll ich denn lesen? Ich sehe, daß alle die Schrifften immer einerley sagen. Ein erschrecklich Klagen über die Orthodoxen; etliche Sprüche aus der Heil. Schrifft, oder aus Doctor Luthern, wohl oder übel angewandt; ein Hauffen Geschrey vom verborgenen inneren Funcken, und allerley Geschwätze, was ich nicht verstehe; das ist alles, was ich darinnen finde.

      JUNGFER DORCHEN. Was du nicht verstehst. Du must sehr dumm seyn.

      JUNGFER LUISCHEN. Das kan wohl seyn. Mein Trost ist aber, daß ich hierinnen vielen andern Personen gleich bin, die man doch eben nicht für so gar dumm hält.

      JUNGFER DORCHEN. Ja! aber sie beschäfftigen sich mit lauter Kleinigkeiten.

      JUNGFER LUISCHEN. Es ist wahr, sie bemühen sich nur, ihre Haushaltung zu bestellen; ihre Kinder zu erziehen; [26]ihre Bediente zu regieren; und auf diese Art theilen sie ihre Zeit in die Häußlichen und Christlichen Pflichten ein: Ich glaube aber, daß man sie deswegen eben so hoch hält, als diejenigen, welche sich bemühen über Dinge zu vernünffteln, die sie nicht verstehen.

      JUNGFER DORCHEN. Meine liebe Schwester, das heisst so viel: daß du lieber mit dem Herrn Liebmann redest, und daß du ihn besser verstehest?

      JUNGFER LUISCHEN. Es ist wahr! bedencke aber auch, daß ich meines Vaters Erlaubniß dazu habe; welcher mir befahl, den Liebmann als meinen bestimmten Mann anzusehen.

      JUNGFER DORCHEN. Schwachheit!

      JUNGFER LUISCHEN. Das kan wohl seyn, meine Schwester; aber du kanst sie mir leichtlich vergeben: Die Eigenschafft mit lauter himmlischen Sachen umzugehen, ist nicht allen Leuten gegeben, so, wie dir.

      JUNGFER DORCHEN. Das heisst so viel: Ich könnte gar nicht ans Heyrathen gedencken, wenn ich wolte? O! nein! du irrest dich sehr. Ich halte den Ehestand an sich selbst für keine Schwachheit; sondern das kömmt mir nur nicht billig vor, daß man ihn als eine ernsthaffte und wichtige Sache ansieht, und darüber die Erkänntniß des innern Christenthums aus den Augen setzet.

      JUNGFER LUISCHEN. Es ist wahr! die irrdischen Gedancken kommen dir gar nicht in den Sinn. Doch hoffe ich nimmermehr, daß du dir auf den Liebmann einige Rechnung machen wirst.

      JUNGFER DORCHEN. Warum nicht? du bildest dir ein wenig zu viel auf deines Vaters Einwilligung ein!

      JUNGFER LUISCHEN. Wie! Dorchen? willstu mir den [27]Bräutigam abspänstig machen, den mir mein Vater gegeben hat?

      JUNGFER DORCHEN. Das sage ich eben nicht; aber ich verstehe mich wohl. Doch da kommt der Vetter und die Mama. Sie kommen als wie geruffen! Wenn du willst, so wollen wir gehen, und unser Werck zu lesen anfangen.

      Vierter Auftritt.

       Frau Glaubeleichtin, Herr Wackermann.

      HERR WACKERMANN. Nun Jungfer Muhmen! jage ich sie weg?

      FRAU GLAUBELEICHTIN. Lassen sie sie nur gehen: Sie wollen etwas mit einander lesen; sie aber, Herr Bruder, werden mir vielleicht wieder eine Predigt zu halten haben?

      HERR WACKERMANN. Ja! Frau Schwester! Ich habe ihnen einen sehr vernünfftigen Vorschlag zu thun; nemlich daß sie ihre Tochter Luise verheyrathen sollen. Ich kan den langen Aufschub einer Sache nicht begreiffen, die schon vor zwey Jahren sollte geschehen seyn.

      FRAU GLAUBELEICHTIN. Ists nicht wohl schon das hundertste mahl, daß sie mir davon sagen?

      HERR WACKERMANN. Freylich!

      FRAU GLAUBELEICHTIN. Nun? haben sie etwas damit ausgerichtet?

      HERR WACKERMANN. Zum Hencker? was sollte ich ausrichten?

      FRAU GLAUBELEICHTIN. Warum geben sie sich denn immer vom neuen die Mühe?

      [28]HERR WACKERMANN. Je! warum kan man sie gar nicht überreden?

      FRAU GLAUBELEICHTIN. Warum? was haben sie denn für Recht darzu? sind sie mein Vormund? mein Gevollmächtigter? sie sind doch nichts mehr, als mein Schwager?

      HERR WACKERMANN. Das ist freylich wenig genung! Wir wollen aber vernünfftig reden, ohne uns zu ärgern.

      FRAU GLAUBELEICHTIN. Ich? ich sollte mich ärgern? Ach! die Schwachheit der verderbten Natur habe ich längst abgelegt! dem Herrn Scheinfromm sey Danck dafür.

      HERR WACKERMANN. Sehr schön! aber mit aller vorgegebenen Sanfftmuth sind sie im Stande die gantze Welt tolle zu machen. Ich muß bekennen, der Herr Scheinfromm bringt ihnen schöne Sachen bey.

      FRAU GLAUBELEICHTIN. Ey, Herr Bruder! seyn sie doch sanfftmüthig und liebreich. Sie hassen den


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