Der exzellente Butler Parker 30 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
Mister Parker partout nicht einsehen will«, seufzte die Hausherrin und richtete den Blick schicksalsergeben zur Decke. »Er ist völlig anderer Meinung, aber das wundert mich nicht.«
»Mylady können einem alten, müden und relativ verbrauchten Mann hoffentlich verzeihen«, bat Parker mit glattem, ausdruckslosem Gesicht, das dem eines professionellen Pokerspielers glich.
»Wie dem auch sei, Mister Parker, ich werde der Sache auf den Grund« gehen«, redete Lady Agatha weiter. »Das Fernsehprogramm ist heute mal wieder ausgesprochen mies. Das gibt mir Zeit und Gelegenheit, einige Hintergrundforschung zu betreiben.«
»Sie wollen also Ihren neuen Gast noch heute abend verhören?« erkundigte sich Mike Rander.
»Auf keinen Fall, mein Junge, danach steht mir jetzt nicht der Sinn. Außerdem muß sich der Mann von Mister Parkers Attacke mit dem Schirm erholen, so viel Zeit muß ich ihm schon geben.«
»Das ist aber wirklich human von Ihnen, Mylady«, lobte Kathy Porter.
»So bin ich eben, Kindchen. Leider werde auch ich viel zu oft verkannt«, seufzte die ältere Dame und wandte sich an ihren Butler. »Ich hoffe, Mister Parker, Sie bieten mir heute abend eine nette kleine Abwechslung, ich möchte noch ein wenig entspannen.«
»Möglicherweise könnten sich Mylady zum Besuch des ›Crazy Elephant‹ entschließen«, schlug der Butler gemessen vor und deutete eine Verbeugung an.
»Klingt nicht schlecht, Mister Parker. Gibt es dort auch etwas zu essen? Zuweilen übertreiben Sie schon meine Diät, Sie scheinen mich auf Hungerkur zu setzen.«
»Keinesfalls und mitnichten, Mylady. Das ›Crazy Elephant‹ ist allerdings auf gar keinen Fall ein Gourmet-Tempel und kann bestenfalls mit derber Hausmannskost aufwarten.«
»Das ist es, wonach mir der Sinn steht, Mister Parker«, antwortete Agatha Simpson und rieb sich unternehmungslustig die Hände. »Und was wird mir sonst noch geboten?«
»Bemerkenswertes Lokalkolorit mit Künstlern aus dem Varieté- und Zirkusmilieu, Mylady«, warnte der Butler. »Das Niveau dürfte möglicherweise schockieren.«
»Das ist genau das richtige für mich heute abend«, fand die ältere Dame umgehend. »Lassen Sie uns aufbrechen, Mister Parker, ich möchte mich ein wenig empören.«
*
Das Lokal lag in Whitechapel und machte rein äußerlich einen alles andere als bürgerlichen Eindruck. Es war in einem schmalbrüstigen Haus mit schmutziggrauer Fassade untergebracht, die dringend nach frischer Farbe schrie.
Neben dem Eingang prangte ein riesiger, ehemals wohl grüner Elefant, der mit seinem Rüssel eine Whiskyflasche ans Maul führte. Darüber stand in verwaschenen, roten Buchstaben der Name: Crazy Elephant.
Lady Agatha musterte das Lokal neugierig und nickte ihrem Butler huldvoll zu. »Nun, das sieht ja recht vielversprechend aus, Mister Parker«, stellte sie fest und rieb sich in Erwartung kommender Ereignisse die Hände. »Ich denke, ich werde mich hier ordentlich amüsieren.«
»Das Publikum entspricht nicht unbedingt den gesellschaftlichen Normen, Mylady«, warnte der Butler, während er sein hochbeiniges Monstrum, wie sein Privatwagen von Freund und Feind respektvoll genannt wurde, abschloß.
»Das macht nichts, Mister Parker, ich werde den Leuten schon Manieren beibringen«, zeigte sie sich großzügig und nickte nachdrücklich.
»Möglicherweise wird man Mylady sogar belästigen«, gab Parker seiner Befürchtung Ausdruck.
»Das wäre ja wohl die Höhe«, ereiferte sie sich umgehend und lächelte erfreut dazu. »Ich hoffe, das war ein Versprechen, Mister Parker.«
Sie nickte energisch und stampfte entschlossen Richtung Eingang, vor dem ein bunt gekleideter, traurig blickender Mann stand.
»Nichts für dich, Schwester, das hier is ’n ganz übler Laden«, teilte er mit und schüttelte seufzend den Kopf. »Such dir lieber was anderes, wirklich, das hier is’ echt das Letzte.«
»Sie raten Mylady vom Besuch dieses Etablissements ab?« vergewisserte sich Parker und lüftete grüßend die Melone.
»Und ob, Mann, ’nen übleren Laden als den hier gibt’s weit und breit nicht«, teilte der Traurige ihm mit und seufzte erneut.
»Ausgezeichnet«, freute sich die Detektivin und schob den Buntgekleideten zur Seite. »Hier bin ich richtig, kommen Sie, Mister Parker.«
»He, Moment mal, Lady, so geht das aber nicht«, protestierte der Mann vor der Tür und wurde erstaunlich munter »Du hast mich wohl falsch verstanden, Schwester, das war kein Tip von mir, sondern ’ne Aufforderung, klar? Such dir was anderes, hier biste falsch, hier kommste nich’ rein, klar?«
»Das war doch wohl eine Beleidigung?« vergewisserte sich Lady Agatha und nahm mit den Augen bereits Maß. »Dieser Flegel wagt es also tatsächlich, mich zurückhalten zu wollen, mal ganz davon abgesehen, daß er mich duzt, Mister Parker?«
»Meine bescheidene Wenigkeit erlaubte sich bereits, auf die möglicherweise mangelhaften Umgangsformen in diesem Etablissement hinzuweisen, Mylady«, bemerkte Parker höflich.
»Was denn, Schwester, du bist... äh, ich meine, Sie sind ’ne echte Lady?« staunte der Buntgekleidete und musterte die resolute Dame von oben bis unten.
»Sie haben die Ehre und den Vorzug, Lady Agatha Simpson einlassen zu dürfen«, stellte der Butler gemessen fest.
»Und äh ... Sie wollen wirklich hier rein?« vergewisserte sich der verdutzte Mann und sah sie verständnislos an.
»Und ob, junger Mann, und wenn Sie mich nicht gleich einlassen, werden Sie Ihr blaues Wunder erleben«, kündigte Mylady ihm an und ließ ihre Rechte durch die Luft sausen. Der Türsteher wurde dabei versehentlich und nur sehr oberflächlich an der Wange gestreift und erlitt prompt einen kleinen Schwächeanfall. Er ließ sich gegen die Tür fallen, schnappte laut und vernehmlich nach Luft und litt sichtlich unter gewissen Konditionsmängeln.
»Mit der heutigen Jugend ist wirklich kein Staat mehr zu machen«, stellte die ältere Dame fest. »Früher war das doch anders, Mister Parker, aber daran können Sie sich wohl nicht mehr erinnern.«
Sie drückte, bevor Parker ihr behilflich sein konnte, energisch die Tür auf und schob sich in die entgegenschlagende Dunstwolke.
Parker ging diskret an seiner Herrin vorbei und bahnte ihr einen Weg durch den nahezu undurchdringlich scheinenden Nebel aus Qualm, Küchendünsten und Parfümwolken.
»Hier riecht es aber penetrant, Mister Parker«, stellte die Detektivin fest und rümpfte die Nase. »Man sollte vielleicht mal lüften und eventuell ein paar Stücke Seife verteilen.«
»He, meint die komische Tante etwa uns?« erkundigte sich ein stiernackiger Mann an der Theke, an der sich Lady Agatha und Josuah Parker vorbeischoben, bei seinem Begleiter.
»Ich glaub‘, die sucht Streit«, stellte der sofort fest und rutschte vom Hocker. »Wie ist die überhaupt reingekommen?«
»Keine Ahnung, aber das war bestimmt ’n Versehen«, vermutete der Stiernackige. »Das werden wir jetzt schleunigst korrigieren.«
»Du hast dich verlaufen, Tante«, teilte er Agatha Simpson mit und baute sich breitbeinig vor ihr auf. »Du wolltest bestimmt woanders hin, stimmt’s?«
»Hier bin ich genau richtig«, erwiderte Mylady und musterte den Stiernackigen, der an einen Preisboxer erinnerte.
»Ich bin nur Ihretwegen gekommen, um Ihnen Manieren beizubringen, Sie Lümmel!«
»He, Mann, die hat aber Haare auf den Zähnen«, stellte der Preisboxer fest und grinste. »Da macht’s Spaß, mal wieder richtig zuzulangen.«
»Sie wollen sich an einer Dame vergreifen, Sir?« mischte sich Parker ein, der sich neben seiner Herrin aufgebaut hatte und den Mann mit unbewegtem Gesicht musterte.
»Guck dir doch nur mal den an, der kommt