Das Erbe der Macht - Band 23: Engelsfall. Andreas SuchanekЧитать онлайн книгу.
vorne umgibt sich mit einer Leibwache aus drei Männern, von denen jeder einen Essenzstab trägt.«
»Das lässt bedauerlicherweise einen ziemlich großen Zeitraum offen.« Alex kratzte sich am Kopf.
»Du hast viele Monate in meiner Traumbibliothek verbracht, dich in Geschichte, Zauber und weit mehr eingelesen.« Verne deutete auf die nächste Szene. »Sag du mir, wann das spielt.«
Kevin konnte nicht sagen, ob es eine Revanche für Alex‘ Frechheit war, doch immerhin schien es hier einen Hinweis zu geben, der erkennbar war. Der Unsterbliche hatte das Rätsel gelöst.
Vorsichtig stützte sich Alex auf dem Rand des Wasserbeckens ab und studierte die Szene. Es war eine Zusammenkunft wichtiger Männer. An einem Podest saßen weitere in Roben, fast wirkten sie wie Richter.
»Das ist die Signora«, begriff Alex. »Die Stadtregierung.«
»Schau, jener dort links.« Verne deutete auf einen Kerl mit dunklen Locken.
»Er sagt mir nichts.«
»Das ist Cosimo de Medici.« Der Hüter der Traumebene nickte mit Nachdruck. »Und er ist verheiratet, doch recht jung. 1415 würde ich sagen. Plus minus ein Jahr. Aber durch einen Zauber, der euch mit der Erinnerung verbindet, könnt ihr das relativ exakt anpeilen.«
Die Spannung fiel von Alex ab. »Danke.«
»Womit wir allerdings noch ein Problem zu lösen haben«, stellte Kevin klar.
Wie gelang es ihnen, in die Vergangenheit zu reisen? Jules Verne hatte keine Idee.
Sie beendeten mit dem Schaltwort den Schlaf und kehrten ins Bewusstsein zurück.
Vor ihnen stand ein Besucher, mit dem Kevin in diesem Augenblick am wenigsten gerechnet hätte.
Memorum Excitare
Was ist …«
»Keine Zeit.« Finger schlossen sich um ihr Handgelenk.
Die Umgebung verging in einem Wirbel aus Farben und Formen. Shairi taumelte, konnte sich jedoch auf den Beinen halten.
»Was soll das, Kenon?«
Sie hätte erwartet, dass der Sprungmagier mit dem schwarzen Haar schuldbewusst dreinblicken würde – immerhin hatte er sie direkt vor den Türen eines Ratsmitglieds weggeholt –, doch in seinen Augen lag nackte Panik.
»Iria Kon geht unter«, haspelte er.
Erst jetzt bemerkte Shairi die übrigen Magier, die hier ausharrten. Sie hatten sich in kleinen Gruppen zusammengefunden, hielten ihre Essenzstäbe fest umschlungen und sahen sich hektisch um.
Kenon verschwand erneut, tauchte kurz darauf mit zwei weiteren Magiern wieder auf. Innerhalb der nächsten Minuten füllten sich die Katakomben.
»Shairi.«
»Rakun!« Sie umarmte den väterlichen Freund. »Was ist los?«
»Pure Macht«, hauchte er. »So etwas habe ich nie zuvor gespürt. Iria Kon wird fallen. Jemand greift uns von innen heraus an.«
»Eine Besucherin«, rief ein Jüngling. »Ich habe sie zu einem der Ratsherren gebracht. Sie sprach davon, aus der kommenden Zeit zu stammen.«
Shairi schloss die Augen. Das war es. Genau davor hatte er sie gewarnt. Der Untergang der Insel. Sie hatte es nicht ernst genommen.
»Die Katakomben werden einstürzen«, sagte sie.
»Nicht einmal die Mächtigen der Zitadelle könnten diesen Ort vergehen lassen«, versuchte Rakun, sie zu beruhigen.
»Alles hier wird vernichtet«, gab Shairi nicht minder leise zurück. »Die Macht aus der kommenden Zeit ist gewaltiger als alles bisher Gewesene.«
Glücklicherweise kehrte in diesem Augenblick Kenon zurück, eine Frau mit Kind an seiner Seite. »Eine Flutwelle. Die Schiffe zerbrechen.«
Ein Beben erfasste die Höhle, gewann sekündlich an Stärke. Risse durchzogen die Felsen.
Kenon war am Ende seiner Kräfte. Bereits vor Shairi hatte er blitzschnell Menschen hierhergebracht, Hunderte kauerten in der Kaverne.
»Wenn du recht hast …« Rakun musste sich stützen.
Er hatte die sechzig längst überschritten und war sowieso nicht mehr der Fitteste.
Shairi bedeutete ein paar Magiern, zur Seite zu treten. Eine mehrere Schritte durchmessende freie Fläche entstand. Es war ihr verboten, außerhalb der geschützten Kammern den Zauber zu sprechen, doch in dieser Situation besaßen die alten Regeln keine Bedeutung mehr.
Und so sprach Shairi die magischen Worte und schuf die zugehörigen Symbole, die die Realität aufbrachen. Ein schwarzer Schlund entstand, aus dem Dunkelheit floss.
»Der Weg in ein Splitterreich!«, verkündete sie. »Ich weiß nicht, was uns am Ziel erwartet, doch Iria Kon wird untergehen.«
»Aber … Du darfst nicht …« Rakun blickte entsetzt zwischen ihr und dem Spalt hin und her.
»Ich muss.« An alle anderen gewandt sagte sie: »Diese Katakomben werden einstürzen. Wenn ihr leben wollt, kommt mit mir.«
Und damit tat sie den Schritt.
Der Spalt nahm Shairi auf, riss sie fort von Iria Kon und schleuderte sie durch die Dunkelheit zwischen den Welten. Die Reise dauerte nur wenige Sekunden, dann taumelte sie über eine Ebene, angefüllt mit dunkler Erde.
Shairi starrte entsetzt auf die am Horizont tanzenden Wirbelstürme, die abgestorbenen Pflanzen, den brackigen Untergrund. Das hier war kein lebendiges Splitterreich, es lag im Sterben.
»Flammen des Anbeginns«, erklang die entsetzte Stimme von Rakun. »Dieser Ort ist verdammt.«
Immer mehr Flüchtende kamen aus dem Spalt. Shairi spürte bereits, wie ihre Essenz zur Neige ging.
»Hilf mir, den Durchgang stabil zu halten«, bat sie Rakun.
Er nickte kurz, wenn auch widerstrebend. »So sei es.«
Kenon schloss sich an und weitere folgten. Sie hielten den Riss offen, bis alle hindurch waren.
»Die Katakomben stürzen ein!«, brüllte die letzte Gruppe. »Wasser!«
Shairi zeichnete das Symbol und verschloss den Spalt. Ein Schwall schwappte herüber, dann war die Verbindung gekappt.
Iria Kon existierte nicht länger.
»Ich hatte auf ein wenig mehr Sonne gehofft.« Kenon zuckte nur mit den Schultern. »Aber immerhin leben wir.«
Dankesrufe wurden laut.
Die meisten der Anwesenden wussten, dass Shairi die Magie zur Passage in ein anderes Splitterreich niemals hätte weitergeben dürfen. Jeder, der es gesehen hatte, konnte die Magie nachvollziehen.
»Dann sollten wir nicht länger in dieser Einöde stehen.« Rakun deutete an die Stelle, an der der Spalt gewesen war. »Öffne einen weiteren Durchgang und bringe uns zurück. Doch auf das Festland.«
Shairi wirkte die Magie erneut. Doch nichts geschah.
»Was ist los?«, fragte Kenon.
»Es funktioniert nicht.« Sie runzelte die Stirn. »Etwas verhindert, dass der Zauber manifestiert. Er zerfasert.«
Rakun wurde bleich. »Das Reich wurde versiegelt. Auf dass niemand es verlassen kann. Wir brauchen Wachen!«
Sofort zogen Magier einen Kreis um die Gruppe, jederzeit bereit, sie zu verteidigen.
»Du denkst an ein Gefängnisreich?«, fragte Shairi.
»Schlimmeres. Spürst du es denn nicht?«
Sie lauschte in sich hinein und nickte schließlich. »Da ist etwas.