Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Komödie . Luise Adelgunde Victorie GottschedЧитать онлайн книгу.
HERR WACKERMANN. Ich gehe auf die Post! Man hat mir gesagt, daß von meinem Bruder Briefe an mich wären. Wollte GOtt, daß er mir seine Zurückunfft berichtete! Denn dieß ist ein verlohrnes Hauß, wo er nicht bald wiederkömmt. (Geht ab.)
[40]Andere Handlung.
Erster Auftritt.
Herr Liebmann, Cathrine.
CATHRINE. Nun! sie wollen gewiß meine Jungfer sprechen? Nicht wahr?
HERR LIEBMANN. Ist das noch eine Frage?
CATHRINE. Vergebliche Mühe! überflüssige Sorgen! Ach! ihr armen Verliebten, wie übel geht man mit euch um!
HERR LIEBMANN. Was wollt ihr denn damit sagen?
CATHRINE. Damit will ich so viel sagen: Daß sich meine Frau ihrer Heyrath je mehr und mehr widersetzt.
HERR LIEBMANN. Hat denn Herr Wackermann nicht mit ihr gesprochen? Er hat mirs ja zugesagt.
CATHRINE. Er ist hier gewesen; Er hat mit der Frau Glaubeleichtin gesprochen; Er hats ihr vorgetragen; aber – – –
HERR LIEBMANN. Nun! und hat nichts ausgerichtet?
CATHRINE. Nichts, gar nichts. Ja, ich habe gar erfahren, daß meine Frau auf einen andern Freyer vor ihre Tochter denckt.
HERR LIEBMANN, (gantz erschrocken.) O! wenn es so gehen soll, so werde ich auch wissen, was ich thun soll.
CATHRINE. Nun! was wollten sie wohl thun?
HERR LIEBMANN. Ich will meine geliebte Luise aus ihrer Sclaverey befreyen.
CATHRINE. Wie? wollen sie sie entführen?
[41]HERR LIEBMANN. Warum nicht? Mit einem Worte: Es ist meine Frau; und ich bin gewiß, der Obriste Wackermann wird mir nicht zuwider seyn.
CATHRINE. Ja; aber meine Jungfer wird nimmermehr – – –
HERR LIEBMANN. Ich will sie selbst darum bitten; ich hoffe, sie wird sich bewegen lassen.
CATHRINE. Sie hoffen gewiß sehr viel.
HERR LIEBMANN. Ach! ich bitte euch, helfft uns doch! Oder hindert uns nur wenigstens nicht in unserm Vorsatze. Seht! da schencke ich euch den Ring.
CATHRINE. Ach! sie machen mich gantz weichhertzig. Ich sehe wohl, daß man sich ihrer annehmen muß. Aber hüten sie sich, daß Frau Glaubeleichtin sie nicht bey Jungfer Luischen sieht. Gehen sie geschwind hinein: Es kömmt jemand. (Geht ab.)
Zweyter Auftritt.
Herr Mag. Scheinfromm, Cathrine.
HERR SCHEINFROMM, (mit einer andächtigen Mine und Stimme.) Guten Tag, mein liebes Kind! Wie befindet man sich hier?
CATHRINE. Sehr wohl. Frau Glaubeleichtin verlangt sehr nach ihnen.
HERR SCHEINFROMM. Sie hat mich in meinen Bethstunden gestöret. Wisset ihr nicht, warum sie mich hat hohlen lassen?
CATHRINE. Sie spricht: Der Herr Scheinfromm soll ihr helffen die Jungfer Luischen bekehren.
[42]HERR SCHEINFROMM. Wie? hat sie sich worinnen vergangen?
CATHRINE. Frau Glaubeleichtin denckt es; weil dem armen Kinde endlich die Zeit lang wird, daß man ihre Hochzeit so lange aussetzet.
HERR SCHEINFROMM, (beyseite.) Aha! ich mercke es! da habe ich was ich wollte. (Laut:) So will sie denn gerne bald verheyrathet seyn?
CATHRINE. Ach! je eher, je lieber. Wenn der Herr Magister die Mama bereden könnte, die Sache zu beschleunigen, so würde man ihnen ungemein verbunden seyn.
HERR SCHEINFROMM, (beyseite.) Ha! ha! ich muß eilen. (Laut:) Nun ich verspreche euch, daß ichs thun will.
CATHRINE. Wie? in rechtem Ernst? O wie froh bin ich! Denn sie können bey unserer Frau viel ausrichten.
HERR SCHEINFROMM. Das ist wahr. Aber Jungfer Luischen muß auch noch beredet werden; und da müsst ihr helffen.
CATHRINE. Ach nein! Herr Magister! die Jfr. Luischen darf gar nicht sehr gebethen werden, den Hn. Liebmann zu nehmen.
HERR SCHEINFROMM. Was sagt ihr von Liebmann? den begehre ich ihr nicht zuzufreyen.
CATHRINE. O! verzeihen sie mirs doch. Ich weiß auch nicht, was ich immer von dem närrischen Liebmann träume. Von wem redeten sie?
HERR SCHEINFROMM. Wen meynet ihr wohl?
CATHRINE. Ich wette, daß ichs errathe.
HERR SCHEINFROMM. Lasst sehen!
CATHRINE. Sie wollen meiner Jungfer gewiß ihren Herrn Vetter zufreyen?
[43]HERR SCHEINFROMM. Das wars! Freylich, meinen jungen Vetter, den Herrn von Muckersdorff, will ich ihr zufreyen. Ich habe ihm ein klein Gütchen geschenckt. Aber wie habt ihr das so errathen?
CATHRINE. O! das kan ja wohl ein Kind errathen. Denn vors erste, so ist meine Jungfer brav reich; und ich bin zum andern versichert, daß sich die beyden Leute ungemein wohl zusammen schicken.
HERR SCHEINFROMM. Ihr habt ja meinen Vetter noch nicht gesehen.
CATHRINE. Den jungen Herrn von Muckersdorff? Nein! aber was thut das? Ich wette, er siehet ihnen ähnlich.
HERR SCHEINFROMM. Etwas.
CATHRINE. Nun, sehen sie es? Mehr braucht er nicht. Und, unter uns gesagt: Liebmann ist ein junger Taugenichts!
HERR SCHEINFROMM. So seyd ihr also meiner Meynung?
CATHRINE. O freylich!
HERR SCHEINFROMM. Nun, so will ich euch was offenbahren: Ich habe selbst die Frau Glaubeleichtin bisher abgehalten, ihre Tochter zu verheyrathen.
CATHRINE. Ey! Ey! wer hätte das dencken sollen?
HERR SCHEINFROMM. Weil ich aber wohl wuste, daß der Obriste Wackermann sehr starck darauf drung; so habe ich mich bemüht, ihn bey der Frau Glaubeleichtin recht schwartz zu machen.
CATHRINE. Sie haben sehr wohl gethan.
HERR SCHEINFROMM. Ich sahe es wohl vorher, daß eure Jungfer des Wartens überdrüßig werden würde; da sie nun einmahl sieht, daß sie ihren Liebmann nicht kriegen kan; so hoffe ich, daß sie noch lieber meinen Vetter wird [44]nehmen, als sich entschliessen wollen, gar ohne Mann zu bleiben.
CATHRINE. Allerdings! ich glaube es auch.
HERR SCHEINFROMM. Die Mutter ist mir gewiß genung. Es wäre aber gut, wenn ihr der Tochter auch zureden möchtet, daß sie sich diese Heyrath gefallen läßt, denn bekömmt die Sache doch ein gutes Ansehen.
CATHRINE. Ach! das will ich schon machen.
HERR SCHEINFROMM. Mein Vetter ist auch so gar arm nicht. Er ist nicht der allerheßlichste; und vor einem Menschen von geringer Herkunfft hat er doch auch gantz hübsche Freunde. Ich habe das alles der Frau Glaubeleichtin erzehlt.
CATHRINE. Das ist ja eine sehr schöne Beschreibung! Der Herr von Muckersdorf; die Frau von Muckersdorffin; ein Hauffen kleine Muckersdörffgens: Das wird ja eine heilige Baum-Schule abgeben, welche recht schön seyn wird.
HERR SCHEINFROMM. Aus Eigennutz thue ich das alles nicht; von diesem Laster bin ich durch die Gnade GOttes schon lange Zeit befreyet. Nein, ich thue es aus blossem Eyfer vor Jungfer Luischens Seeligkeit.
CATHRINE. O! das sieht man wohl.
HERR SCHEINFROMM. Denn, denckt nur selbst nach. Herr Liebmann ist ein junger, liebenswürdiger Mensch; er ist gantz weltlich; er hat eure Jungfer lieb, und sie ihn. Allein diese Liebe bey den beyden Leuten möchte wohl nur bloß ein natürliches Werck seyn; und nicht der Göttlichen Gnade und Barmhertzigkeit.
CATHRINE.