Krise am Golf. Robert FitzthumЧитать онлайн книгу.
Matin Baraki/Fritz Edlinger (Hg.)
Krise am Golf
© 2020 Promedia Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H., Wien
ISBN: 978-3-85371-877-3
(ISBN der gedruckten Ausgabe: 978-3-85371-466-9)
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Inhaltsverzeichnis
Sicherheit – ein umkämpfter Begriff am Golf
Iran und Trump
Saudi-Arabien als Großmacht
Die Jemenpolitik Saudi-Arabiens
Iran und der Golfkooperationsrat
Vom Versagen des Golfkooperationsrates
US-Politik in der Golfregion
Die Golfstaaten und die russische Strategie des »ehrlichen Vermittlers« im Nahen Osten
Die Seidenstraßeninitiative und ihre Auswirkungen auf die Golfstaaten
Der Drohnenmord an General Soleimani und die aktuelle Irak-Politik der USA
Israels Rolle im aktuellen Golfkonflikt
Die Bedeutung des Syrienkonfliktes für die Golfregion
Irans Atomprogramm im Brennpunkt der Weltpolitik
Rente als Hindernis für den Kapitalismus308
Islam als Ideologie der arabischen Expansion. Die Rolle der Golfstaaten
Der Promedia Verlag im Internet
Vorwort
Wir begeben uns mit diesem Buch auf äußerst schwieriges Terrain. Sowohl die internationalen als auch die regionalen Entwicklungen sind in Bewegung. Es existieren zwar klare langfristige Ziele und Interessen der wichtigsten Akteure, dennoch sind immer wieder überraschende Kursänderungen und neue Konstellationen möglich. Die politische Situation erweist sich jedenfalls als weitaus schwieriger prognostizierbar als noch vor wenigen Jahren. Die Golfregion ist ein besonderer Fall. Hier gibt sich die Welt ein Stelldichein und potenziert die ohnedies bereits in Überfülle vorhandenen lokalen und regionalen Konflikte um ein Vielfaches.
Mit diesem Buch soll die aktuelle Situation in den Golfstaaten analysiert und gleichzeitig ihre historischen Grundlagen in Erinnerung gerufen werden. Damit wird auch der Versuch unternommen, manchen in den Mainstream-Medien kursierenden Halbwahrheiten und bewussten Falschmeldungen entgegenzutreten. Matin Baraki hat gemeinsam mit mir international bekannte AutorInnen aus unterschiedlichen Regionen und Fachgebieten eingeladen, die politische Lage zu sondieren und über mögliche Entwicklungen zu informieren. Wir standen dabei von Anbeginn an vor vielfältigen Fragen. Es begann mit der banalen Entscheidung, wie die Region zu benennen ist. Die meisten in Europa verwendeten Landkarten bezeichnen sie als Persischen Golf. Diese Bezeichnung findet sich z.B. bei Wikipedia.1 Aber auch dort steht zugleich ein Hinweis auf ein Problem, das sowohl weit zurückgreifende historische Wurzeln, aber auch hochaktuelle machtpolitische Bedeutung hat. Betrachtet man die Anrainerstaaten des »Persischen Golfes« so sind dies fast ausschließlich arabische Länder, deren Bevölkerung noch dazu im Unterschied zu den schiitischen Persern in überwiegender Mehrheit der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam angehört. Und diese bevorzugen es, die Region als »Arabischen Golf« zu bezeichnen.2 Damit sind wir mitten in der Gegenwart angelangt, in der diese historische Region zweifellos zu einem der Krisenherde erster Ordnung zählt. Zu allem Überdruss lagert hier ein Großteil der weltweiten Energiereserven3, was seit über einem Jahrhundert kleptokratische Interessen der Weltmächte weckt.
Neben den Staaten der unmittelbaren Region, also den sechs Staaten des Golfkooperationsrates (GCC) und den Nachbarn Iran und Irak wollten wir auch einen Blick in die weitere Umgebung werfen, zumindest soweit diese einen direkten Einfluss auf die Situation im Golf hat, weshalb auch Israel und Syrien behandelt werden. Ohne ausführliche Analysen der mehr oder minder direkten Einflussnahmen der weltweit agierenden Großmächte USA, China und Russland wären natürlich viele Entwicklungen nicht verständlich. Eine Beschreibung der Rolle der UNO im Kontext mit den zunächst erfolgreichen und danach von der Trump‘schen Administration wieder aufgekündigten Atom-Verhandlungen mit dem Iran ist ebenso essenziell wie auch Analysen der gesellschaftspolitischen Strukturen der völlig von den Öleinnahmen abhängigen Rentierstaaten. Beiträge über die Rolle des Islam sowie politikwissenschaftliche Betrachtungen der unterschiedlichen sicherheitspolitischen Konzeptionen einzelner regionaler Akteure runden einen Band ab, der ohne Zweifel manche Lücken aufweist, aber wichtige Einblicke in eine seit vielen Jahren und Jahrzehnten heiß umkämpfte Region gewährt.
Es ist uns gelungen, eine attraktive Gruppe internationaler AutorInnen zu gewinnen. Diese ist fachlich kompetent, auch hinsichtlich Nationalität und Muttersprache gut durchmischt. Und – was mir persönlich ebenfalls wichtig war – wir haben auch eine Ausgewogenheit zwischen wissenschaftlich hochqualifizierten ExpertenInnen und journalistisch tätigen GeneralistInnen zustande gebracht.
Die größten Feinde sind sich ähnlicher als sie es selbst wahrnehmen
Obwohl viele Skeptiker der Meinung sind, dass eigentlich schon so gut wie alles gesagt und geschrieben ist, findet man doch immer wieder überraschende Zusammenhänge. So kam auch für mich, der ich über jahrzehntelange praktische Erfahrung im Nahen Osten verfüge, die Einsicht überraschend, dass sich intim verfeindete Akteure in der Region in vielen sozioökonomischen, gesellschaftspolitischen und mitunter sogar kulturellen Aspekten weitaus ähnlicher sind als gemeinhin angenommen und auch von den Betroffenen selbst zugegeben. In formal völlig unterschiedlich verfassten Staaten sind Fragen der Sicherheit, der Herrschaftsausübung von klar definierten elitären Männerbünden, der Kontrolle über Medien und Zivilgesellschaft durchaus vergleichbar organisiert. Ob nun erbliche Potentaten oder »gewählte« Führer (Präsidenten) an der Spitze stehen, sie haben absolute Macht und üben diese zumeist auch rücksichtslos aus. Die Aufrechterhaltung der inneren und äußeren Sicherheit ist für sie alle das entscheidende Kriterium.4 Und die ungelösten grundlegenden Probleme der einzelnen Staaten sind weitgehend identisch: Extrem hohe Jugendarbeitslosigkeit, Diskriminierung der Frauen und als direkte Folge eine weitgehende Distanz großer Teile der Bevölkerung zu ihren herrschenden Eliten, was vor allem in den arabischen Staaten in den verschiedenen Rebellionen des vergangenen Jahrzehntes zum Ausdruck gekommen ist.
Verbündete haben größere Differenzen, als ihnen lieb ist
Sosehr ich meine voranstehende Analyse weitgehend für zutreffend halte, so gibt es doch auch einige Ausnahmen. So offenbart der GCC-interne Konflikt, der sich nach weitverbreiteter Ansicht zu einem längerfristigen Dauerzustand entwickeln wird, einige nicht zu leugnende fundamentale Differenzen. Vereinfacht formuliert, könnte man diesen auch als einen Konflikt zwischen soft-power und hard-power interpretieren. Manche der Golfstaaten legen eine aggressive, auch vor