Familie Dr. Norden Classic 39 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
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Fee Norden hatte ihren Mann schon eine ganze Weile beobachtet, ohne etwas zu sagen. Sie wußte, daß es etwas zu bedeuten hatte, wenn er so schweigsam war und immer wieder hörbar seufzte.
»Nun red schon endlich und sag was dich bedrückt«, drängte sie, als er aufstand und zum Fenster ging.
»Schau dir diesen herrlichen Sternenhimmel an, Feelein, müssen wir uns da fragen, ob es irgendwo in der Galaxie Planeten gibt mit Lebewesen, die uns vernichten wollen?«
»Seit wann beschäftigt dich denn das?« fragte sie ganz erstaunt.
»Seit sich der Zustand von Romanus so verschlechtert hat. Ich mache mir Sorgen, daß sich sein Geist verwirrt.«
Erschrocken sah Fee ihn an. »Man sagt, daß Genie und Wahnsinn dicht zusammenliegen, ich halte ihn für ein Genie.«
»Nicht nur du, mein Schatz! Er ist ein Genie, aber er redet jetzt nur noch von einer Invasion aus dem Weltall, die ihm sein Doppelgänger bereits angekündigt hat.«
»Sein Doppelgänger?« fragte Fee konsterniert.
»Das ist ein Alien, er ist bereits hier und besucht ihn von Zeit zu Zeit. Er wolle eine friedliche Lösung, meint er, aber er hege seine Befürchtungen.«
»Das gibt aber sehr zu denken«, sagte Fee bestürzt. »Solltest du nicht lieber einen Psychiater hinzuziehen oder einen Neurologen?«
»Das würde möglicherweise alles noch verschlimmern. Abgesehen von diesen Psychosen ist er völlig normal. Manchmal habe ich das Gefühl, er will mich nur auf die Schippe nehmen oder einen Versuch machen, wie weit er mich von seinen Ideen überzeugen kann.«
»Laß das bloß die Kinder nicht hören, die reden auch manchmal solchen Unsinn. Es wird ja auch durch die Filme und die Spielzeugindustrie forciert. Ich finde das auch nicht lustig, aber wir können sie ja nicht zu Außenseitern werden lassen. Es gibt genug ernsthafte Wissenschaftler, die an intelligente Lebewesen in der Galaxie glauben. Wenn wir uns damit beschäftigen, machen wir uns auch noch verrückt. Glaubst du etwa, daß auch schon geklonte Menschen herumlaufen?«
Daniel seufzte wieder. »Manchmal denke ich, in der heutigen Zeit ist nichts mehr unmöglich. Dauernd gibt es irgendwelche Wundermittel, die den Alterungsprozeß aufhalten, andere, durch die man von einer Tonne zum Bleistift werden kann und so weiter. Zu mir kommen dann die, die so was nehmen und mir die Ohren volljammern, weil sie die Wechselwirkungen nicht verkraften! Aber selbstverständlich sind nicht die diversen Mittel daran schuld, sondern das Wetter, die Umwelt, der Streß und der Ärger, den man mit den lieben Mitmenschen hat.«
»Ich weiß, mein Schatz«, sagte Fee mitfühlend, »sonst noch was, was dir zu schaffen macht?«
Sie ahnte, daß da noch was war!
Daniel nickte. »Seiner Tochter wurde anheimgestellt, ihre Stellung in der Chirurgie aufzugeben und sich um ihren Vater zu kümmern. Ich kann mich über den Kollegen Dietrich nur wundern.«
Für ein paar Minuten war Fee sprachlos, dann sagte sie sehr ungehalten, daß Viktoria ihrem Chef wohl auf den Schlips getreten sei.
»Was wird sie tun?« fragte sie.
»Ich werde morgen mit ihr sprechen. Sie nimmt erst mal ihren Jahresurlaub, dann sehen wir weiter. Dieter würde sie gern nehmen, da es ihm zur Zeit nicht so gutgeht. Aber bitte nichts davon zu Jenny. Sie könnte sich erst an Vicky gewöhnen, bis Dieter mal Pause macht. Die muß sein, das habe ich ihm gesagt.«
»Dann redet doch mal darüber, ich kenne euch doch.«
»Meinst du, Jenny würde es nicht auffallen, daß Dieter nur noch mit gedrosselter Kraft arbeitet? Sie macht sich schon länger Sorgen. Was fehlt ihm? Ich bin doch keine Klatschbase.«
»Beginnende Arthrose. Er hat manchmal große Schmerzen und fürchtet, daß ihm bei einer Operation das Skalpell aus der Hand fällt, wenn er einen Schmerzanfall bekommt.«
»Dann stimmt Jennys Vermutung, und ich kann mir vorstellen, daß Vicky in dieser Situation die richtige Gesellschaft für sie wäre. Ob Dietrich sie belästigt hat? Zutrauen würde ich es ihm. Er hat schon mal eine Affäre mit einer Ärztin gehabt. Wieso hat Vicky eigentlich ihre Verlobung gelöst, weißt du etwas darüber?«
»Keine Ahnung, Romanus hat nie darüber gesprochen. Er war wohl gleich dagegen.«
»Es war wohl eine Urlaubsliebe, er war Italiener.«
»Was nicht besagt, daß er ein Hallodri gewesen sein muß, aber wie es scheint, war es ein Flop. Mal sehen, ob Vicky darüber spricht.«
»Wir haben sie lange nicht gesehen, lade sie ein, uns zu besuchen.«
»Wer weiß, wie sie jetzt zu ihrem Vater steht. Ich will einen Konflikt vermeiden. Romanus ist ein kranker Mann.«
»Und dein Patient, das ist vorrangig, ich verstehe das.«
*
Dr. Franz Dietrich sah Viktoria Romanus aus zusammengekniffenen Augen an. An sich war er ein gut aussehender Mann, aber jetzt war sein Gesicht verzerrt. Es behagte ihm nicht, daß Viktoria ihn so offen mit einem verächtlichen Blick musterte.
»Wenn Sie mir Schwierigkeiten machen wollen, werden Sie es bereuen«, stieß er zwischen den Zähnen hervor. »Sie haben keine Chance und sollten meine Großzügigkeit nützen, um mit heiler Haut davonzukommen.«
»Den Teufel werde ich«, erwiderte sie eisig. »Sie wollen Krieg, den können Sie bekommen. Er fängt erst richtig an, wenn ich diese Klinik verlasse, denn ich habe Kollegen, die Ihretwegen ihre Stellung nicht verlieren sollen. Jetzt nehme ich meinen Urlaub, dann sehen wir weiter.«
»Sie sind ja schon genauso verrückt wie Ihr Vater und so kriminell wie Ihr Verflossener.«
»Er war wenigstens nicht so verkommen wie Sie!« Mit einem hörbaren Knall machte sie die Tür hinter sich zu.
Schwester Gerda lief ihr nach. »Entschuldigung, Frau Doktor, aber Sie möchten zu Prof. Degenhart kommen.«
»Auch das noch«, murmelte Viktoria.
»Und ich möchte auch sagen, daß es uns leid tut, daß Sie uns verlassen.«
»Es ist besser so, Gerda. Nett von Ihnen.«
»Mehr darf ich ja nicht sagen.«
Viktoria lächelte flüchtig, ging zum Lift und fuhr nach oben, zu Prof. Degenharts geheiligten Räumen.
Er war dafür bekannt, daß er sich nur in den seltensten Fällen mit Untergebenen unterhielt, und sich auch nicht in interne Streitigkeiten einmischte.
Viktoria war auf alles gefaßt, aber sie machte keineswegs einen ängstlichen Eindruck.
»Nehmen Sie doch bitte Platz, Frau Romanus«, sagte er höflich. »Darf ich mich vorab erkundigen, wie es Ihrem Vater geht?«
»Ganz gut, soweit ich informiert bin«, erklärte sie lakonisch.
Will er mich über Vater aushorchen? fragte sie sich.
»Er wird sich freuen, wenn Sie wieder in München tätig sind. Ich bedaure sehr, daß Sie uns verlassen. Es wäre doch durchaus möglich gewesen, eine andere Lösung zu finden.«
»Das glaube ich nicht. Da ich annehme, daß Sie über die Gründe informiert sind, Herr Professor, möchte ich mich dazu nicht mehr äußern. Was ich gegebenenfalls noch gegen Dr. Dietrich unternehmen werde ist meine Privatangelegenheit.«
»Dann brauche ich Sie wohl nicht zu bitten, noch einmal offen mit mir diese Angelegenheit aus Ihrer Sicht zu erörtern.«
»Es hat mit Ihnen überhaupt nichts zu tun.«
»Sie haben jetzt noch vier Wochen Urlaub. Vielleicht ergibt sich in dieser Zeit einiges, das die Wogen glättet. Ich hoffe es auch in Ihrem Interesse.«
»Ich kann ruhig schlafen. Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen.«
Jetzt lächelte er sogar flüchtig und erhob sich, um sich zu verabschieden. »Grüßen Sie bitte ihren Vater. Ich wünsche ihm alles Gute.«
*