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Paris abseits der Pfade (Jumboband). Georg RenöcklЧитать онлайн книгу.

Paris abseits der Pfade (Jumboband) - Georg Renöckl


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schlicht und einfach, die gesellschaftlichen Spielregeln zu beherrschen. Mit Gemütlichkeit oder dergleichen hat das so wenig zu tun wie die typische Pariser Höflichkeit mit echter Freundlichkeit – auch wenn es einfach schön ist, in der Bäckerei mit „Monsieur“, „Mademoiselle“ oder „Madame“ angesprochen zu werden.

      Verlasse ich die Buchhandlung, überquere ich gern die Seine in Richtung Île de la Cité. Wie alle anderen auch, gehe ich dabei meist bei Rot über die Straße, oft neben einem Polizisten, der das genauso macht. Auch das gehört zum Pariser Savoir-vivre: Über Kleinkariertheit ist man erhaben, und Polizisten haben Wichtigeres zu tun, als Fußgänger zu maßregeln. Vielleicht haben sie auch Respekt vor der Unbotmäßigkeit, die zur Natur der Bewohner dieser Stadt gehört: Sich aufzulehnen und um sein Recht zu kämpfen, hat hier eine ehrwürdige Tradition, nicht umsonst gelten die Pariser im übrigen Frankreich als „râleurs“, als „Raunzer“, mit denen man sich lieber nicht anlegt.

      Dabei hat man manchmal, wenn man die Weltstadt zu Fuß erkundet, das Gefühl, von Dorf zu Dorf zu wandern. Auch wenn die Stadt die vielen alten Ortskerne an ihren ehemaligen Rändern geschluckt, überwuchert, ausgelöscht oder völlig verändert hat, spürt man sie oft noch, die unterschiedlichen Persönlichkeiten von Belleville und Ménilmontant, von Charonne oder der Butte aux Cailles, von Saint-Germain-des-Près, Grenelle, Auteuil, Passy, Batignolles oder Les Epinettes – teils klingende, teils kaum bekannte Namen.

      Äußerlich angeglichen wurden sie im 19. Jahrhundert durch Baron Georges-Eugène Haussmann, ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten haben sie aber meist gewahrt, ob es sich nun ums aristokratische Auteuil, das intellektuelle Saint-Germain oder das proletarisch-migrantische Epinettes-Viertel handelt. In Letzterem entsteht während der Arbeit an diesem Buch ein völlig neuer Stadtteil, das Grand Paris der Zukunft beginnt langsam Gestalt anzunehmen. Doch auch mitten im Zentrum ist die gerade stattfindende Veränderung faszinierend zu beobachten: An den Ufern der Seine, wo gerade noch der Verkehr mit Hochgeschwindigkeit durchbrauste, hört man jetzt wieder das Wasser gluckern, seit die Schnellstraße durch das historische Zentrum von Paris zur Fußgängerzone gemacht wurde. Auf Plätzen wie Nation oder Bastille, die vor Kurzem noch und völlig zurecht als Verkehrshölle auf Erden galten, pflanzen heute Kindergartenkinder Blumenbeete. Die ehrgeizige ökologisch ausgerichtete Politik von Bürgermeisterin Anne Hidalgo verleitet manche Beobachter zum Vergleich mit Baron Haussmann. Das ständige Streben nach der Spitze und der unbedingte Ehrgeiz, zu den Vorreitern zu zählen, vereint nicht nur den deutschstämmigen Präfekten und die spanischstämmige Bürgermeisterin, sondern ist eben eine Pariser Konstante.

      Auf mich wirkt die typische Pariser Unruhe, diese Unfähigkeit, sich auf den Lorbeeren auszuruhen, im Grunde sehr beruhigend: Ganz gleich, wie gut man die Stadt kennt – man wird doch bei jedem Besuch am laufenden Band Neues entdecken. Wahrscheinlich meinte Hemingway, als er feststellte, dass Paris kein Ende habe, ja genau das.

      Schönes Flanieren!

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A Statue Saint-Denis
B Pont au change
C Boulangerie Dheilly
D Fontaine des Innocents
E La Fresque
F Pâtisserie Stohrer
G Passage du Grand-Cerf
H Passage du Caire
I Passage du Prado
J Les 2 au coin
K Passage des Petites Ecuries
L Marché Quentin
M Terminus Nord
N Krishna Bhavan

      Der Königsweg: Teil 1

      Im April 2019 brannte nicht nur die Kathedrale der französischen Hauptstadt Paris, vielmehr stand das Zentrum des Landes in Flammen. Schließlich führen alle Wege nach Notre-Dame, jedenfalls alle Wege Frankreichs: Nur wenige Meter vor dem linken Eingangstor ist der „Nullpunkt der Straßen Frankreichs“ („point zéro des routes de France“) ins Pflaster eingelassen. Wird die Distanz eines Ortes in Frankreich zu Paris angegeben, bezieht sich die Messung auf diesen Punkt im Herzen der Stadt.

      Während ich dieses Kapitel niederschreibe, weiß man noch immer nicht, warum der verheerende Brand ausgebrochen ist, der in der Nacht vom 15. zum 16. April den mittelalterlichen Dachstuhl der Kathedrale zerstört hat. Ihre Umgebung ist seither durch Bleirückstände belastet. Ich musste beim Anblick der brennenden Kirche unwillkürlich an meine alte zerfledderte Ausgabe von Victor Hugos „Notre-Dame de Paris“ denken. Auch auf deren Cover brennt die Kathedrale, wenn auch kontrolliert: Das vergilbte Taschenbuch, das ich als Student billig bei einem Pariser Altwarenhändler erstanden habe, zeigt Quasimodos Kampf gegen die anstürmenden Bettler des Hofs der Wunder, bei dem er durch die mittelalterlichen Wasserspeier einen Regen aus brennendem Pech und Blei auf die Angreifer niedergehen lässt.

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       Saint-Denis bzw. heiliger Dionysius

      Auch vor dem Feuer von 2019 kam mir fast jedes Mal, wenn ich von der nahen Place Saint-Michel in Richtung Notre-Dame spazierte, Victor Hugos Roman in den Sinn. „Ceci tuera cela. – Dieses wird jenes töten“, sagt darin der dämonische Diakon Claude Frollo und zeigt zuerst auf ein Buch, dann auf die Kathedrale. Der spätmittelalterliche Priester bezieht sich auf die Gefahr, die das gedruckte Buch für die Macht der Kirche darstellte. In Wirklichkeit hat ein Buch die Kirche damals gerettet: Als Victor Hugos Roman 1831 erschien, galt Notre-Dame als Fall für die Spitzhacke. Der Zahn der Zeit, diverse Umbauten sowie die Beschädigungen durch die Revolutionäre hatten ihr arg zugesetzt. Bevor sich Napoleon selbst zum Kaiser krönte, ließ er den Innenraum der Kathedrale weiß anstreichen und durch Fahnen verhängen, um den baufälligen Zustand im wahrsten Wortsinn zu übertünchen. Notre Dame schien unrettbar verloren. Dann schrieb Victor Hugo seinen Roman, der zu einem immensen Publikumserfolg wurde und ein Umdenken einleitete, das schließlich zur aufwendigen Restaurierung der Kathedrale führte. Eine solche steht nun wieder an.

      Mir dient die majestätische Kirche am Nullpunkt der Pfade, die zwar ihr altes Dach verloren, die Katastrophe aber doch erstaunlich glimpflich überstanden hat, bei meinem Spaziergang nur als Wegweiser: Ganz links neben dem linken Eingangstor befindet sich die Statue eines Mannes, der eine Bischofsmütze auf dem Kopf und selbigen in den Händen trägt. Es handelt sich um Saint Denis beziehungsweise den heiligen Dionysius, den ersten


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