Dr. Norden Extra 4 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
wir es doch gleich auf«, sagte Daniel.
Fee sah Vanessa erwartungsvoll an. »Ich habe keine Ahnung, Dr. Jankovski hat es so in Empfang genommen. Sie sehen, es ist versiegelt.«
Fee brach die Siegel. Das Päckchen war etwa so groß wie ein Schuhkarton und ziemlich schwer. Was da zutage kam, ließ alle staunen. Zuerst eine Ikone, die einen beträchtlichen Wert haben mußte, wie Jörg feststellte.
»Ist sie echt, ich verstehe nichts davon?« fragte Daniel. »Was schreibt er dazu, Fee?«
»Das ist sehr persönlich«, erwiderte sie.
»Dr. Holbruck ist Kunstexperte«, warf Vanessa ein.
»Der Experte ist mein Vater, aber ich verstehe auch etwas davon. Es gibt keinen Zweifel, daß die Ikone echt ist, das sehe ich sofort«, erklärte Jörg.
Es befanden sich noch drei Etuis in dem Karton, aber die öffnete Daniel nicht. Ihm war es beklommen zumute. Er wollte erst mit Fee sprechen, und er wollte auch wissen, was Kestner geschrieben hatte.
»Was dürfen wir Ihnen anbieten?« fragte er.
»Nichts, vielen Dank«, sagte Vanessa hastig. »Wir wollten ja nicht länger bleiben. Wir haben noch etwas vor.«
»Ich schreibe Ihnen eine Bestätigung«, sagte Fee, die auch einen leicht verwirrten Eindruck machte.
»Wo sind Sie zu erreichen, falls wir noch eine Nachricht für Dr. Jankovski haben?« fragte Daniel.
Vanessa nannte ihm das Hotel. »Ich wohne auch dort, falls Sie eine Schätzung benötigen«, sagte Jörg. »Ich möchte Sie aber auch darauf aufmerksam machen, daß solche Kultgegenstände gewisse Gefahren mit sich bringen, da sie in früheren Zeiten auf mysteriöse Weise aus Kirchen und Gedenkstätten verschwanden. Ich will das nicht von dieser behaupten, aber wir haben die Erfahrung gemacht, daß manchmal mit allen Mitteln versucht wird, solche Gegenstände wieder den früheren Besitzern zuzuführen. Hatte Kestner eine religiöse Beziehung zu Ikonen?«
»Das weiß ich nicht«, erwiderte Daniel Norden. »Ich weiß nur, daß er Kunstsammler war und auch ständig Ausschau nach Antiquitäten hielt.«
»Und daß er meinem Vater eine alte Taschenuhr abgeluchst hat«, sagte Fee lächelnd. »Allerdings hat er einen so hohen Preis dafür bezahlt, daß wir ein wichtiges medizinisches Gerät dafür kaufen konnten.«
»Er hat die Ikone bestimmt nicht gestohlen«, sagte Daniel. »Er war ein Ehrenmann.«
Allerdings mußte er später gewisse Einschränkungen machen, als er las, was Robert Kestner geschrieben hatte. Jörg und Vanessa hatten sich gleich verabschiedet, und nun konnten Fee und Daniel den übrigen Inhalt des Päckchens auch enthüllen. In einem Etui befand sich eine wunderschöne Perlenkette, in die auch Brillanten eingereiht waren. In dem zweiten, und im dritten eine goldene Kette mit einem wunderschönen Medaillon.
»Guter Gott, das hat doch einen immensen Wert«, sagte Fee. »Aber es ist nicht antik, höchstens zwanzig Jahre alt. Soviel verstehe ich auch von Schmuck. Bis auf das Medaillon, das könnte schon aus dem vorigen Jahrhundert stammen. So was wird heute nicht mehr hergestellt. Wie kommt er nur dazu, uns so was zu schicken?«
»Er hat es doch geschrieben.«
Lieber Daniel Norden, ich denke, daß ein alter Mann sein Haus wohlbestellt wissen soll. Da ich auf dieser Welt niemanden habe, außer ein paar guten Freunden, möchte ich einiges, was mir besonders am Herzen liegt, in guten Händen wissen. Da ich das Glück hatte, in Dr. Jankovski einen zuverlässigen Mann kennenzulernen, habe ich ihn gebeten, ein Päckchen für Sie mit nach Deutschland zu nehmen und es Ihnen möglichst selbst zu übergeben. Es gibt wenige Menschen, denen ich vertraue. Zu diesen gehören Dr. Jankovski und Dr. Holbruck. Ich konnte eine interessante Zeit mit ihnen verbringen. Mit der Ikone hat es eine besondere Bewandtnis. Wenn ich sie betrachte, erinnere ich mich an jenen Tag, als Sie mich untersuchten, Dr. Norden. Sie sagten mir, daß man manchmal nicht umhin kommt, einen Körper zu öffnen, um genau festzustellen, was sich in seinem Innern abspielt. Und so war es ja auch bei mir. Das Übel wurde entdeckt und entfernt, und ich konnte genesen. So gebe ich die Ikone in Ihre Hände. Und Sie werden ergründen, was sie wirklich wert ist. Sie und Ihre außergewöhnliche Frau haben sicher das richtige Verständnis für meine Bitte. Irgendwie belastet es mein Gewissen jetzt, wenn ich nicht weiß, woher manche Kunstwerke, die ich erwerben konnte, stammen. Den Schmuck habe ich für eine Frau gekauft, die ich sehr geliebt habe. Leider war es mir nicht vergönnt, mein Leben mit ihr zu verbringen, sonst wäre ich wohl nicht so ein Spinner geworden, wie man mich gern bezeichnet. Ich hoffe, daß Ihre Frau Freude daran hat, und besonders das Medaillon soll ein Glücksbringer sein. Ich weiß Ihre Güte und Menschlichkeit zu schätzen und hoffe, daß Sie an meiner Aufrichtigkeit Ihnen gegenüber niemals zweifeln. Umgeben von all den Schätzen, die ich gehortet habe, fühle ich mich jetzt manchmal wie von Geistern bedroht. Gott möge mir vergeben, wenn ich etwas Unrechtes getan habe. Es grüßt Sie und Ihre Familie, die Gott behüten möge, in Dankbarkeit. Ihr Robert Kestner.
»Als hätte er geahnt, daß er nicht mehr lange leben würde«, sagte Daniel.
»Und wenn es kein Unfall war?« meinte Fee. »Was machen wir denn jetzt mit der Ikone? Irgendwie ist der Brief merkwürdig.«
»Geben wir sie Holbruck. Er ist der Kunstexperte. Er kann am ehesten in Erfahrung bringen, woher sie stammt.«
»Warum hat Kestner sie nicht gleich ihm gegeben?« meinte Daniel. »Laß uns alles in Ruhe überdenken, Feelein.«
»Ich habe aber kein gutes Gefühl, Schatz. Warum wieder ausgerechnet wir?«
»Mei, wir sind halt so vertrauenerweckend«, lachte er.
»Und warum nicht Holbruck, wenn er doch schon mit ihm zusammen war?«
»Vielleicht hat Kestner gefürchtet, daß Holbruck ihn für einen Dieb halten könnte. Jedenfalls scheint er ganz schön verunsichert gewesen zu sein, was die Ikone anbetraf.«
»Könnte ihm jemand gedroht haben? Auf deutsch gesagt, er hatte ein schlechtes Gewissen.«
»Und er vertraute darauf, daß wir ihn für einen ehrlichen Menschen halten.«
»Das war er auch, aber diese kleinen oder großen Leidenschaften bringen Sammler manchmal in einen Zwiespalt. Es ist wie mit einer schönen Frau, die man begehrt. Da ist einem jedes Mittel recht, sie zu bekommen.«
»Du mußt es wissen«, lachte Fee.
»Natürlich weiß ich es. Was mußte ich mir denn alles einfallen lassen, um dich zu überzeugen, daß ich nur dich liebe.«
»Du hättest mir nur keinen Grund zur Eifersucht geben müssen.«
»Ich habe dir keinen gegeben. Du hast es dir eingebildet, daß es andere gibt. Ich konnte doch nichts dafür, daß andere sich so viel Mühe gaben, mir zu gefallen, während du mir die kalte Schulter zeigtest.«
»Seid ihr wieder mal bei den ollen Kamellen?« ertönte da Dannys Stimme. »Sagt lieber, was in dem Päckchen ist.«
»Nichts für euch, du Naseweis«, bekam er von Fee zu hören.
»Na dann, wird schon nichts Besonderes sein«, meinte er.
Aber Daniel und Fee faßten den Entschluß, Dr. Holbruck einzuweihen.
*
»Fahren wir auf die Wiesen«, sagte Jörg zu Vanessa, als sie die Nordens verlassen hatten.
»Auf welche Wiesen?« fragte sie leicht empört zurück.
»Hier nennt man das Oktoberfest ›die Wiesen‹. Wir können dort etwas essen, da lernen Sie gleich die Atmosphäre in einem Bierzelt kennen.«
»In Hamburg nennen wir es den Dom«, sagte Vanessa, »aber mich kann das nicht begeistern.«
»In München geht es ein bißchen anders zu, aber man muß schon die richtige Einstellung mitbringen.«
»Und wenn man Auto fährt, darf man